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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Zeitschrift für systemische Therapie 1983

Heft 1

Jürgen Hargens (1983): Einige einleitende Bemerkungen … (des Herausgebers). In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 1–1

Bradford P. Keeney (1983): Konstruktion der Wirklichkeit. Auszug aus der Einleitung zu: »Aesthetics of Change«. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 2–4

Philippe Caillé (1983): Was ändert es, wenn man die Familie ein System nennt? In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 5–20

abstract: Es werden die Aspekte erwähnt, die man berücksichtigen muß, wenn man von dem, was gemeinhin Familie genannt wird, als einem „System“ spricht. Obwohl einige den Begriff „System“ einfach als modernes Synonym für „Familie“ benutzen, bereitet es Wissenschaftlern erhebliche Schwierigkeiten, sich auf eine Welt der Beziehungen (statt auf eine Welt der Dinge) zu konzentrieren. Therapeuten müssen sich darüberhinaus mit der Frage auseinandersetzen, wie notwendig eine einheitliche Definition von Beziehungen ist und wie sie mit der heterogenen Komplexität einer solchen Definition umgehen sollen. Eine solche Komplexität erfordert für unsere Arbeit mit Familien die Anwendung von ModelIvorstellungen . Ein Zwei-Ebenen-Modell familiärer Selbstwahrnehmung, das ein phänomenologisches („phenomenological“) und ein fiktives („mythical“) Modell der Familie einschließt, hat sich für das Verständnis von Familien, die in keinem vertrauenswürdigen Kontext ihrer Mitglieder stehenbleiben, als sinnvoll erwiesen. Einige Hinweise über die Anwendung dieser Konzepte hinsichtlich systemischer Dysfunktion und der Planung therapeutischer Interventionen – schließen die Arbeit ab.

Steve de Shazer (1983): Über nützliche Metaphern. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 21–30

abstract: In letzter Zeit sind im Bereich der Familientherapie wieder epistemologische Fragen aufgetaucht. Die Diskussion dieser Fragen ist zu oft auf einer philosophischen Ebene stehen geblieben, und so blieben die praktischen Implikationen jeder Epistemologie im Dunst und im Durcheinander verborgen. Konsistente konzeptuelle Schemata sind aber nötig, um das Denken über Therapie weiterzuentwickeln und dementsprechend auch über therapeutische Methodologie, die sich auf die Funktionsweise von Systemen gründet. In dieser Arbeit soll versucht werden, etwas von dem Durcheinander, das unsere Wahrnehmungen verdunkelt, aufzuhellen, so daß die sich einstellende Klarheit nützliche Metaphern offenlegen kann, die zu konsistenten therapeutischen Maßnahmen führen, welche sich auf konsistentes Denken zurückführen lassen.

Max J. van Trommel (1983): Die Änderung zweiter Ordnung der kybernetischen Epistemologie. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 31–33

abstract: Bateson kann als Begründer einer zweiten Revolution in der Welt der Psychotherapie verstanden werden. Psychotherapeuten wurden zuerst mit den Freudschen Ideen vertraut und erst danach begann eine neue Entwicklung, die sich auf die Veröffentlichungen von Bateson bezog. Bateson untersuchte das Verhalten von Tieren und Menschen und er konstruierte ein neues Denkkonzept, das sich auf seine Beobachtungen gründete. Bis dahin bildete die lineare Denkweise den Bezugsrahmen von Psychotherapeuten: die Ursache-Wirkung- Art des Denkens, deren Verwendung für die Psychotherapie Freud durchaus originell konstruiert hat. Bateson fragte sich nun, wie er das, was er beobachtete, verstehen könne. Er versuchte insbesondere zu verstehen, wie Menschen wissen, was sie wissen. Wie konnte er am besten die Art und Weise erklären, in der der menschliche Geist und die menschliche Kommunikation funktionierten. Er kam zu dem Ergebnis, daß ein lineares Konzept nur unzureichende Möglichkeiten bot, diese Fragen zu beantworten, daß dazu vielmehr eine zirkuläre Denkweise nötig war. Auf Grundlage einer solchen zirkulären Denkweise entwickelte er das Konzept einer kybernetischen Epistemologie, mit deren Hilfe er beschrieb, wie sich die menschliche Art zu denken und zu interagieren als zyklischer Prozeß immer weiter entwickelte. Die Palo Alto-Gruppe, deren Mitglied Bateson war, bezog diese neuen Ideen auf den Bereich der Psychotherapie, insbesondere auf die Prozesse, die sich in der Interaktion zwischen Menschen abspielten. Die Palo Alto-Gruppe war besonders an der Frage interessiert, wie Änderungen im Interaktionsprozeß verhindert werden konnten. Sie entwickelten das Konzept der Homöostase bzw. der negativen Rückkopplung in menschlicher Interaktion.

