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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Familiendynamik 1988

Heft 1

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1988): Zu diesem Heft: Die Uhren der Familie. In: Familiendynamik 13(1), S. 1-1

Louis Roussel (1988): Die Zeitwahrnehmung im Familienleben. In: Familiendynamik 13(1), S. 2–15

abstract: Ausgangspunkt des Versuchs sind drei historisch verschiedene Lebenszyklen nach Heiratsalter, Kinderzahl, Ehe- und Lebensdauer. Daraus wird gefolgert, daß Lebenslänge und -Sicherheit subjektiv ein ganz anderes Zeitgefühl hervorbrachten, welches das Zusammenleben als Paar und in Familien mitprägte. Heute leben wir unter dem Primat des Hier und Jetzt, des vordergründig Gegenwärtigen. Das Vergangene gibt keine Anhaltspunkte mehr dafür, wie das Zusammenleben gestaltet werden soll. Seine Institutionalisierung ist deshalb fragwürdig geworden. Die Zukunft ihrerseits ist ungewiß. Das Zusammenleben muß deshalb gleichsam »von Tag zu Tag« neu ausgehandelt und gestaltet werden.

Jean Kellerhals, Josette Coenen-Huther & Marianne Modak (1988): Gerechtigkeitsnormen und Familiendynamik. In: Familiendynamik 13(1), S. 16–26

abstract: Die Frage dieses Beitrages ist folgende: Welche Normen wenden Familien an bei der Verteilung der Güter, damit diese als gerecht erscheint? Zuerst werden vier Möglichkeiten untersucht, nach welchen über Gerechtigkeit befunden werden kann. Aufgrund einer Befragung von Genfer Ehepaaren unterscheiden die Autoren dann drei verschiedene Interaktionstypen von Familien. Nach der Umschreibung von drei Konzepten der Gerechtigkeit werden diese schließlich mit den herausgearbeiteten Familientypen in Zusammenhang gebracht. Es stellt sich heraus, daß jedem Familientypus eines der definierten Gerechtigkeitskonzepte zugeordnet werden kann.

Guy Ausloos (1988): Familien mit rigiden oder chaotischen Transaktionen: zwei verschiedene Weisen, die Zeit zu (er)leben. In: Familiendynamik 13(1), S. 27–39

abstract: Nicht alle Familien (er)leben die Zeit auf die gleiche Art. In solchen mit rigiden Transaktionen steht die Zeit still. Bei chaotischen Transaktionen hingegen ist sie ereignisgefüllt. Unterschiedlich die Zeit zu leben ist allen Systemen gemeinsam, so daß auch Parallelen zu politischen Systemen möglich sind. Je nachdem müssen auch Therapeuten verschieden mit der Zeit umgehen. Neben anderen Faktoren hängt das von ihrer persönlichen Eigenart ab. Es wird ausgeführt, was das konkret für die Praxis heißt, und es werden zwei Techniken, das Photogramm und das Historiogramm, beschrieben.

Gunthard Weber (1988): Über die Bedeutung von Zeitimplikationen und die Veränderung von Zeitvorstellungen in der systemischen Therapie. In: Familiendynamik 13(1), S. 40–52

abstract: In dem ersten, allgemeinen Teil werden einige Modalitäten des Zeiterlebens und der Erfassung von Zeit dargestellt und einige Bedingungen für unterschiedliche gefühlsmäßige Bewertungen von Zeitqualitäten und für problematische Zeitprämissen beschrieben. Im zweiten Teil wird anhand von Beispielen aufgezeigt, wie Zeitimplikationen auf vielfältige Weise zu Bezie-hungs- und Entwicklungsklemmen führen können, wie aber auch gerade die direkte oder indirekte Verwendung von Zeitimplikationen eine große therapeutische Wirksamkeit entfalten kann.

