Heft 16
Wilfried Hosemann & Dietrich Roloff (1989): Vorwort der Redaktion. In: Kontext (16), S. 4-6
Almuth Massing (1989): Warum und auf welche Weise werden über Generationen hinweg Mädchen zu Müttern ihrer Mütter verpflichtet? Protokoll einer familientherapeutischen Sitzung mit Großmutter, Mutter und Tochter/Enkelin nach dem Mehrgenerationen-Modell. In: Kontext (16), S. 7–18
Sven Nachmann (1989): „Also, ich bin ihre Stiefmutter!“ Konversation im Familien-Erstgespräch. In: Kontext (16), S. 19-49
abstract: Das folgende Sitzungprotokoll ist die Aufzeichnung meines ersten Gesprächskontakts mit der Familie H, nachdem ein Jahr zuvor bereits ein anderer Therapieversuch in unserer Beratungsstelle nach wenigen Terminen von der Familie abgebrochen worden war.
Edith Marmon (1989): «Der erste Schritt kann nur ein kleiner sein!«. Protokoll eines« Therapiegesprächs mit einer Magersüchtigen. In: Kontext (16), S. 50–64
abstract: Bei diesem Gespräch handelt es sich um den 5. Termin mit einer 35jährigen Frau, die soeben einen fünfmonatigen Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik in O. hinter sich gebracht hat. Die Patientin leidet seit ihrem 19. Lebensjahr an Magersucht und hat bereits etliche Klinikaufenthalte bzw. Einzel- und Familientherapien durchlaufen. Das Ziel dieses Gesprächs besteht in erster Linie darin, Widerstände, Abwehr und Ängste aufzugreifen, die die Patientin zeigt, wenn es darum geht, bereits seit langem Erkanntes und Verstandenes in die Tat umzusetzen. Die große Schwierigkeit der Patientin liegt darin, daß sie, geschult durch viele Therapieversuche, durchaus Zusammenhänge zwischen der Familienstruktur der eigenen Herkunftsfamilie, emotionalen Konflikten und gegenwärtigen Verhaltensmustern herstellen kann, ihr „Wissen“ aber nicht dazu verwendet, um Veränderungen innerhalb ihrer aktuellen, als sehr deprimierend und eingeschränkt erfahrenen Lebenssituation zu riskieren. Aus diesem Grund gilt das therapeutische Interesse deutlich dem aktuellen Lebenskontext der Patientin und weniger einem emeuten Versuch, die Kindheits- und Familiengeschichte samt Magersuchtsproblematik in den Vordergrund zu stellen.
Gunthard Weber & Margit Gröne (1989): Schritte zu einem Leben, das nicht mehr zum Kotzen ist. Ein systemisches Einzelgespräch. In: Kontext (16), S. 65–92
abstract: Nachdem lange Zeit systemische Vorgehensweisen mit Familientherapie gleichgesetzt wurden, begann man in den 80er Jahren zunehmend damit zu experimentieren, sich das systemische Denken in den unterschiedlichsten Kontexten zunutze zu machen und anzuwenden. Eines dieser Experimentierfelder wurden die Einzelgespräche mit Patienten (vgl. auch Weber und Simon, 1987). Über ein solches Einzelgespräch wollen wir hier berichten. Da unseren Vorgehens- und Handlungsweisen je nach „Schule“ unterschiedliche Prämissen zugrunde liegen, wollen wir – damit die Leser uns einordnen können – unseren eigenen Standpunkt so bestimmen: Wir fühlen uns dem systemischen Ansatz im engeren Sinne (Neue Heidelberger Schule, Intemationale Gesellschaft für systemische Therapie) verbunden. Unser Denken und unsere Vorgehensweisen wurden besonders angeregt und entstanden in einem intensiven Austausch mit der Palo-AIto-Gruppe (Watzlawick et aI., 1967; Fish et aI., 1987), den „Mailändern“ (Selvini-Palazzoli et aI., 1977; Boscolo et aI., 1988; Cecchin 1988), dem Milwaukee-Team (de Shazer, 1985), der Psychotherapie Milton Ericksons (Erickson und Rossi, 1981) und den Vertretern des radikalen Konstruktivismus (v. Glasersfeld, 1984; v. Foerster, 1985; Maturana und Varela, 1987). Dem Transkript des Gespräches, das für sich sprechen soll, möchten wir nur stichwortartig einige Informationen voranstellen.
Victoria Mareeti (1989): «Ich will leben! Aber wie stelle ich das an?«. Ausschnitt aus einem Therapiegespräch mit einer Magersüchtigen. In: Kontext (16), S. 93–119
Heft 17
Wilfried Hosemann & Dietrich Roloff (1989): Vorwort der Redaktion. In: Kontext (17), S. 4-4
Gunther Schmidt (1989): «Können wir der Familie eine erfolgreiche Hypnose ihres ‚Patienten‘ zumuten?«. Eine Paartheapie nach dem Modell Erickson’scher Hypnotherapie. In: Kontext (17), S. 5–40
abstract: Das Therapiegespräch, das hier im Transkript wiedergegeben wird, stellt kein typisches Beispiel einer systemischen Paar- oder Familientherapie dar. Doch gerade deshalb habe ich es statt anderer möglicher Falldarstellungen ausgewählt.
