Dass Diagnosen keine Feststellung dessen darstellen, was ist, sondern dazu beitragen, die Realitäten zu erschaffen, die zu beschreiben sie vorgeben, ist ein altbekanntes Thema im systemisch-konstruktivistischen Diskurs. Dabei handelt es sich nicht nur um die Diagnosen, die vom Mainstream der medizinalisierten Psychotherapie vergeben werden, sondern immer mehr auch um solche, die von Betroffenen selbst zur Selbstidentifikation genutzt werden – eine Tendenz, die durch die neuen Medien und den Einfluss, den Influencer hier gewinnen, massiv verstärkt wird.
Thorsten Padberg, einer der bekannten Kritiker dieser Entwicklungen, hat sich im Psychotherapeutenjournal 1/2025 mit den sogenannten Looping-Effekte und ihren Folgen für die Psychopathologie auseinandergesetzt. Im abstract heißt es: „Psychische Diagnosen werden durch sogenannte Looping-Effekte beeinflusst: Der Austausch zwischen Betroffenen, Ärztinnen und Medien verändert die Begriffe selbst und die Wahrnehmung der Klientinnen. Neue Symptome wie ,mangelnde Objektpermanenz‘ bei ADHS entstehen oft außerhalb wissenschaftlicher Diskurse, etwa durch Influencer*innen. Diese Entwicklungen führen manchmal zu erhöhter emotionaler Fragilität. Studien zeigen, dass nicht jede Diagnose hilfreich ist: Menschen mit leichteren Symptomen, die diagnostiziert wurden, berichten von negativeren Verläufen als unbehandelte Personen. Kritik richtet sich an die Fixierung auf Krankheitskategorien, die zwar Aufmerksamkeit schaffen, aber die Bewältigung oft erschweren. Stattdessen sollten dynamische Verstehensansätze gefördert werden, die Handlungsmöglichkeiten und ein tieferes Selbstverständnis betonen.“
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