Bradford Keeney & Jeffrey Ross (1983): Geist und Therapie: Architektonik der Familiendynamik (Einleitung zu einem noch nicht geschriebenen Buch). In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 33-43

Bradford P. Keeney (1983): Erwiderung auf van Trommels »Die Änderung zweiter Ordnung der kybernetischen Epistemologie«. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 44-44

Wolfram K. Köck (1983): Erkennen=(Über-)Leben. Bemerkungen zu einer radikalen Epistemologie. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 45–55

Jürgen Hargens (1983): Erste internationale Konferenz über Epistemologie, Psychotherapie und Psychopathologie. 10.-12.9.1982 in Houston. Einleitende Hinweise. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 57-58

Paul F. Dell (1983): Erste internationale Konferenz über Epistemologie, Psychotherapie und Psychologie: Auftrag für die Konferenz. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 59–66

abstract: In den letzten 25 Jahren haben die Schriften Gregory Batesons den Bereich der Familientherapie ständig beunruhigt. Im Zentrum von Batesons Arbeiten stand während dieser Jahre die Epistemologie, ein Begriff, den er zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Bedeutungen zu benutzen schien. Bateson befürwortete besonders eine systemische Weitsicht, die er „kybernetische Epistemologie“ nannte. Aufgrund seiner Erfahrung und Klarheit in der Beschreibung lebender Systeme war Bateson allgemein und in großem Maße im Bereich der Familientherapie anerkannt. Jetzt hat sich Batesons Sichtbarkeit in der familientherapeutischen Literatur quantitativ verändert. In den letzten Jahren hat eine Handvoll Familientherapeuten in hohem Maße Batesons Betonung der Epistemologie bekräftigt und damit kühne und kontroverse theoretische Positionen aufgebaut, die die Psychotherapie und andere menschliche Systeme betreffen. Als Folge entstand im Bereich der Familientherapie eine zunehmende und und stürmische Debatte. Diese Konferenz ist teilweise eine Manifestation dieser Debatte. Aber nur teilweise. Was auch immer die Bedeutung, die Genauigkeit oder die Nützlichkeit von Batesons Sichtweise hinsichtlich der „Epistemologie“ sein mag – dies alles wird gegenwärtig heftig debattiert – dieser Fokus auf Epistemologie scheint einen auffordernden Einfluß auf unser Denken über Psychotherapie im allgemeinen zu haben. Das heißt, daß die Kontroverse, die in diesen neueren Arbeiten über Epistemologie zum Ausdruck kommt, unser Interesse auf viele grundlegende Fragen richtet – ebenso wie sie unsere diesbezüglichen Überlegungen legitimiert -, die vergessen oder unterdrückt waren, nämlich:
– Was ist die Natur menschlicher Wesen ?
– Wie wissen sie, was sie (meinen zu) wissen ?
– Was ist die Natur menschlicher Interaktion ?
– Was ist die Natur von Psychotherapie im besonderen und Verhaltensänderung im allgemeinen ?
– Was ist die Quelle effektiver Therapie ?
– Was ist Psychopathologie – tatsächlich ?
– Was ist die grundsätzliche Natur der Sprache und Kommunikation?
– Was ist Geist ?