Elisabeth Beck-Gernsheim (1989): Liebe,Ehe,Scheidung. Eine soziologische Analyse. In: Kontext (17), S. 41–59
abstract: Im Sommer 1988 veranstaltete die Evangelische Akademie Tutzing eine Tagung zum Wandel der Geschlechterbeziehungen. Das Programm, das zu dieser Tagung verschickt wurde, begann mit den Sätzen: „Frauen und Männer, die heute ihr Leben planen, haben eine nie dagewesene Freiheit und stehen zugleich unter einem nie dagewesenen Zwang. Vieles, was früher aufgrund fester Geschlechtsstereotypen nicht zur Disposition stand, ist heute offen für individuelle Entscheidungen. Der damit verbundene Zwang: All dies muß auch tatsächlich entschieden werden – und zwar nicht ein für allemal, sondern immer wieder neu im Lebenslauf.“ In diesen Sätzen ist eine lange historische Entwicklung zusammengefaßt, die zu Beginn der Moderne erst langsam sich anbahnt, dann zur Gegenwart hin mehr und mehr Dynamik gewinnt, und in deren Verlauf die Verbindung von Mann und Frau einen tiefgreifenden Gestaltwandel durchmacht. In meinem folgenden Beitrag geht es darum, diese Entwicklung genauer zu betrachten. Es geht um die Spirale von Entscheidungsmöglichkeiten und Zwängen, um den Strudel von Ereignissen, Wahlchancen, Planungszwängen, der zunächst das Leben des einzelnen erfaßt, dabei aber notwendig auch die Paarbeziehung nicht unberührt läßt. Das führt iu einem Bündel von Fragen: Wann und wie ist es zu dieser „nie dagewesenen Freiheit“ gekommen? Was ist gemeint mit dem „nie dagewesenen Zwang“ zur individuellen Entscheidung? Und wie wirkt diese eigentümliche Kombination von Freiheit und Zwang hinein in das Verhältnis der beiden Geschlechter? Wie verändern sich vor diesem Hintergrund die Erwartungen und Hoffnungen, mit denen Männer und Frauen einander begegnen, ihre Vorstellungen vom Leben zu zweit, ihr Maßstab für Glück und Unglück? Wie verändern sich damit auch ihre Umgangsformen im Alltag, von der Arbeit bis zur Freizeit, von der Sexualität bis zur Kinderversorgung? Und nicht zuletzt, wie entstehen daraus neue Mißverständnisse, Konflikte und Krisen, Turbulenzen und Irritationen, kurz: Wieso schafft die Freiheitsdynamik so komplizierte Verhältnisse?
Gerhard Reutter (1989): «Nur zuhause bleiben, ich glaub, das wär für mich ’ne Strafe«. Zur (Un-)Vereinbarkeit von Familien-und Erwerbsarbeit bei berufstätigen Müttern. In: Kontext (17), S. 60–113
abstract: Die ‚Krise der Familie‘ ist zu einem gesellschaftlichen Dauerthema geworden. Unterschiedliche politische Richtungen – man denke an das Müttermanifest der Grünen oder die Familienpolitik nach der konservativen Wende – haben in diesem Zusammenhang auch die Berufstätigkeit von Müttern kritisch zur Diskussion gestellt. Bedroht die Berufstätigkeit der Mütter die Stabilität der Familie oder ist die gesellschaftliche Anerkennung, die mit Erwerbsarbeit nach wir vor verbunden ist, eine notwendige Voraussetzung für die Mütter, um die täglichen familiären Anforderungen ‚aushalten‘ zu können? Wie bewerten die berufstätigen Mütter ihre Situation, welche Bedeutung hat Erwerbsarbeit für sie? Ist es finanzielle Notwendigkeit oder der Wunsch nach ‚eigenem Leben‘, der sie berufstätig sein läßt? Wie werden sie mit den Mehrfachbelastungen fertig? In welchen Bereichen müßte eine familienverträgliche Politik ansetzen? Anhand zweier Interviews mit berufstätigen Müttern wird dieser Frage nachgegangen und aufgezeigt, daß eine Sichtweise, die den vermeintlichen oder tatsächlichen Bedrohungsaspekt in den Vordergrund stellt, den vielfältigen Bedeutungszuweisungen nicht gerecht wird, die gerade Frauen mit Erwerbsarbeit verbinden. Die Interviews, die zwei Mütter gegenüberstellen, die in sehr unterschiedlichen Berufsfeldern tätig sind (Systemanalytikerin – Verkäuferin), zeigen auch, daß die alte Unterscheidung zwischen Erwerbs- und Berufsorientierung nicht mehr greift und die vielfältigen Bedürfnisse und Erwartungen, die Frauen an die Berufsarbeit richten, nicht mehr hinreichend erfassen kann. Die sozialen Deutungsmuster, die in diesen Interviews zum Ausdruck kommen und den Zusammenhang von gesellschaftlichen Leitbildern, alltagspraktischen Orientierungen und subjektiven Verarbeitungsmustern zum Ausdruck bringen (vgl. Arnold 1985), liefern ein beeindruckendes Bild von der Komplexität der Lebenswirklichkeit dieser Mütter.