Heft 1
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1984): Zu diesem Heft: Erschwerte Familienverhältnisse. In: Familiendynamik 9(1), S. 1-1
Verena Krähenbühl, Hans Jellouschek, Margret Kohaus-Jellouschek & Roland Weber (1984): Stieffamilien: Struktur, Entwicklung, Therapie. In: Familiendynamik 9(1), S. 2–18
abstract: Die Rollen, Positionen und Funktionen in Stieffamilien sind bis beute weitgehend unerforscht. Stieffamilien stellen sich nach außen als normale Kernfamilien mit Eltern und Kind(ern). Tatsächlich jedoch unterscheiden sie sich von dieser Familienform in vielerlei Hinsicht. Untersucht werden die besonderen Merkmale und Problembereiche von Stieffamilien, die Entwicklungsphasen dieser Familien und die sich daraus ergebenden Aufgaben. Es folgen Hinweise für die Therapie von Stieffamilien.
Heinz Alex Schaub & Freda Schaub-Harmsen (1984): Einelternfamilien. Erfahrungsbericht einer dreijährigen psychosozialen Arbeit. In: Familiendynamik 9(1), S. 19–32
abstract: Die vorliegende Arbeit ist ein Erfahrungsbericht über Einelternfamilien, die sich über drei Jahre in einer Kleinstadt in der BR Deutschland entwickelte, ausweitete und in verschiedenen Gruppenaktivitäten Ausdruck fand. Vom „Stammtisch“, gemeinsamen Feiern über eine geschlossene Gruppe mit Selbsterfahrungsanspruch, eine offene Gruppe mit Selbsthilfecharakter bis hin zur Arbeit mit Kindern, erstreckten sich die psychosozialen Aktivitäten. Die Situation vor und nach der Trennung wird beschrieben und familiendynamische Folgen für die Einelternfamilie aufgezeigt, die materiell und psychosozial gegenüber den Zweielternfamilien benachteiligt sind. Die Arbeit eines gegründeten Vereins der Einelternfamilie sowie die professionelle Hilfestellung zusammen haben das Ressourcenpotential dieser Familien erweitert, so daß sie zum überwiegenden Teil eine kritische Lebenssituation überwinden konnten.
Werner Wessel (1984): Zur Wechselwirkung nicht-gewollter Schwangerschaften und Familienprozessen. In: Familiendynamik 9(1), S. 33–70
abstract: Es werden verschiedene Denk-Modelle skizziert, welche die Entstehung nicht-gewollter Schwangerschaften erklären. Diese Einzel-Modelle werden zu einem Gesamt-Modell kombiniert, um alle Wechselwirkungen zu erfassen, in denen nicht-gewollte Schwangerschaften stehen. Besonders hervorgehoben werden Wechselwirkungen mit dem Familien-Prozeß. Typische Konstellationen im Familien-Prozeß werden beschrieben und mit Beispielen illustriert.
Felix Oggenfuss (1984): Jugendliche aus Scheidungsfamilien. In: Familiendynamik 9(1), S. 71–84
abstract: Anhand einer sekundärstatistischen Analyse von Daten aus einer Langzeituntersuchung bei 2 000 Schülern im Kanton Zürich wird der Frage nach der Schul- und Berufslaufbahn von Scheidungskindern und deren Einstellung zu Ehe und Familie nachgegangen. Es zeigt sich, daß nach den momentanen Folgen der Scheidung für die Schulsituation des Kindes auch später noch Auswirkungen auf die schulische Laufbahn feststellbar sind. Geringere Geschlechtsrollendifferenzierung geht bei den Jugendlichen aus Scheidungsfamilien einher mit einem partnerschaftlichen Bild der Ehe und familiären Zukunftsperspektiven, die dem Bild der traditionellen Kleinfamilie entsprechen.
Maharaj Krishen Malhotra (1984): Elternhausverhältnisse und Probleme von Schülern. In: Familiendynamik 9(1), S. 85–87
abstract: 3083 Schüler im Raum Wuppertal wurden nach ihren Elternhausverhältnissen und ihren Schulproblemen befragt. Die Ergebnisse wurden nach Schulart, Wohnort, Geschlecht und Alter sowie nach den Elternhausverhältnissen differenziert berechnet und können als Normen gebraucht werden. Die große Mehrheit der Schüler (über 85 %) scheint in ihr Elternhaus gut integriert zu sein. (Die sieben Tabellen mit den Basisdaten sind beim Verfasser erhältlich.)