David Bond (1983): Kritische Anmerkungen: „Epistemologie, Psychotherapie und Psychopathologie“. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(1), S. 67-69


Heft 2

Bradford P. Keeney (1983): Was ist eine Epistemologie der Familientherapie? In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 1–22

Helmut Willke (1983): Methodologische Leitfragen systemtheoretischen Denkens: Annäherung an das Verhältnis von Intervention und System. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 23–37

abstract: Therapeuten sind Experten für die Intervention in komplexe Systeme. Aber sie sind nicht die einzigen. Auch Lehrer, Unternehmensberater, Sozialplaner, Regierungsberater oder behandelnde Ärzte intervenieren in komplexe lebende Systeme. Sicherlich ist Erziehung nicht mit Therapie; Organisationsentwicklung nicht mit Gesellschaftsplanung gleichzusetzen; und es ist insofern verständlich, wenn jeder „Interventionsexperte“ auf die Besonderheit seines Gebietes verweist. Aber es könnte fruchtbar für alle betroffenen Gebiete sein, wenn jenseits der Unterschiede auch einmal die übergreifenden Gemeinsamkeiten der „Behandlung“ komplexer lebender Systeme ins Blickfeld gerückt werden. Dies empfiehlt sich insbesondere in einer Situation, in der immer deutlicher wird, daß für Familien wie für Schulklassen, für Organismen wie für Unternehmen, für Organisationen wie für Gesellschaften eine systemische Sichtweise neue und aufschlußreiche Erkenntnisse erbringen kann: eine Sichtweise nämlich, die die Möglichkeit ernst nimmt, daß Systeme nicht aus den Eigenschaften ihrer Elemente erklärbar sind, sondern umgekehrt erst die besonderen Eigenschaften des jeweiligen Systems das Verhalten, die Pathologien und Potentialitäten seiner Teile verständlich macht. Im Folgenden soll deshalb zunächst versucht werden, knapp die Bedeutung des Unterschiedes zwischen einfachen und komplex organisierten Systemen deutlich zu machen (1.); denn erst dieser Unterschied erklärt, warum zwischen dem rationalistisch-naturwissenschaftlichen („szientifischen“) Paradigma einerseits und dem systemischen (“organisierte Komplexität“) andererseits Welten der Wahrnehmung und der Erkenntnis liegen. Dann sollen ebenfalls knapp einige besonderheiten komplexer Systeme aufgezeigt werden (2.), weil diese Besonderheiten die Bedingungen der Möglichkeit adäquater Intervention bezeichnen. Erst danach können einige jener grundbegrifflichen Probleme der systemischen Sichtweise behandelt und daraus jene grundlegenden Fragen abgeleitet werde (3.), welche als Leitlinien einer angemesseneren Methodologie dienen könnten.

Luciano L’Abate (1983): Aspekte des Reduktionismus: Lassen sich zirkuläre Modelle auf Linearität zurückführen? In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 39–43

abstract: In dieser Arbeit werden die Schwierigkeiten untersucht, die entstehen, wenn zirkuläre Modelle überprüft werden und es wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, überprüfbare lineare Modelle einzusetzen. Beispiele solcher Modelle und ihrer Anwendung werden gegeben.

Bradford P. Keeney (1983): Die Logik der Forschung. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 45–54

abstract: Alfred North Whitehead hat den Beitrag modernen Denkens als „ein leidenschaftliches Interesse an der Beziehung zwischen allgemeinen Prinzipien und nicht zu vereinfachenden und widerspenstigen Tatsachen“ charakterisiert. Unter „allgemeinen Prinzipien“ werden logisch entworfene semantische und/oder mathematische Systeme verstanden, auf die oft als formale Theorie Bezug genommen wird, während „nicht zu vereinfachende und widerspenstige Tatsachen“ sich mehr auf den Bereich empirischer Beobachtung bezieht. Wissenschaftliche Untersuchungen oder das, was Whitehead allgemeiner als modernes Denken versteht, beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen diesen beiden Handlungsebenen. Hier soll die Logik untersucht werden, die einer sozialwissenschaftlichen Forschung zugrundeliegt.