Fritz B. Simon (1988): Die Klingel, oder: Wie Paradoxien mit der Zeit verschwinden. In: Familiendynamik 13(1), S. 53–56

abstract: Paradoxien werden von manchen Autoren in ihren pragmatischen Wirkungen für schizophrene Symptombildungen verantwortlich gemacht. Wie von Whitehead und Russell gezeigt, entstehen Paradoxien durch Mißachtung logischer Flierarchien. Alle Paradoxien lassen sich aber auch auflösen, wenn man die Dimension der Zeit einführt. Das wird in diesem Beitrag an dem simplen Beispiel der Klingel demonstriert.

Fritz B. Simon & Gunthard Weber (1988): Das Ding an sich. Wie man eine »Krankheit« erweicht, verflüssigt, entdinglicht …. In: Familiendynamik 13(1), S. 57–61

N.N. (1988): Auch Bettnässen ist ein „Ding“ … Post aus einer anderen Werkstatt – eine Fallgeschichte und eine Preisfrage. In: Familiendynamik 13(1), S. 62-68

Helm Stierlin (1988): Systemischer Optimismus – systemischer Pessimismus: zwei Ausblicke auf den Wandel. In: Familiendynamik 13(1), S. 69–75

Hildegard Baumgart (1988): Couples in Crisis – Streiflichter vom Kongreß des Istituto di Terapia Familiare in Rom, 1.-4.10.87. In: Familiendynamik 13(1), S. 76–80

Helm Stierlin (1988): Rezension – Dörte von Westernhagen: Die Kinder der Täter – Das Dritte Reich und die Generation danach. In: Familiendynamik 13(1), S. 81-82

Horst Ramsenthaler (1988): Rezension – Karl J. Meister: System ohne Psyche. Zur Kritik der Pragmatischen Kommunikationstheorie und ihrer Anwendungen. In: Familiendynamik 13(1), S. 82-83

Günther Emlein (1988): Rezension – Ivan Boszormenyi-Nagy &Barbara R. Krasner: Between Give and Take. A Clinical Guide to Contextual Therapy. In: Familiendynamik 13(1), S. 84-87


Heft 2

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1988): Zu diesem Heft: Paare in der Krise. In: Familiendynamik 13(2), S. 93-93

Hildegard Baumgart (1988): Eifersucht – Dreiecksgeschichten. In: Familiendynamik 13(2), S. 94–115

abstract: Eifersucht hat zentral mit zwei Urängsten zu tun: mit der Angst vor Ausstoßung und der Angst vor Verschmelzung. Für unsere Entwicklung als soziale Wesen ist das Erleben und Verarbeiten dieser beiden Urängste und damit das Verlassen einer ausschließlich dyadischen Beziehung zugunsten beweglicher Dreiecke unerläßlich. Eifersucht entsteht an den Nahtstellen und Überschneidungen zwischen Zweier- und Dreierbeziehungen. Schmerzen sind dabei unvermeidlich. Der Therapeut sollte versuchen, sie für die Weiterentwicklung sowohl der beteiligten Einzelnen wie des Systems Paar oder Familie nutzen zu helfen.

Jakob Bösch (1988): Sind Verliebtheit, Symbiose und Idealisierung für den Aufbau einer Paarbeziehung wichtig? In: Familiendynamik 13(2), S. 116–126

abstract: Die Phase der Verliebtheit ist in ihrer Bedeutung für den Aufbau einer Paarbeziehung bisher wenig untersucht worden. Symbiose und Idealisierung werden in der Tradition der Paartherapie vorwiegend negativ konnotiert und eher den pathologischen Phänomenen zugerechnet. In der vorliegenden Arbeit werden die für die Entwicklung einer längerdauernden Paarbeziehung positiven Aspekte von Verliebtheit, Symbiose und Idealisierung beschrieben. Wie im systemischen Ansatz wird die Paarkrise primär als wachstumsbedingt gesehen, jedoch unter Einbezug psychodynamischer Überlegungen.