Claus Buddeberg (1984): Rezension – Josef Duss-von Werdt: Fünfjährige Familien-Befragung von 222 Elternpaaren in der Stadt Zürich. In: Familiendynamik 9(1), S. 88-90
Renate Wiesner (1984): Rezension – Rudolf Dreikurs, Shirley & Gould & Raymond Corsini: Familienrat. Der Weg zu einem glücklicheren Zusammenleben von Eltern und Kindern. In: Familiendynamik 9(1), S. 90-90
Mariann Hamel (1984): Rezension – Tilman Moser: Familienkrieg. Wie Christof, Vroni und Annette die Trennung der Eltern erleben. In: Familiendynamik 9(1), S. 91-91
Andina Rinaldo (1984): Rezension – Konrad Widmer: Der junge Mensch und seine Eltern, Lehrer und Vorgesetzten. Zum Problem des Verstehens und der Führung im Jugendalter. In: Familiendynamik 9(1), S. 91-92
Heft 2
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1984): Zu diesem Heft: Familienorientierte Jugendpsychiatrie. In: Familiendynamik 9(2), S. 95-95
Jochen Schweitzer (1984): Systemische Jugendpsychiatrie. Zum Umgang mit der „gemeinsamen Homöostase“ von Familie und Psychiatrischer Einrichtung. In: Familiendynamik 9(2), S. 96–107
abstract: Der Aufsatz thematisiert die Schwierigkeiten systemischer Familientherapie in einer stationären jugendpsychiatrischen Einrichtung. Eine Analayse der Regeln, nach denen die betreffenden Familien und die Psychiatrie ihren Umgang mit dem jugendlichen Patienten strukturieren, zeigt am Beispiel der stationären Einweisung, daß beide Systeme sich gerade in ihren pathogenen Aspekten gegenseitig stabilisieren. Systemisches Arbeiten bedroht daher potentiell die „gemeinsame Homöostase“ von Familie und Psychiatrie und sieht sich daher oft einem doppelten Widerstand gegenüber. Es werden „Gegenregeln“ skizziert, die in diesem Konfliktfeld dennoch systemische Therapie möglich machen. In Abgrenzung zu „reiner“ Familientherapie bezeichnen wir den resultierenden Arbeitsansatz als „Systemische Jugendpsychiatrie“.
Kurt Ludewig, Rosemarie Schwarz & Hans Kowerk (1984): Systemische Therapie mit Familien von »psychotischen« Jugendlichen. In: Familiendynamik 9(2), S. 108–125
abstract: Eine Hamburger Arbeitsgruppe für systemische Familientherapie berichtet über ihre Arbeit im Rahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Am Beispiel der Arbeit mit Familien mit einem „psychotischen“ Jugendlichen wird der Stand der Entwicklung eines zum eigenen Kontext passenden Konzeptes erläutert, welche ursprünglich ihren Ausgang in der Auseinandersetzung mit den Schriften der Mailänder Gruppe um M. Selvini-Palazzoli genommen hatte. Nach einer theoretischen Erörterung des zugrunde liegenden Konzeptes werden die praktischen Erfahrungen mit 12 Therapien mit sog. psychotischen Systemen sowie das Ergebnis einer katamnestischen Befragung dieser Familien berichtet.
Dagmar Zimmer-Höfler (1984): Der Einbezug der Familie in therapeutische Einrichtungen für Drogenabhängige und drogengefährdete Adoleszenten in den USA. In: Familiendynamik 9(2), S. 126–136
abstract: Der Einbezug der Familie in die institutionelle therapeutische Arbeit mit Drogenabhängigen, der sich in den letzten Jahren in vielen stationären und teilstationären Einrichtungen in den USA beobachten läßt, kann als „Tendenzwende“ der drogen-therapeutischen Konzepte bezeichnet werden. Parallel dazu hat sich die Selbsthilfebewegung der betroffenen Eltern in erstaunlichem Ausmaß entwickelt. Der vorliegende Bericht gibt eine Übersicht über einige dieser Gruppierungen und Konzepte und schildert zwei teilstationäre sowie eine stationäre Einrichtung ausführlicher.
