systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

Familiendynamik 1995

Heft 1

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1995): Editorial: Aus der therapeutischen Praxis. In: Familiendynamik  20 (01), S. 1-2.

Günther Emlein (1995): Die Balance von Geben und Nehmen. Zu Theorie und Praxis »kontextueller« Therapie. In: Familiendynamik  20 (01), S. 3-14.

abstract:  Der vor allem von Ivan Boszormenyi-Nagy entwickelte therapeutische Ansatz der »kontextuellen« Therapie stellt die Dimension von Geben und Nehmen in den Mittelpunkt. Der Aufsatz beschreibt grundlegende Konstrukte und dokumentiert den Therapieprozeß anhand eines Gesprächsauszugs.

Günter Schiepek, Monika Köhler, Klaus Richter & Astrid Schütz (1995): Die systemische Analyse der systemischen Therapie. In: Familiendynamik  20 (01), S. 15-31.

abstract:  Im ersten Teil des vorliegenden Beitrages werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, Psychotherapieforschung systemisch angemessen zu betreiben, d. h. Psychotherapie dynamisch und kontextbezogen zu beschreiben. Eine dieser Möglichkeiten wird im zweiten Teil herausgegriffen und näher vorgestellt, nämlich die Mikroprozeßanalyse der Therapeut-Klient-Interaktion. Zu diesem Zweck wurde ein eigenes Verfahren – die sog. Sequentielle Plananalyse – entwickelt und anhand einer vollständig (video-)aufgezeichneten lösungsorientierten Kurzzeittherapie (BFTC Ansatz) erprobt. Eine Diskussion über den praktischen und wissenschaftlichen Nutzen derartiger Beziehungsanalysen schließt den Beitrag ab.

Jürgen Hargens (1995): Kurztherapie und Lösungen – Kundigkeit und Respektieren. In: Familiendynamik  20 (01), S. 32-43.

abstract:  Kurztherapeutische Ansätze sind lösungsorientiert, wobei das Kooperieren der Kundinnen als gegeben angenommen wird. In diesem Beitrag werden zwei damit zusammenhängende Aspekte beleuchtet; zum einen wird verdeutlicht, daß Kurztherapie sich nicht auf eine einzige Lösung fixiert, sondern sich auf die Menge möglicher Lösungen richtet. Zum anderen wird das Konzept der Kundigkeit erweitert, indem Kundigkeit in Begriffen der Kompetenz verstanden wird, die im Zentrum der Arbeit steht. Eine kommentierte Kurz-Beratung beleuchtet noch einmal wesentliche Aspekte.

Uwe Heilmann-Geideck & Hans Schmidt (1995): Weniger ist mehr – Gewalt(ige) Veränderungen. In: Familiendynamik  20 (01), S. 44-67.

abstract:  In ihrer Arbeit mit Männern, die ihre Frauen schlagen, entwickeln die Autoren eine männliche geschlechtsspezifische Position, die der Tatsache Rechnung trägt, daß sie sich als Männer verantwortlich fühlen für die Gewalt ausübende Gruppe und die Veränderung männlichen gewalttätigen Verhaltens. Sie stellen eine Konzeption einer angeleiteten Gruppe von gewalttätigen Männern vor. Die Konzeption strukturiert die Treffen in inhaltlich aufeinanderfolgende Schritte, in denen zentrale Aspekte zugrundeliegender Muster männlichen gewalttätigen Verhaltens angesprochen werden. Sie bietet Raum von der eigens erlebten über die eigens ausgeführte Gewalt bis hin zu alternativen Handlungsmodellen. Diese Gruppe leistet eine parteiliche Arbeit: Männer setzen zusammen einen Veränderungsprozeß in Gang, innerhalb dessen gewalttätiges Verhalten abgebaut wird und der letztlich dazu verhilft, Männlichkeit individuell neu zu definieren.