James C. Coyne (1983): Gibt es Holismus und Forschung gleichzeitig? In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 55–59

abstract: Im Zölibat lebende Mönche haben manchmal grundlegende Einsichten über Heirat und Sexualität, aber direkte Erfahrung erweist sich durchaus auch als wesentlich. Arbeiten über Familientherapieforschung leiden allzuoft daran, daß sie von den Wechselfällen aktueller Forschungsvorhaben zu weit entfernt sind. So werden Vorschläge gemacht, die sich als unbedeutend erweisen und Lösungen für grundsätzliche Probleme angeboten, die unbefriedigend sind, wenn man selbst gerade ein Forschungsprogramm durchführt. Zwei in dieser Ausgabe erscheinende Artikel (L’Abate und Keeney) lassen sich im wesentlichen so kennzeichnen. Sie enthalten einige bescheidene, aber nichtsdestoweniger triviale Ausführungen zur Famiientherapieforschung. Ein anderer Artikel (Gurman) zählt einige davon auf und verweist auf die Notwendigkeit, sich in diesem Bereich auf die Zählbarkeit zu beziehen, die die Forschung erfordert.

Bradford Keeney (1983): Einige Fragen zu Coynes Kritik. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 60-60

abstract: Im Zölibat lebende Mönche haben manchmal grundlegende Einsichten über Heirat und Sexualität, aber direkte Erfahrung erweist sich durchaus auch als wesentlich. Arbeiten über Familientherapieforschung leiden allzuoft daran, daß sie von den Wechselfällen aktueller Forschungsvorhaben zu weit entfernt sind. So werden Vorschläge gemacht, die sich als unbedeutend erweisen und Lösungen für grundsätzliche Probleme angeboten, die unbefriedigend sind, wenn man selbst gerade ein Forschungsprogramm durchführt. Zwei in dieser Ausgabe erscheinende Artikel (L’Abate und Keeney) lassen sich im wesentlichen so kennzeichnen. Sie enthalten einige bescheidene, aber nichtsdestoweniger triviale Ausführungen zur Famiientherapieforschung. Ein anderer Artikel (Gurman) zählt einige davon auf und verweist auf die Notwendigkeit, sich in diesem Bereich auf die Zählbarkeit zu beziehen, die die Forschung erfordert.

Luciano L’Abate (1983): Die Antwort heißt NEIN! Stellungnahme zu James C. Coyne (1983): Gibt es Holismus und Forschung gleichzeitig? In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 61-62

abstract: Im Zölibat lebende Mönche haben manchmal grundlegende Einsichten über Heirat und Sexualität, aber direkte Erfahrung erweist sich durchaus auch als wesentlich. Arbeiten über Familientherapieforschung leiden allzuoft daran, daß sie von den Wechselfällen aktueller Forschungsvorhaben zu weit entfernt sind. So werden Vorschläge gemacht, die sich als unbedeutend erweisen und Lösungen für grundsätzliche Probleme angeboten, die unbefriedigend sind, wenn man selbst gerade ein Forschungsprogramm durchführt. Zwei in dieser Ausgabe erscheinende Artikel (L’Abate und Keeney) lassen sich im wesentlichen so kennzeichnen. Sie enthalten einige bescheidene, aber nichtsdestoweniger triviale Ausführungen zur Famiientherapieforschung. Ein anderer Artikel (Gurman) zählt einige davon auf und verweist auf die Notwendigkeit, sich in diesem Bereich auf die Zählbarkeit zu beziehen, die die Forschung erfordert.