Ulrike Lehmkuhl (1988): Wie erleben Kinder und Jugendliche und deren Eltern die akute Trennungsphase? In: Familiendynamik 13(2), S. 127–143

abstract: Im Rahmen der Untersuchung wird der Versuch unternommen, festzustellen, wie Kinder und Eltern die ersten 18 Monate nach der Trennung erleben und bewältigen. Wir nehmen an, daß die Scheidungssituation im Sinne einer streßreichen Phase von Kindern und Jugendlichen erlebt wird und Verhaltensstörungen auslösen kann. Unsere Ergebnisse zeigen, daß die psychische Entwicklung eines Kindes nach der Trennung/Scheidung seiner Eltern vor allem von der Qualität seiner Beziehung zu einer konstanten Bezugsperson in der Zeit vor, während und nach der Trennung abhängig ist. Im besonderen sind die Kinder bis zum siebten Lebensjahr betroffen. Das Alter zum Zeitpunkt der Scheidung spielt im Hinblick auf die besondere Störanfälligkeit und Empfindlichkeit eine Rolle. Sogenannte typische Scheidungsfolgen sind in den von uns untersuchten Familien nicht erkennbar. Die klare Entscheidung der Trennung ist im allgemeinen für die Kinder weniger belastend als das Miterleben eines chronischen Ehekonfliktes.

Molly Layton (1988): Ein kleiner (Denk-)Anstoß für das therapeutische Gleichgewicht: Männlich, weiblich oder geschlechtsneutral? In: Familiendynamik 13(2), S. 144–159

abstract: Im folgenden soll dargelegt werden, daß geschlechtsspezifische Probleme starke Auswirkungen haben können, auch wenn wir als Familientherapeuten das nicht beachten oder im Sinne gut gemeinter »Gleichberechtigung« nicht wahrhaben wollen. Unsere Theorien haben uns bisher nicht erlaubt, geschlechtsspezifische Differenzierungen therapeutisch einzusetzen. Was dies jedoch für die Praxis der Familientherapie bedeuten könnte, soll in diesem Artikel untersucht werden.

Sandra C. Finzi (1988): Die Affäre. In: Familiendynamik 13(2), S. 160–164

Humberto R. Maturana (1988): Hinter den Kulissen der Kognition. Mit Humberto Maturana im Gespräch. In: Familiendynamik 13(2), S. 165-170

Hans Erich Troje (1988): Rezension – Reich, Günter: Partnerwahl und Ehekrisen. Eine familiendynamische Studie. In: Familiendynamik 13(2), S. 171-173

Klaus Mucha (1988): Rezension – Marian K. DeMyer: Familien mit autistischen Kindern. Probleme der Kinder und Sorgen der Eltern. In: Familiendynamik 13(2), S. 173-175

Hans Strotzka (1988): Rezension – Hans-Jürgen Wirth: Die Schärfung der Sinne. Jugendprotest als persönliche und kulturelle Chance. In: Familiendynamik 13(2), S. 176-177

Hans-Peter Heekerens (1988): Rezension – Horst-Reinhard Nitz: Anorexia nervosa bei Jugendlichen. In: Familiendynamik 13(2), S. 177-178

Marie-Luise Matter (1988): Rezension – Carter C. Umbarger: Structural Family Therapy. In: Familiendynamik 13(2), S. 178-179

Kurt Ludewig (1988): Rezension – Niklas Luhmann: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. In: Familiendynamik 13(2), S. 179-181

Kurt Ludewig (1988): Rezension -Wilhelm Rotthaus (Hrsg.): Systemische Familientherapie im ambulanten und stationären Bereich. In: Familiendynamik 13(2), S. 181-182


Heft 3

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1988): Zu diesem Heft: Praxis und Theorie der Therapie. In: Familiendynamik 13(3), S. 189-189

Gianfranco Cecchin (1988): Zum gegenwärtigen Stand von Hypothetisieren, Zirkularität und Neutralität: Eine Einladung zur Neugier. In: Familiendynamik 13(3), S. 190–203

abstract: Dieser Aufsatz unterzieht die systemischen Leitprinzipien Neutralität, Hypothetisieren und Zirkularität, die ursprünglich von dem Mailänder Team, bestehend aus Selvini-Palazzoli, Boscolo, Cecchin und Prata, entwickelt wurden, einer erneuten Überprüfung (Selvini-Palazzoli, Boscolo, Cecchin und Prata, 1978, 1980). Im Zusammenhang mit der Re-Organisation des Teams wurden viele ursprüngliche systemische Prinzipien neu konstruiert. Heute ist vor dem Hintergrund der systemischen Epistemologie ein neues Verständnis von Konzepten wie Zirkularität, Hypothetisieren und Neutralität möglich, auf denen das Mailänder Modell früher basierte. Es wird jedoch betont, daß die Grundgedanken in diesem Aufsatz hauptsächlich aus der systemischen Arbeit des Cecchin-Boscolo-Teams stammen.