Christian Spengler (1995): Psychosen in Scheidungsfamilien. Systemische Hypothesenbildung mit Hilfe der Kontextanalyse als Untersuchungsinstrument. In: Familiendynamik  20 (01), S. 68-96.

abstract:  Die Arbeit verfolgt zwei Hauptziele: 1. Den Kontextbegriff zu präzisieren und Kontextanalyse als Methode der Diagnostik und Forschung zu formulieren. Auf diesem Weg wird der Begriff der Kontextrepräsentanz eingeführt. Die Kontextanalyse wird exemplarisch auf die Geschichten vierer Familien angewandt. 2. Strukturen familiärer Systeme zu untersuchen, in denen die Eltern geschieden sind und eins der erwachsenen Kinder psychotische Symptome entwickelt. Es stellt sich heraus, daß unterschiedliche Interpretationen familiärer Interaktion oder Struktur, die in der Literatur über Familien mit schizophrener Transaktion beschrieben sind, auch im Fall zutreffen, daß die Eltern geschieden sind. Die Tatsache der Scheidung scheint in beiden Typen von Familien, denen mit wie ohne Psychose, zu ähnlichen Problemen zu führen. Kontextanalyse erweist sich als Methode, die brauchbar ist, komplexe Systeme zu analysieren und Rahmen zu definieren, die es erlauben, verschiedene theoretische Sichtweisen zu integrieren.

Helga Hammerschmidt & Florence Kaslow (1995): Langzeitehen: Eine Analyse der Zufriedenheit. In: Familiendynamik  20 (01), S. 97-115.

abstract:  Ziel der Untersuchung war, die Voraussetzungen für Ehezufriedenheit in Langzeitehen (25-46 Ehejahre) zu analysieren. Die Fragebogendaten wurden bei 105 freiwilligen Paaren erhoben. Erwartungsgemäß ergaben sich eindeutige Unterschiede zwischen den beiden Extremgruppen sehr zufriedener und unzufriedener Paare: dies hinsichtlich Konfliktpotential, Paar-Ressourcen, Motivprofile in bezug auf Ehestabilität sowie der von den Probanden und Probandinnen selbst am wichtigsten erachteten Bedingungen für Ehezufriedenheit. Als beste Prädiktoren für Ehezufriedenheit wurden bei Frauen und Männern hohe Kohäsion und intradyadische Übereinstimmung hinsichtlich Einstellungen, Interessen und Verhaltensorientierung sowie kooperatives Problemlosen ermittelt.


Heft 2

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1995): Zu diesem Heft: Familie als Sozialisationsinstanz. In: Familiendynamik  20 (2), S. 125-126.

Wassilios E. Fthenakis (1995): Kindliche Reaktionen auf Trennung und Scheidung. In: Familiendynamik  20 (2), S. 127–154.

abstract:  Kindliche Reaktionen auf Trennung und Scheidung werden vor dem Hintergrund der aktuellen Forschung erörtert. Es wird der Standpunkt vertreten, daß die Bewältigung des Trennungs- bzw. Scheidungsgeschehens durch das Kind sowohl mit kindlichen Charakteristika, wie Entwicklungsstand, Geschlecht und Temperament als auch mit Faktoren des familialen Systems, wie familiales Konfliktniveau, Kompetenz des sorgeberechtigten Elternteils, Qualität der Beziehung des Kindes zum nichtsorgeberechtigten Elternteil, gewählte Sorgerechtsregelung und gegenwärtiger Status der Familie zusammenhängt. Darüber hinaus bestimmen Faktoren des Exo- und Makrosystems die Art und Weise mit, wie ein solches Ereignis durch das Kind bewältigt wird. Mittel- und langfristige Auswirkungen von Scheidung auf die kindliche Entwicklung werden thematisiert. Schließlich wird die Frage nach der transgenerativen Transmission behandelt. Der Verfasser vertritt die Auffassung, daß nur mit Hilfe eines komplexen, multifaktoriellen Modells die Bewältigung der Transition infolge einer Trennung bzw. Scheidung und der dadurch eingeleiteten Reorganisation im Familienentwicklungsprozeß angemessen erklärt werden kann.