Heinz Alex Schaub & Hermann Schwall (1984): Oliver – oder die »Familienoptik« in Psychiatrie und Sozialarbeit. In: Familiendynamik 9(2), S. 137–147
abstract: Anhand des Falles eines zehnjährigen Jungen mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten wird aufzuzeigen versucht, wie durch entsprechende personelle und institutionelle Optik einer am medizinischen Modell orientierten traditionellen Sozialarbeit in Zusammenarbeit mit der Psychiatrie ein Kind auf eine psychiatrische Patienten- und Heimkarriere geschickt werden kann. In einer familiendynamischen Optik dagegen würde sowohl die Sozialarbeit, in deren Betreuung der Fall liegt, wie die hinzugezogene Psychiatrie das auffällige Verhalten als Symptom des allgemein gestörten familiären Milieus (Alkoholikerfamilie mit diversen zusätzlichen Schwierigkeiten) erkennen. Es könnten damit Behandlungsformen gewählt werden, die auch die Restfamilie miteinbeziehen und die die stationäre Behandlung des Kindes verhindern oder zumindest verkürzen könnten.
Ulrich Stuhr, Ortrud Bahr & Michael Scharre (1984): Die Entstehung psychosomatischer Erkrankungen aus dem Einfluss der Arbeitssituation auf das Familienleben. In: Familiendynamik 9(2), S. 148-159
abstract: Als Familientherapeuten sollten wir unsere Aufmerksamkeit über die Grenzen des Familiensystems hinweg auf die Arbeitsbelastungen der Familienmitglieder lenken. Anhand empirischer Beispiele wird die Wirkung der Arbeitsplatzsituation auf die Familiendynamik und deren Folgen für die Entstehung von Symptomen dargestellt. Erste Konsequenzen für die therapeutische Praxis der Familientherapie und für eine präventive Strategie werden erörtert.
Rosemarie Grässle, Gaby Liedtke & Gerda Hofmann (1984): Fortbildung in Familientherapie für arbeitslose Akademiker. In: Familiendynamik 9(2), S. 160–165
Peter Fürstenau (1984): Der Psychoanalytiker als systemisch arbeitender Psychotherapeut. In: Familiendynamik 9(2), S. 166–176
Fritz B. Simon & Gunther Schmidt (1984): Die Machtlosigkeit zirkulären Denkens. In: Familiendynamik 9(2), S. 177–179
Fritz B. Simon (1984): Rezension – Luc Ciompi: Affektlogik. Über die Struktur der Psyche und ihre Entwicklung. Ein Beitrag zur Schizophrenieforschung. In: Familiendynamik 9(2), S. 180-181
Mara Selvini Palazzoli (1984): Rezension – Steve De Shazer: Patterns of Brief Family Therapy. An Ecosystemic Approach. In: Familiendynamik 9(2), S. 181-183
Ingrid R. Nebelin (1984): Rezension – Howard M. Halpern: Liebe und Abhängigkeit. In: Familiendynamik 9(2), S. 183-185
Jürgen Schaltenbrand (1984): Rezension – Wolfgang Heckmann (Hrsg.): Praxis der Drogentherapie. Von der Selbsthilfe zum Verbundsystem. In: Familiendynamik 9(2), S. 185-186
Jürg Willi (1984): Rezension – Daniel Hell: Ehen depressiver und schizophrener Menschen. Eine vergleichende Studie an 103 Kranken und ihren Ehepartnern. Mit einem Geleitwort von K. Ernst. In: Familiendynamik 9(2), S. 187-188
Heft 3
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1984): Zu diesem Heft: Sozialwissenschaftliche und klinische Familienforschung. In: Familiendynamik 9(3), S. 191-191
Burkhard Liebsch (1984): Soziale Perspektivität und familiäres System. In: Familiendynamik 9(3), S. 192–216
abstract: Es wird gezeigt, daß Ansätze der klinischen Familientheorie durch ein Modell sozialer Perspektivität zu ergänzen sind. Von der Entwicklung der sozialen Perspektivenübernahme hängt ab, inwieweit Grundelemente des Systems (Regeln, Moral) in der Familienwelt repräsentiert sind. Das wiederum ist entscheidend für die Bewältigung kommunikativer Pathologien und für den Zusammenhang von Individuierung und familiärer Entwicklung.