Egbert Steiner & Joachim Hinsch (1988): Therapie: Ordnungskunst zwischen Finden und Erfinden. Zur Verwendung von Metaphern. In: Familiendynamik 13(3), S. 204–219

abstract: Verschiedene therapeutische Richtungen entwickelten unterschiedliche Ordnungen, in die die Probleme der Klienten gefaßt und innerhalb der sie gelöst werden. In diesem Beitrag wird für den Bereich der »systemischen Therapie« der Vorschlag gemacht, die Probleme der Klienten wie auch bestimmte therapeutische Verfahren in systematischer Weise jeweils einer von vier grundlegenden Metaphern als handlungsleitender Situationsdefinition zuzuordnen. Die Wahl der jeweiligen Metaphern beruht dabei vorwiegend auf bestimmten wiederkehrenden Elementen in der Selbstbeschreibung der Klienten. Damit wird die Nähe zu deren Selbstverständnis erreicht und so die Akzeptierung von alternativen Sichtweisen, die Beginn einer Problemlösung sein können, wahrscheinlicher.

Paul Dumont & Deborah Wais (1988): Verbales und nichtverbales Verhalten in einem familientherapeutischen Erstegespräch. In: Familiendynamik 13(3), S. 220–237

abstract: Trotz der theoretischen Bedeutung, die der komplexen Interdependenz verbaler und nichtverbaler Komponenten in der menschlichen Kommunikation zugeschrieben wird, richtet sich das Interesse in der Familientherapie zum größten Teil nur auf die verbale Kommunikation, während dem nichtverbalen Verhalten nur eine nebensächliche Behandlung zukommt. In diesem Beitrag wird der Standpunkt vertreten, daß solch ein restriktiver Ansatz nicht nur theoretisch schwer zu rechtfertigen sei, sondern daß er in der Praxis dem Therapeuten wichtige Informationsquellen vorenthalten und seine Effektivität einschränken könne. Zwei Analysen einer familientherapeutischen Sitzung werden miteinander verglichen: eine Analyse der verbalen und eine der nichtverbalen Interaktion. Die Ergebnisse sprechen dafür, daß es für die Beurteilung der familialen Interaktion und für die Planung therapeutischer Interventionen vorteilhaft ist, das nichtverbale Verhalten mit derselben Sorgfalt zu analysieren wie das verbale.

Fritz Hofmann (1988): Das parentifizierte Hänschen klein. In: Familiendynamik 13(3), S. 238-239

Günter Schiepek & Peter Kaimer (1988): Von der Verhaltensanalyse zur selbstreferentiellen Systembeschreibung. In: Familiendynamik 13(3), S. 240–269

abstract: Die Arbeit befaßt sich mit der Entwicklung der Verhaltens- und Problemanalyse insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Praxisrelevanz. Dabei werden verschiedene Nachteile der Verhaltensanalyse aufgezeigt, die in fünf Punkten zusammengefaßt und einer systemischen Sichtweise von Diagnostik gegenübergestellt werden. Diese fünf Punkte sind: (1) Objektsprachliche Bindung an ein vorgegebenes theoretisches Konzept versus Metastrategie systemischer Wirklichkeitskonstruktion; (2) lineales Denken versus systemisches Denken; (3) Postulat der Objektivität versus Konstruktivismus; (4) objektivierender Gegenstandsbezug versus selbstreferentielle Systembeschreibung; (5) technisch-interventionistischer Zugriff versus Therapie als Bedingung für die Möglichkeit von Selbstorganisation. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für Diagnostik und Therapie werden diskutiert. Die aufgezeigten Entwicklungen der Verhaltensanalyse und des systemischen Denkens werden auf ihren zeitgeschichtlichen Kontext bezogen.