Renate Niesel (1995): Erleben und Bewältigung elterlicher Konflikte durch Kinder. In: Familiendynamik  20 (2), S. 155-170.

abstract:  Es wird ein Einblick in den aktuellen Forschungsstand zu Auswirkungen elterlicher Konflikte auf die Entwicklung von Kindern gegeben. Ein Schwerpunkt in neueren Studien ist die Einbeziehung der Perspektive des Kindes. Es wird angestrebt, Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung und der Bewertung elterlicher Konflikte durch die Kinder und ihren Reaktionen zu erklären. Dabei werden Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen deutlich. Einige Überlegungen zur Bedeutung der Befunde für die praktische Arbeit werden angestellt.Es wird ein Einblick in den aktuellen Forschungsstand zu Auswirkungen elterlicher Konflikte auf die Entwicklung von Kindern gegeben. Ein Schwerpunkt in neueren Studien ist die Einbeziehung der Perspektive des Kindes. Es wird angestrebt, Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung und der Bewertung elterlicher Konflikte durch die Kinder und ihren Reaktionen zu erklären. Dabei werden Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen deutlich. Einige Überlegungen zur Bedeutung der Befunde für die praktische Arbeit werden angestellt.

Klaus E. Grossmann & Karin Grossmann (1995): Frühkindliche Bindung und Entwicklung individueller Psychodynamik über den Lebenslauf. In: Familiendynamik  20 (2), S. 171-192.

abstract:  Bowlbys Bindungstheorie hatte während der letzten 25 Jahre einen großen Einfluß auf die entwicklungspsychologische Forschung. Die empirischen Untersuchungen, in denen Bowlbys Konzepte kongenial umgesetzt wurden, stützen sich dabei auf verhaltensbiologische Methoden der klassischen Ethologie. Wegen der lebenslauforientierten Perspektive und der besonderen Bedeutung der emotionalen Kommunikation im Säuglingsalter basieren längsschnittliche Befunde überwiegend auf der Beobachtung der Anfänge der Entwicklung unterschiedlicher Bindungsqualitäten im Kleinkindalter. Seit der Entwicklung des »Adult Attachment Interview« durch Mary Main ist auch die Erfassung von »Bindungshaltungen« als ein Aspekt des »inneren Arbeitsmodells von sich selbst und anderen« in Bindungsbeziehungen (Bowlby) möglich geworden. In eigenen Untersuchungen konnten elterliche Bindungshaltungen mit denen ihrer 16jährigen Kinder verglichen werden, deren Entwicklungswege bereits seit der Geburt untersucht wurden. Die von Bowlby genannten fünf Perspektiven therapeutischen Tuns finden durch die Bindungsforschung eine erfahrungswissenschaftliche Grundlage. Wichtig ist die Förderung des Realitätsbezugs bei solchen Klienten, die diesen aufgrund unsicherer Bindungsbeziehungen durch weniger wirklichkeitsbezogene Vorstellungen ersetzt haben. Der Realitätsbezug soll mit Hilfe des Therapeuten als sichere Basis wiedererlangt werden.

Elisabeth Beck-Gernsheim (1995): Für eine »soziale Öffnung« der Bindungsforschung. In: Familiendynamik  20 (2), S. 193-200.

abstract:  Wo Bindungsforschung sich vorrangig auf das Binnenverhältnis von Mutter und Kind konzentriert, sind damit, zumindest latent, mögliche Wertungen und Schuldzuweisungen verbunden. Deshalb wird hier für eine »soziale Öffnung« der Bindungsforschung plädiert, die Bindungen auch in ihrem sozialen Umfeld betrachtet, im Bezugsrahmen der konkreten Lebensbedingungen, die heute den Alltag junger Familien bestimmen. Dann erst wird sichtbar, wie das Verhalten von Müttern wie Vätern nicht nur aus individuellen Motivationen (Fähigkeiten, Unfähigkeiten) entsteht, sondern auch aus dem strikten Zeitregime der Moderne, dem Frauen und Männer ausgesetzt sind.

