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Die kontinuierliche Wiederherstellung von Führungslegitimität

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In seiner Dissertation beschäftigt sich Marcus Wörner mit der interessanten Frage, wie sich Führung legitimieren kann, wenn die klassischen Legitimationsmittel etwa der Autorität qua Amt oder andere Machtmittel an Stellenwert verloren haben oder, wie z.B. bei einem Zusammenschluss von Organisationen oder Unternehmen, von vorneherein für den Verband nicht zur Verfügung stehen, weil er keine formalen Machtmittel gegenüber den beteiligten autonomen Mitgliedern besitzt. „Hieraus lässt sich die These aufstellen, dass Führungslegitimität kein feststehender Besitz von Führung sein muss, der zum Beispiel im Sinne von Weber auf einer legalen oder traditionalen Herrschaft aufbaut. Führungslegitimität, so kann vermutet werden, sollte vielmehr als etwas betrachtet werden, das in organisationaler Kommunikation immer wieder aufs Neue erarbeitet werden muss und damit selbst ein Prozess ist und keine Entität, kein fixer Zustand. Deshalb spricht der Titel dieser Arbeit von der kontinuierlichen Wiederherstellung von Führungslegitimität.“ Diese These wird systemtheoretisch untermauert und anhand des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken empirisch untersucht. Im abstract der Arbeit, mit der Marcus Wörner an der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG) promoviert wurde, heißt es: „Im Feld der Betriebswirtschaft erfreut sich das Thema Führung seit langer Zeit anhaltender Aufmerksamkeit. Debatten über Führung lassen sich in zahlreichen Publikationen finden, von Lobeshymnen auf heroische Führungspersönlichkeiten in der Wirtschaftspresse bis hin zu tiefgründigen wissenschaftlichen Studien in Wissenschaftsjournalen. Dabei lässt sich feststellen, dass die wissenschaftlichen Beschreibungen von Führung an Komplexität gewonnen haben. Führung wird zunehmend als eine dynamische, relationale und verteilte Aufgabe dargestellt.

Eine vergleichbare Entwicklung lässt sich mit Blick auf das Führung zugrunde liegende Verständnis von Führungslegitimität nicht beobachten. Heutige theoretische Verständnisse von Führungslegitimität bauen nach wie vor stark auf Überlegungen Max Webers (1922) auf, der Legitimität als die Basis für Herrschaft betrachtete. Solche Legitimität wird meist als Besitz von Führungspersönlichkeiten betrachtet, der auf ihren persönlichen Eigenschaften oder ihrer organisationalen Position gründet.

Neuere Untersuchungen im Bereich Führungslegitimität (z.B. Chakravarthy und Gargiulo, 1998; Denise et al., 2001) betonen, dass formale Autorität zunehmend ungenügend ist, um Führungslegitimität sicherzustellen. Auf diese Weise wird ein komplexeres Verständnis von Führungslegitimität angedeutet. Es werden jedoch keine Definitionen angeboten, die diese Konzeption von Führungslegitimität präzisieren würden, so dass Webers Ausführungen weitgehend alternativlos bleiben.

Die vorliegende Arbeit nutzt ein Prozessverständnis organisationaler Kommunikation basierend auf Luhmanns Systemtheorie, um Führungslegitimität als eine andauernde organisationale Errungenschaft zu definieren. Sie trägt zudem zur Forschung bei, indem Kommunikationsprozesse in einem organisationalen Kontext empirisch beobachtet werden, um das Phänomen der Führungslegitimität zu untersuchen.

Auf der Basis einer longitudinalen Fallstudie in einer heterarchischen Organisation wird der verständnissteigernde Nutzen einer Prozessperspektive von Führungslegitimität aufgezeigt. Es wird veranschaulicht, wie unterschiedliche Interventionspraktiken dazu beitragen können, Führungslegitimität kontinuierlich neu zu erschaffen. Dabei wird betont, dass die identifizierten Interventionspraktiken zugleich divers und komplementär sind. Sie ergänzen sich in den Dimensionen: Förderung von Kooperation und Einführung von Unterschieden; direkte und indirekte Kommunikation; inhaltsbezogene und beziehungsorientierte Kommunikation.

Ein praktischer Beitrag der Erkenntnisse dieser Arbeit kann sich dabei auch für klassische hierarchische Organisationen als nützlich erweisen, da sich in heutigen komplexen Organisationen strikt hierarchische Führungsansätze von Befehl, Umsetzung und Kontrolle zunehmend als unwirksam erweisen.“

Die vollständige Dissertation ist unter diesem Link im Netz zu finden

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