Fritz B. Simon & Gunthard Weber (1988): Zwischen Allmacht, Ohnmacht und »macht nichts«! Über die Verantwortung des Therapeuten. In: Familiendynamik 13(3), S. 270–274


Heft 4

Helm Stierlin (1988): Zu diesem Heft: Familiensomatik. In: Familiendynamik 13(4), S. 287-287

Helm Stierlin (1988): Familie als Ort psychosomatischer Erkrankungen. In: Familiendynamik 13(4), S. 288–299

abstract: Der Beitrag geht der Frage nach: Gibt es typische, zu psychosomatischen Symptomen beitragende Beziehungskonstellationen? Als Antwort ergibt sich ein vorsichtiges »Ja«. Es handelt sich jedoch nicht um festgeschriebene Strukturen, sondern um (u. U. sehr schnell) veränderbare Muster. Diese wiederum ergeben sich aus bestimmten, von den Betroffenen geteilten Regeln und Grundannahmen, so etwa der Annahme »Ich bin alleine nicht überlebensfähig« oder der Annahme »Mir geht es nur gut, wenn es auch den anderen gut geht«. Der Aufsatz behandelt schließlich Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die sich bei mit verschiedenartigen Störungen einhergehenden Beziehungskonstellationen beobachten lassen.

Arnold Retzer (1988): Systemische Therapie eines Paares mit somatischer Symptomatik. In: Familiendynamik 13(4), S. 300-317

abstract: Es wird die systemische Therapie eines Paares mit gravierenden und akuten somatischen Symptomen dargestellt. Nach einer zusammenfassenden Übersicht der grundlegenden Prinzipien systematischer Therapie wird der fünf Sitzungen umfassende Behandlungsverlauf detailliert nachvollzogen. Dabei werden sowohl die Dynamik des somatischen Interaktionsprozesses als auch die vom Therapeuten gewählten Handlungen und ihre Prämissen ausführlich beschrieben. Abschließend werden Überlegungen zu einer psychosomatischen Typologie und ihre möglichen Auswirkungen auf die Sicht- und Handlungsweisen des Therapeuten diskutiert.

Bernd Frederich (1988): Familiensomatik aus der Sicht des Hausarztes. Ansätze zu einem umfassenderen Krankheitsverständnis. In: Familiendynamik 13(4), S. 318-334

abstract: Der Autor, ein internistisch arbeitender Hausarzt, berichtet über Erfahrungen aus seiner Praxis, die ihn bewogen, der Familien- und Partnerdynamik seiner Patienten Rechnung zu tragen. Er entwirft eine Typologie, die sowohl der jeweiligen individuellen Motivationsdynamik als auch wesentlichen Systemkräften gerecht zu werden versucht. Er erläutert diese an Beispielen aus seiner Praxis.

Rainer Dieffenbach (1988): Gutachten und Arztbriefe als systemische Interventionen? In: Familiendynamik 13(4), S. 335-344

abstract: Spezielle verbale und schriftliche Aussagen als Interventionen, um »Patienten«systeme anzuregen, haben innerhalb der systemischen Therapien ihren festen Stellenwert. So angesprochene Systeme sollen sich durch die Intervention in die Lage versetzt fühlen, ihre Interaktionen zu verändern, um auf »Index«patienten verzichten zu können. In der Regel sind solche Interventionen einzig zu diesem Zwecke konzipiert und die Ergebnisse therapeutischer Settings. Ich möchte hier auf die Möglichkeit hinweisen, mit routinemäßig verfaßten Schreiben aus der ärztlichen und gutachterlichen Praxis systemverändernd zu wirken. Mit zwei Beispielen sollen die Besonderheiten, die Chancen und die Gefahren dieser Interventionsform diskutiert werden.