Helm Stierlin (1995): Bindungsforschung: eine systemische Sicht. In: Familiendynamik  20 (2), S. 201-206.

abstract:  Das Ehepaar Grossmann informiert uns über die Bindungsforschung, zu der beide so wesentlich beigetragen haben. Wir könnten hier auch von einer evolutiven Beziehungsforschung sprechen. Sie befaßt sich mit der Weise, wie sich das Erleben – und damit auch das Fühlen und Denken – des Kleinkindes in seiner Beziehung zu wichtigen Betreuern, allen voran der Mutter, darstellt, entwickelt und differenziert, aber auch mit der Weise, wie solches Erleben, Fühlen und Denken des Kindes dessen spätere Beziehungen, ja späteres Überleben prägt, erleichtert oder auch gefährdet. Diese Bindungsforschung explodierte gleichsam in den letzten Jahren – ähnlich wie dies die molekularbiologische Forschung tat und tut. Und ähnlich wie diese fordert die Bindungsforschung zu einem – und nicht nur einem gewissen, wie die Grossmanns schreiben – Umdenken heraus. Aber weiter: Diese Forschung wirft Fragen auf, die nicht zuletzt auch und gerade systemische Theoretiker und Therapeuten angehen. Sicher: Bindungsforschung und systemische Therapie entwickelten sich in unterschiedlichen Settings und orientieren sich an unterschiedlichen Zielen. Im ersteren Falle geht es wesentlich um die Beobachtung und Beschreibung von »nichtklinischen« und zumeist dyadischen Beziehungen, im letzteren um die Beobachtung, Beschreibung von, und vor allem Intervention in, als dysfunktional erlebten Beziehungssystemen, die oft mehr als zwei Personen umfassen. Dennoch kann man sagen: in beiden Fällen geht es nicht zuletzt um die Erkenntnis der Wechselfälle dessen, was ich als bezogene Individuation bzw. als Ko-Evolution und Ko-Individuation beschrieben habe.

Klaus E. Grossmann & Karin Grossmann (1995): Stellungnahme zu den Kommentaren von Elisabeth Beck-Gernsheim: Für eine »soziale Öffnung« der Bindungsforschung, und Helm Stierlin: Bindungsforschung – eine systemische Sicht. In: Familiendynamik  20 (2), S. 207-210.

Max Gnugesser & Lutz Knoll (1995): Familienvisite in einer Kinderklinik. In: Familiendynamik  20 (2), S. 211–214.

Achim Kowalczyk (1995): Rezension – Philip H. Bornstein & Marcy T. Bornstein (1993): Psychotherapie mit Ehepaaren. Ein integrativer Ansatz. Bern (Huber). In: Familiendynamik  20 (2), S. 215-215.

Lilli Seide (1995): Rezension – Michael B. Buchholz (1993): Dreiecksgeschichten. Eine klinische Theorie psychoanalytischer Familientherapie. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Familiendynamik  20 (2), S. 215-216.

Jürgen Hargens (1995): Rezension – Brigitte Fritzsche, Karin Fromm, Eckhard Giese, Wolfgang Imbruck, Uschi Jostock & Wolfgang  Nutt (Hrsg) (1994): Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt … Beiträge zur aufsuchenden psychosozialen Arbeit mit Einzelnen und Familien. Tübingen (DGVT). In: Familiendynamik  20 (2), S. 216-216.

Josef A. Rohmann (1995): Rezension – Alois Herlth, Ewald Johannes Brunner, Hartmut Tyrell & Jürgen Kriz (Hrsg.) (1994): Abschied von der Normalfamilie? Partnerschaft kontra Elternschaft. Berlin (Springer). In: Familiendynamik  20 (2), S. 216-217.