David London (1983): »Cum grano salis«. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(2), S. 63-64

abstract: Die Ausweitung familientherapeutischer Ansätze hat die Möglichkeit überrollt, unterscheidbare Bezeichnungen für jede Institution oder jedes Therapeutenteam, die sich unserer ausbreitenden Bewegung anschlossen, zu finden. Dieses Problem ist bisher in der Literatur völlig unzureichend behandelt worden. Ein Überblick über die Namen und Bezeichnungen, die gegenwärtig in Gebrauch sind, würde dies zweifellos deutlich machen.


Heft 3

Jürgen Hargens (1983): Einige einleitende Bemerkungen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(3), S. 1–1

Steve de Shazer & Alex Molnar (1983): Rekursivität: Die Praxis-Theorie-Beziehung. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(3), S. 2–10

abstract: Das Bedürfnis nach einer Theorie, die klinische Praxis anleiten und führen kann, scheint viele Therapeuten zu betreffen. Dieses erkennbare Bedürfnis kann die große Zahl neuerer Arbeiten erklären, die die Epistemologie der Familientherapie betreffen (etwa Allman 1982; Cronen, Johnson & Lannaman 1982; Dell 1982; de Shazer 1982; Keeney 1982, 1983). Wenn auch einige dieser Arbeiten zweifellos von Bedeutung sind, so beinhaltet die gegenwärtige Begeisterung für Epistemologie zwei Gefahren, nämlich 1) daß einige Praktiker und Theoretiker versuchen können,die Beziehung zwischen Theorie und Praxis derart darzustellen, als folge das eine in einer mechanischen Weise aus dem anderen oder 2) daß einige darangehen, diese Beziehung als bestenfalls dürftig zu beschreiben. Unsere klinische Erfahrung spricht dafür, daß die Theorie-Praxis Beziehung subtiler als eine lineare Ursache-Wirkung Beziehung ist. Wir sind zur Überzeugung gekommen, daß ein impliziter oder expliziter Versuch, die Theorie-Praxis Beziehung in einer mechanischen „A“-verursacht-„B“-Art zu gestalten, nicht sinnvoll ist. In dieser Arbeit wollen wir vier Interventionen beschreiben, die die Therapeuten am Brief Family Therapy Center (BFTC) in Milwaukee, Wisconsin (USA) als effektiv ansehen. Die klinische Arbeit am BFTC orientiert sich daran, Klienten zu helfen, Probleme zu lösen. Ohne Frage bildet unser Verständnis von der Natur der Änderung den „Grund“ für unsere Vorstellungen über Interventionsentwürfe wie auch über andere klinische Vorgehensweisen. Keine der im folgenden dargestellten Interventionen war auf der Grundlage einer Reihe von epistemologischen Annahmen vorsätzlich geplant. Jede einzelne Intervention wurde als Reaktion auf spezifische Probleme, die der jeweilige Fall mit sich brachte, entwickelt. Wenn eine Intervention nützlichen Ergebnissen brachte, wurde sie auch in anderen Fällen eingesetzt; wenn sich ein Muster der Effektivität zu entwickeln schien, versuchten wir zu erklären, was an diesen spezifischen Interventionen dazu führte, daß sie effektiv waren. Unsere Bemühungen, zu verstehen, wie diese Interventionen arbeiten, führten uns unweigerlich zu theoretischen Betrachtungen und ermöglichten es uns, unsere theoretischen Prämissen klarer zu erkennnen, weiter zu verfeinern und weiter zu entwickeln. Es folgen Aussagen über jede einzelne Intervention, Aussagen über das klinische Problem, das angesprochen werden sollte, Fallbeispiele und eine kurze Diskussion der Punkte, die wir auf Grund der Ergebniss für theoretisch wichtig ansehen.

