In einer„Studie zur ärztlichen Herstellung von dem, ‚was der Fall ist‘ im gewöhnlichen Krankenhausalltag“, hat der Soziologe Werner Vogd, Professor für Soziologie an der Universität Witten/Herdecke, Kontext und Bedingungen ärztlichen Handelns in der Klinik vorabe jeden Patientenkontaktes:„Noch bevor sich eine Arzt-Patient-Beziehung in konkreter Form entfalten und entwickeln kann – sei es in paternalistischer oder demokratischer Form -, prägen zuvor getroffene Situationsdefinitionen, sogenannte ‚Rahmen‘, ihre Gestaltung. Diese Rahmen stellen im Sinne von Goffman sozusagen eine Wirklichkeitssicht, eine Perspektive dar, in der ein gegebenes Problem gesehen und verstanden werden kann. Es ist zu erwarten, dass diese Situationseinschätzungen die Arzt-Patient-Beziehung in erheblichem Maße beeinflussen. Am Beispiel verschiedener medizinischer Abteilungen (Chirurgie, Innere Medizin, Psychosomatische Medizin) wird die Dynamik unterschiedlicher medizinischer Rahmungsprozesse rekonstruiert. Hierzu fanden auf drei Stationen (zwei Krankenhäuser der Maximalversorgung und ein Universitätsklinikum) jeweils 8- bis 10-wöchige Feldaufenthalte statt, in denen Ärzte unterschiedlicher Funktionsbereiche begleitet wurden, wobei deren Kommunikationen soweit wie möglich schriftlich fixiert wurden. Mit den ärztlichen und einigen nicht-ärztlichen Mitarbeitern der Stationen wurden anschließend Leitfaden-Interviews durchgeführt (insgesamt 30). Die Auswertung erfolgt anlehnend an die dokumentarische Methode von Bohnsack in den drei Schritten ‚formulierende Interpretation‘, ‚reflektierende Interpretation‘ und ‚komparative Analyse‘. Die Analyse zeigt auf, dass Patientenerwartungen, veränderte ökonomische Rahmenbedingungen, die Antizipation möglicher juristischer Konsequenzen, die Interaktionsdynamik im Team, fachspezifische Problemdefinitionen, aber auch die Spezifika der Krankenhaushierarchie eine wichtige Rolle für die Gestaltung der Beziehung zum Patienten spielen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass Arzt-Patient-Interaktionen komplexe soziale Prozesse darstellen, die nur über die Systemdynamik medizinischer Organisationen, insbesondere dem reziproken Abtasten von Erwartungen und den sich hieraus entfaltenden ‚Täuschungsmanövern‘, verstanden werden können“
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Die Bedeutung von „Rahmen“ (frames) für die Arzt-Patient-Interaktion
17. April 2012 | Keine Kommentare