Wolf Ritscher (1995): Rezension – Johannes Herwig-Lempp (1994): Von der Sucht zur Selbstbestimmung. Drogenkonsumenten als Subjekte. Dortmund (Borgmann publishing). In: Familiendynamik  20 (2), S. 217-219.

Josef A. Rohmann (1995): Rezension – Marlene Stein-Hilbers (1994): Wem „gehört“ das Kind? Neue Familienstrukturen und veränderte Eltern-Kind-Beziehungen. Frankfurt a.M./New York (Campus). In: Familiendynamik  20 (2), S. 219-220.

Martin R. Textor (1995): Rezension – Roland Käser (1993): Neue Perspektiven in der Schulpsychologie. Handbuch der Schulpsychologie auf ökosystemischer Grundlage. Bern/Stuttgart/Wien (Paul Haupt). In: Familiendynamik  20 (2), S. 220-221.

Achim Kowalczyk (1995): Rezension – Camillo Loriedo & Gaspare Vella (1993): Das Paradox in Logik und Familientherapie. Mainz (Matthias-Grünewald-Verlag). In: Familiendynamik  20 (2), S. 221-222.

Marianne Krüll (1995): Rezension – Angelika Groterath (1994): An der Sprache liegt es nicht. Interkulturelle Erfahrungen in der Therapie. Mainz (Matthias-Grünewald-Verlag). In: Familiendynamik  20 (2), S. 222-222.


Heft 3

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1995): Editorial: Familien der Postmoderne. In: Familiendynamik  20 (3), S. 231-232.

Kurt Lüscher (1995): Postmoderne Herausforderungen der Familie. In: Familiendynamik  20 (3), S. 233–251.

abstract:  Unter Bezug auf die Herkunft aus der Literatur-, Architektur- und Kunstkritik wird vorgeschlagen, den Begriff der Postmoderne als „Deutungsmuster“ zur Zeitdiagnose zu verwenden. Im Zentrum steht dabei die Vorstellung einer radikalen Pluralität, „Pastiche“ genannt, und die sich daraus ergebenden Zweifel am Konzept und somit an der Möglichkeit zur Konstitution eines Selbst. Diese Zweifel betreffen den Kern dessen, was ungeachtet der Vielfalt von Formen und Verständnissen „Familie“ ausmacht. Angesichts der unbestreitbaren, anthropologisch fundierten Realität von Familie wird darum argumentiert, sie relativiere die Geltung des Deutungsmusters der Postmoderne sowohl hinsichtlich der Familie als solcher als auch der Gesellschaft insgesamt.

Andreas Lange (1995): Medienkinder, verplante Kinder? Die Sichtweise einer zeitdiagnostisch informierten Kindheitsforschung. In: Familiendynamik  20 (3), S. 252–274.

abstract:  Der populäre Diskurs um die Lebensphase Kindheit wird von einseitigen und die heutigen Kinder als Generation negativ stigmatisierenden Thesen dominiert. Eine zeitdiagnostisch informierte Soziologie der Kindheit, die sich derzeit als eigenständiger Forschungszweig zu etablieren beginnt, kann zwei Beiträge zur kritischen Auseinandersetzung mit den Pauschalbehauptungen liefern: Sie kann anhand von empirischen Studien die Behauptungen überprüfen, relativieren und kontextualisieren und sie verfügt über die Möglichkeit, Hinweise auf die sozialstrukturelle Verankerung der ansonsten isoliert abgehandelten Phänomene in einer Theorie der reflexiven und ambivalenten Moderne zu geben. Eine Weiterentwicklung und Verknüpfung beider Vorgehensweisen sowie mögliche Anwendungen bilden das Programm für eine zukünftige „differentielle Soziologie der Kindheit(-en) in modernen Gesellschaften“.