Mara Selvini Palazzoli, Luigi Boscolo, Gianfranco Cecchin & Giuliana Prata (1983): Das Problem des Zuweisenden. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(3), S. 11–20

abstract: Dieser Artikel ist ein erster Beitrag zu dem überaus hinterhältigen Problem des Zuweisenden in der Familientherapie. Nach unserer Erfahrung war unser Versagen, dieses Problem entsprechend der systemischen Epistemologie zu unterSuchern, der Ursprung einiger erfolgloser Therapien. Eine Beschreibung solcher Zuweisenden, die im Verdacht stehen, ein die Homöostase aufrechterhaltendes Familienmitglied geworden zu sein, wird vorgestellt. Wir beschreiben Verhaltensausschnitte, die wir sehr oft in Familien beobachten, .die homöostatische Beziehungen zum Zuweisenden aufrechthalten. Schließlich wollen wir die Taktiken erklären und beschreiben, die wir entwickelt haben, um dieses Problem aufzuzeigen und aufzulösen.

Brian W. Cade (1983): Die Potenz der Impotenz. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(3), S. 21–26

abstract: In diesem kurzen Aufsatz sollen die therapeutischen Effekte betrachtet werden, die sich aus einer Unfähigkeitserklärung des Therapeuten ergeben. Es wird ein Modell vorgeschlagen, über dieses Manöver zu reflektieren.

Jürgen Hargens (1983): Beobachtungskontrolle als Voraussetzung, systemische Interventionen zu planen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(3), S. 27–43

abstract: Die im folgenden angestellten Überlegungen und Folgerungen sind das Ergebnis unserer praktischen Arbeit mit Systemen (Familien und deren Mitglieder) in einer privaten psychologischen Praxis. Dabei haben wir im Laufe der Zeit einerseits unsere Arbeitsbedingungen entsprechend unserem Kenntnisstand verändert, mußten aber in einigen Punkten darauf verzichten, weil die konkreten materiellen Voraussetzungen nicht vorlagen (1). Dies betrifft vor allem die Größe des Teams, das im wesentlichen aus zwei Leuten bestand. Einige Versuche, dieses Team auf 3 oder 4 Leute zu erweitern, schlugen aus verschiedenen Gründen fehl. Während wir von Anfang an mit Familien nur konsequent gemeinsam arbeiteten, waren wir bezüglich der Arbeit mit einzelnen Familienmitgliedern anfangs nachlässiger, sind aber auch hier zu einer ausschließlich gemeinsamen Arbeit gekommen.

Thomas C. Todd (1983): Paradoxe Verschreibungen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(3), S. 45–51

Bebee Speed, Philippa Seligman, Philip Kingston & Brian W. Cade (1983): Teamarbeit als therapeutischer Ansatz. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(3), S. 53–61

abstract: Im Laufe der letzten Jahre sind in Europa und Nordamerika zahllose Teams im Kontext der familientherapeutischen Praxis gebildet worden. Weshalb dies geschah und weshalb gerade im familientherapeutischen und nicht im individual- oder gruppentherapeutischen Bereich ist selbst ein interessantes Phänomen, aber nicht Gegenstand dieser Arbeit. Hier sollen die Vorzüge des Teams dargelegt und Aspekte beleuchtet werden, die die Zusammensetzung und das Funktionieren eines Teams beeinflussen. Was also sind zunächst einmal die Vorteile?