Klaus G. Deissler (1988): Erfinderisches Interviewen. Wie man das systemische Interview für die alltägliche Praxis nutzen kann — durch Variationen über eine Frage? In: Familiendynamik 13(4), S. 345-363

abstract: Der folgende Aufsatz behandelt ein Thema, das sowohl in der Diskussion erkenntnistheoretischer Konzepte als auch in der täglichen therapeutischen Arbeit von zunehmender Wichtigkeit ist: Die Erfindung der Wirklichkeit. Bei der Erfindung therapeutischer Wirklichkeiten spielt der Begriff Information eine zentrale Rolle. Klassischerweise versteht man darunter eine Maßeinheit für die Unwahrscheinlichkeit des Auftretens eines Ereignisses – (eines sogenannten »objektiven Ereignisses«, sollte man hinzufügen). Bateson hat Information als »the difference that makes the difference« definiert. Das heißt in unsere Sprache übersetzt: Der Beobachter erzeugt (erfindet) »the distinction that makes a distinction«. In der hier vertretenen Sichtweise/Sprache ist dieses Konzept eine Erfindung eines Beobachters, der unterscheidet zwischen dem, was ihm als unwahrscheinlich, das heißt eher als neuartig oder erstmalig erscheint, und dem, was ihm eher wahrscheinlich erscheint, ihn also bestätigt. Man könnte also sagen, daß der Beobachter zwischen Erstmaligkeit (Neuigkeit) und Bestätigung (Bekanntem) unterscheidet (vgl. Deissler, 1986, im Anschluß an Weizsäcker, 1974). Ein therapeutischer Prozeß findet in diesem Denkrahmen dann statt, wenn die Interaktion zwischen Klienten und Therapeut zunächst Selbstbestätigung auslöst (z.B. das Problem, wie es die Klienten sehen) und dann Erstmaligkeit (z.B. eine mögliche Lösung) hervorbringt. Insofern kann der therapeutische Prozeß als eine Ko-Kreation sozialer Wirklichkeit verstanden werden – eine neue Wirklichkeit wird gemeinsam erzeugt.

Fritz B. Simon & Gunthard Weber (1988): Konjunktivitis. Über die Entzündung des Möglichkeitssinns und die Erfindung bekömmlicherer Wirklichkeiten. In: Familiendynamik 13(4), S. 364-372

Katharina Ley (1988): Rezension – Wolfgang Buchholz, Wolfgang Gmür, Renate Höfer & Florian Straus: Lebenswelt und Familienwirklichkeit. Studien zur Praxis der Familienberatung. In: Familiendynamik 13(4), S. 373-374

Katharina Ley (1988): Rezension – Angelika Engelbert: Kinderalltag und Familienumwelt. Eine Studie über die Lebenssituation von Vorschulkindern. In: Familiendynamik 13(4), S. 374-375

Katharina Ley (1988): Rezension – Manfred Herrmanns & Barbara Hille: Familienleitbilder im Wandel. Normative Vorgaben und Selbstkonzepte von Eltern und Jugendlichen. In: Familiendynamik 13(4), S. 375-375

Katharina Ley (1988): Rezension – Barbara Pieper: Familie im Urteil ihrer Therapeuten. Bausteine einer Theorie familialer Arbeit. In: Familiendynamik 13(4), S. 375-376

Katharina Ley (1988): Rezension – Psychologie Heute Redaktion (Hrsg): Familien-Bande. Chancen und Krisen einer Lebensform. In: Familiendynamik 13(4), S. 376-376

Katharina Ley (1988): Rezension – John Scanzoni: Shaping Tomorrow’s Family. Theory and Policy for the 21st Century. In: Familiendynamik 13(4), S. 377-377

Katharina Ley (1988): Rezension – Max Wingen: Nichteheliche Lebensgemeinschaften. Formen – Motive – Folgen. In: Familiendynamik 13(4), S. 377-378

Marianne Krüll (1988): Rezension – Volker E. Pilgrim: Muttersöhne. In: Familiendynamik 13(4), S. 378-379

Susan Falck (1988): Rezension – Allan Guggenbühl & Martin Kunz (Hrsg.): Prahlerei, Lug und Trug. In: Familiendynamik 13(4), S. 379-379