Susanne Goldschmidt (1995): Familien im Zeitalter der Fortpflanzungstechnologie. In: Familiendynamik  20 (3), S. 275–291.

abstract:  Es werden verschiedene Aspekte ausführlicher betrachtet. Zum einen geht es – insbesondere aus psychologischer Sicht – um die Frage, wie diejenigen, die für sich die Angebote der Reproduktionsmedizin in Anspruch nehmen, die Behandlung erleben und verarbeiten. Beispielhaft wird dies an der Behandlungsmethode der In-Vitro-Fertilisation verdeutlicht. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, welche Rolle die Familie (hier: die Herkunftsfamilien des behandelten Paares) im Behandlungskontext spielt. Zum anderen steht im Mittelpunkt, wie sich die Anwendung hochspezialisierter Technik auf die Familienbildung auswirkt. Die derzeit bereits realisierbaren „Familienkonstellationen“ geben Anlaß zu einer Reihe von spekulativen Überlegungen für die zukünftige familiäre Entwicklung.

Jochen Schweitzer (1995): Kundenorientierung als systemische Dienstleistungsphilosophie. In: Familiendynamik  20 (3), S. 292–313.

abstract:  Das Konzept der Kundenorientierung wird als eine nützliche Dienstleistungsphilosophie für systemische Therapeuten und generell für die Arbeit im Gesundheits- und Sozialwesen vorgestellt. Der Aufsatz entwickelt dieses Konzept aus einer Kritik des „Bedürftigkeits-“ und „Indikationsdenken“ und stellt dazu passende Handlungsstrategien im Alltag von Klinikern, Sozialarbeitern, Psychotherapeuten und anderen Fachleuten anhand von Fällen vor.

Sven Nachmann (1995): Im Dickicht der Städte. Gewaltbegegnungen in der Stadtbahn. In: Familiendynamik  20 (3), S. 314–326.

Steve Ticktin (1995): Rezension – Peter Breggin (1993): Toxic Psychiatry. Fontana (Harper Collins). In: Familiendynamik  20 (3), S. 327-331.

Katharina Ley (1995): Rezension – Linde von Keyserlingk (1994): Stief und halb und adoptiv. Neue Familie – neue Chance. Düsseldorf (Patmos); Edward Beal & Gloria Hochman (1992): Wenn Scheidungskinder erwachsen sind. Psychische Spätfolgen der Trennung. Frankfurt (Fischer). In: Familiendynamik  20 (3), S. 332-332.

Marianne Krüll (1995): Rezension – Dagmar Hosemann, Jürgen Kriz & Arist von Schlippe: (Hrsg.) (1993): Familientherapeutinnen im Gespräch. Freiburg (Lambertus). In: Familiendynamik  20 (3), S. 333-333.

Josef Duss-von Werdt (1995): Rezension – Heinz-Günter Vester (1993): Soziologie der Postmoderne. Berlin (Quintessenz). In: Familiendynamik  20 (3), S. 333-334.

Dagmar Hosemann (1995): Rezension – Maia Storch (1994): Das Eltern-Kind-Verhältnis im Jugendalter. Eine empirische Längsschnittstudie. München (Juventa). In: Familiendynamik  20 (3), S. 334-335.

Roland Schleiffer (1995): Rezension – Jörg Fengler: Süchtige und Tüchtige. Begegnung und Arbeit mit Abhängigen. München (Pfeiffer). In: Familiendynamik  20 (3), S. 335-335.


Heft 4

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1995): FAMILIENDYNAMIK 1975 bis 1995. Eine kurze Geschichte mit Bildern. In: Familiendynamik  20 (4), S. 347-359.

Josef Duss-von Werdt, Kurt Ludewig, Marianne Krüll, Lilli Seide et al. (1995): Nach 20 Jahren Familiendynamik. Was war, was bleiben und was werden soll. In: Familiendynamik  20 (4), S. 360-404.