Heft 4 (Januar 1984)

Karl Tomm (1984): Der Mailänder familientherapeutische Ansatz: Ein vorläufiger Bericht. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 1–24

abstract: Die theoretische Pespektive und die Behandlungsansätze des „Mailänder Teams“ sind in Europa seit längerem bekannt, während sie in Nordamerika bis vor zwei oder drei Jahren praktisch unbekannt waren. Jetzt aber sieht es so aus, als ob ihr Ansatz großen Einfluß gewinnt. Es ist inzwischen üblich, von Familientherapeuten in Kanada und den USA zu hören, die „Teams“ um den Einwegspiegel bilden, die Pausen während der Interviews machen, um intensiv zu diskutieren, die sorgfältig die abschliessende Intervention planen, die die homöostatische Tendenz positiv bewerten, die Rituale verschreiben, etc.. Diese Kliniker eifern dem Mailänder Team nach und hoffen, bei „schwierigen“ Familien die gleichen dramatischen Ergebnisse zu erreichen, wie sie das Mailänder Team berichtet (1). Manchmal funktioniert dieser Ansatz bei ihnen genauso gut und bemerkenswerte Veränderungen treten ein (z.B. ißt eine Anorektikerin nach zwei Sitzungen wieder normal oder ein Paar mit ernsthaften Konflikten geht nach drei Sitzungen wieder mit gegenseitigem Respekt, Humor und Zuwendung miteinander um). Weit häufiger aber scheint es nur einen geringen oder gar keinen Effekt zu geben. Dies besonders dann, wenn die neue Behandlungsmethode zum ersten Mal ausprobiert wird. Die unerwarteten dramatischen Änderungen, die sich bei einigen Familien einstellen, sind aber oft genug bezeugt worden, um immer mehr Kliniker anzuregen, mit diesem neuen Ansatz zu experimentieren. Für einige dieser „Forscher“ wurde der Mailänder Ansatz zur bedeutendsten Innovation im familientherapeutischen Bereich im letzten Jahrzehnt. Ob dies eine Über- oder Untertreibung ist, ist schwer zu sagen. Nur die Zeit wird zeigen, wie ihr Beitrag einzuschätzen ist. Dieses Kapitel bietet einen Überblick über einige der wesentlichen Konzepte und Techniken, die in den Mailänder Ansatz eingehen. Dieser Bericht ist aus zwei Gründen als vorläufig anzusehen. Erstens sieht sich der Autor selbst noch als jemand, der diesen Ansatz lernt und erforscht. Er wurde vor drei Jahren auf die Arbeit des Mailänder Teams aufmerksam und er hat zweieinhalb Jahre Erfahrung in der Anwendung ihrer besonderen Behandlungsmethoden. Er ist sich der Tatsache bewußt, daß sein gegenwärtiges Verständnis des Ansatzes begrenzt ist und daß seine eigenen Vorannahmen den Inhalt eben dieses Berichtes in hohem Maße beeinflussen.

Bebe Speed (1984): Wie wirklich ist die Wirklichkeit wirklich? In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 25–32

abstract: Ausgehend von Karl Tomms Arbeit „Der Mailänder Ansatz: Ein vorläufiger Bericht“ werden hier Sichtweisen verschiedener Therapeuten hinsichtlich des Status der „Wirklichkeit“ diskutiert. Kommentatoren wie Dell, Keeney, Fisch und, so Tomm, die Mailänder Gruppe sind der Auffassung, daß wir nur Ansichten der Wirklichkeit besitzen und daß unterschiedl iche Ansichten nur auf Grundlage ihrer Nützlichkeit unterschieden werden können, nicht auf der Grundlage ihrer Genauigkeit. Ich spreche hier gegen einen solch extremen Relativismus und stimme Tomms Meinung nicht zu, daß die Mailänder Gruppe ebenfalls eine derartige Auffassung vertritt. Wenn ich auch akzeptiere, daß Wirklichkeit teilweise vom Erkennenden konstruiert wird, so gehe ich davon aus, daß einige Hypothesen dennoch genauer als andere sein können und daß der Grad der Genauigkeit zum Teil ihre Nützlichkeit bestimmt. Dies ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern hat auch wesentliche Implikationen für die therapeutische Praxis.