abstract:  Um unsere regelmäßigen Autorinnen, Gutachter und Rezensentinnen – es sind im deutschen Sprachraum gegen 100 – am Zustandekommen dieses Heftes zu beteiligen, hatten wir ihnen Ende 1994 einen Frage­bogen zugestellt. Wir wollten wissen, welches für sie die entscheiden­ den Entwicklungen und Weichenstellungen der Familien- und System­ therapie seit der Gründung der Zeitschrift bis heute waren, welche Themen ihnen nach wie vor wichtig sind oder künftig vermehrt Beach­ tung finden sollten. Schließlich baten wir auch um Kritik am Bisherigen und um Vorschläge für die künftige Gestaltung der Zeitschrift. Insgesamt wurden 85 Fragebogen verschickt. Von den 19 Frauen ant­worteten sieben (36,8 %). Von den 66 Männern erhielten wir 34 Ant­ worten (51,5 %). Insgesamt kamen von 48,2 % der Befragten Antwor­ten zurück. Weder in der Anlage noch in der Auswertung handelt es sich bei der Umfrage um Wissenschaft. Einiges aus den Antworten möchten wir hier wiedergeben. Das Ganze geht an die neue Redaktion weiter, ohne dass wir diese zu »gebundenen Delegierten« mit einem Vermächtnis un­sererseits oder im Namen derjenigen, die geantwortet haben, machen wollen.

Bodo Pisarsky (1995): Nur wer sich wandelt bleibt gleich (gut) — oder 20 Jahre „Familiendynamik“. Die Familientherapie im Lichte der „Familiendynamik“ zwischen 1976 und 1995. In: Familiendynamik  20 (4), S. 405–418.

abstract:  Postmoderne Vielfalt und Integrität einer erfolgreichen Herausgeber-Ehe. Zum 20jährigen Jubiläum der Familiendynamik wird der Weg, der im systemischen Denken bisher zurückgelegt worden ist, nachvollzogen. Die vorliegende Arbeit beschreibt wichtige Etappen dieser Entwicklung: von der Familien- zur Systemtherapie und von der ersten zur zweiten Kybernetik. Dabei werden die Autoren, die diesen Weg reflektiert und maßgeblich beeinflußt haben, im Überblick dargestellt.

Louis Roussel (1995): Läßt sich die Familie definieren? In: Familiendynamik  20 (4), S. 419–437.

abstract:  Es werden Verschiedenheiten zwischen traditionellen und heutigen Familien in den Industrieländern dargestellt. In der Folge haben wir in der Formel von Cl. Levi-Strauss „das dramatische Zusammentreffen von Natur und Kultur“ einen gemeinsamen Nenner gefunden. Die Gewichtungen zwischen den beiden Elementen haben sich im Laufe der Zeit verschoben, sind aber nach wie vor in beiden Familienmodellen vorhanden.

Helm Stierlin (1995): Nietzsche und Bateson. In: Familiendynamik  20 (4), S. 438–441.

Kurt Ludewig (1995): Rezension – Helm Stierlin (1994): Ich und die anderen. Psychotherapie in einer sich wandelnden Gesellschaft. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Familiendynamik  20 (4), S. 442-443.

Hans-W. Saloga (1995): Rezension – Nicola Retzer (1993): Familien mit Jugendlichen. Einzelfallanalyse an sechs ausgewählten Familien mit einem adoleszenten Mitglied. Konstanz (Hartung-Gorre). In: Familiendynamik  20 (4), S. 443-444.

Wolfgang Mayrhofer (1995): Rezension – Norbert F. Schneider (1994): Familie und private Lebensführung in West- und Ost deutschland. Eine vergleichende Analyse des Familienlebens 1970 bis 1992. Stuttgart (Enke). In: Familiendynamik  20 (4), S. 444-445.

Arist von Schlippe (1995): Rezension – Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.) (1993): Was für Kinder! Aufwachsen in Deutschland. Ein Handbuch. München (Kösel). In: Familiendynamik  20 (4), S. 445-445.

Claus Herger (1995): Rezension – Joan Jacobs Brumberg (1994): Todeshunger. Frankfurt a.M. (Campus); Tilmann Habermas (1994): Zur Geschichte der Magersucht. Frankfurt (Fischer). In: Familiendynamik  20 (4), S. 446-446.