Max J. van Trommel (1984): Systemische Epistemologie: Anmerkungen zum Verhältnis von Zirkularität und Linearität. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 33–34

abstract: Worüber sollte ich meinen Kommentar schreiben, wenn ich zum größten Teil mit Karl Tomms Arbeit „Der Mailänder familientherapeutische Ansatz: Ein vorläufiger Bericht“ übereinstimme ? Tomm liefert eine klare Beschreibung des theoretischen Ansatzes und der therapeutischen Vorgehensweisen des Mailänder Teams. Die theoretische Sichtweise basiert auf der Auffassung, daß Probleme von Menschen mit Hilfe von Konzepten aus der System- und Informationstheorie sowie der Kybernetik zu begreifen sind. „Sie betont“, wie Tomm feststellt, „zirkuläre anstelle linearer Kausalität“ (S. 3). Diese Feststellung steht im Zentrum des Mailänder Ansatzes, wie er von der Mailänder Gruppe selbst und auch von Tomm beschrieben wird. Und soweit ich diese grundlegende Sichtweise verstehe, meine ich, daß wir doch stärker mit diesen grundlegenden Prinzipien zu kämpfen haben, als dies bisher der Fall war. Das Mailänder Team ist bemüht, das Konzept der Zirkularität auf einer möglichst hohen Abstarktionsebene einzusetzen. Aber ich bin überzeugt, daß es gefährlich ist zu versuchen, menschlichen Geist und menschliches Verhalten aus der Perspektive der Zirkularität zu verstehen – unter möglichst weitgehendem Ausschluß linearer Prinzipien.

Don E. Efron (1984): Aufklärung über den Mailänder Ansatz. Tomms »Vorläufiger Bericht« besteht den pragmatischen Test. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 35–38

Walter Schwertl (1984): Gedanken zum institutionellen Kontext des Mailänder Modells. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 39–42

abstract: Neben viel Begeisterung und Zustimmung hinsichtlich des Mailänder Arbeitsansatzes tauchen auch immer wieder Zweifel auf. Das Unverständnis und die damit verbundenen Fragen kreisen häufig um einen Punkt: Läßt sich dieser Arbeitsansatz in seiner geistigen Radikalität wirklich transformieren ? Ist er tatsächlich unabhängig von Personen und ihrem Charisma praktikabel ? Wie müssen institutionelle Bedingungen beschaffen sein, daß der Versuch, systemische Familientherapie zu praktizieren, nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist? Die Bedeutung des Mailänder Ansatzes wird ganz wesentlich davon abhängen, ob es gelingt, diese Arbeits- und Denkweise in anderen bereits bestehenden Institutionen zu etablieren. Dieser Kommentar stellt den Versuch dar, die damit verbundenen Probleme wenigstens zu skizzieren.

Karl Tomm (1984): Erwiderung. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 43–47

Mara Selvini Palazzoli (1984): Die Notwendigkeit langer Abstände zwischen den Sitzungen. Die Kontrolle des Familie-Therapeut Suprasystems durch den Therapeuten. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 49–56

abstract: In unserer Praxis hat es sich als außerordentlich vorteilhaft erwiesen, unsere Verbindung zur Familie nach jeder Sitzung für etwa einen Monat zu unterbrechen. In dieser Arbeit soll eine theoretische Erklärung dieses Vorgehens vorgestellt werden. Der Fokus der Analyse ist das Familie-Therapeut Suprasystem, d.h. dasjenige System, das sich aus dem Behandlungskontext aufgrund der Interaktion beider Subsysteme ergibt. Wir werden die aufeinander folgenden Thesen beschreiben, denen wir gefolgt sind, um die empirischen Daten und Fakten zu verstehen, die wir im Laufe unserer Forschung sammeln konnten.

Manfred Enders & Walter Schwertl (1984): Magersucht – Paradoxon und Gegenparadoxon – Der entzauberte Magier oder: Bücher können doch etwas bewegen. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 57–61

Donn Hohengarten (1984): Gedanken über die »6. Biennial MRI-Conference«. In: Zeitschrift für Systemische Therapie 1(4), S. 63-65