Adelheid Stein & Kurt Lüscher (1984): Familienrollen in der Perspektive junger Eltern. In: Familiendynamik 9(3), S. 217–241
abstract: Die Gestaltung innerfamiliärer Beziehungen ist — als wichtiger Bereich familialen Alltages — wesentlich durch das Bild der Familienmitglieder voneinander und ihr Verständnis der Familienrollen bestimmt. Mit einer explorativen Analyse authentischer Selbsteinschätzungen junger Mütter und Väter wird versucht, der privaten Perspektive individueller Familien in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung größere Aufmerksamkeit als bisher zuzumessen, daraus Folgerungen für die familiensoziologische Theoriebildung sowie für familienpolitisches Handeln zu ziehen und Möglichkeiten für die Verknüpfung von Familientherapie und Familiensoziologie aufzuzeigen. Die Selbsteinschätzungen der befragten Eltern lassen in der Tat erkennen, daß sie in ihrer Differenziertheit, Originalität und reflektierten Problematisierungsbereitschaft eine eigenständige Perspektive zum Ausdruck bringen, die in der sozialwissenschaftlichen Arbeit zu beachten ist.
Klaus Wahl & Peter Nemetschek (1984): Video in Familientherapie und Familienforschung: Selbstkonfrontation durch Video Feed-Back – Chancen und Gefahren einer Methode. In: Familiendynamik 9(3), S. 242–254
abstract: Video wird in Familientherapie und Familienforschung vielfach nur als Aufzeichnungshilfe benutzt, obwohl es mehr bieten kann: als aktivierendes Medium zu Erkenntnis und Selbsterkenntnis. Dies geschieht in Selbstkonfrontationen durch Video-Feedback, also das Aufzeichnen von Gesprächen oder Szenen und das spätere Wiederbetrachten durch die Aufgenommenen. Es wird über Erfahrungen mit dem therapeutischen Einsatz von Video insbesondere in den USA und in der Familienforschung berichtet, speziell auch aus Projekterfahrungen der Autoren. Das Verfahren erlaubt u. a., Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Assoziationseffekte zu stimulieren und Verhaltens- und Kommunikationsformen deutlich zu machen. Entsprechend kann es direkt oder indirekt therapeutisch wirksam eingesetzt werden. Methodische Varianten für den Video-Einsatz werden ebenso aufgezeigt wie Kontraindikationen für das Verfahren.
Maurizio Viaro, Paolo Leonardi & Fabio Sbatella (1984): Opposition und Obstruktion in der ersten Familiensitzung. In: Familiendynamik 9(3), S. 255–277
abstract: Es werden in dieser Arbeit die Ergebnisse einer Untersuchung über die für die Leitung der Sitzung von den Therapeuten des Mailänder Centro per lo Studio della Famiglia angewandte Technik vorgestellt. Nach einer zusammenfassenden Darstellung der verwendeten Kategorien und der Untersuchungsmethode analysieren die Autoren ein spezielles, als Insubordination bezeichnetes Interaktionsphänomen. Dieses besteht in einer unmißverständlichen Verletzung der für die Sitzung geltenden Regeln, die der Familie vom Therapeuten allerdings nur implizit bekanntgegeben werden. Nach Hypothese der Verfasser handelt es sich bei der Insubordination um ein Phänomen mit prognostischer Bedeutung in bezug auf den Beziehungsaspekt. Die Hypothese wurde in Übereinstimmung gefunden mit den Ergebnissen einer sowohl nach klinischen wie experimentellen Kriterien durchgeführten Überprüfung.
Helm Stierlin (1984): «Psychosomatische« und »schizopräsente« Familien: Wechselfälle der bezogenen Individuation. In: Familiendynamik 9(3), S. 278–294
abstract: Unter den Gesichtspunkten der bezogenen Individuation, der Bindung versus Ausstoßung sowie der Delegation werden Familien mit schizophrenen Mitgliedern (sogenannte „schizo-präsente“) Familien mit Familien verglichen, in denen schwere und chronische psychosomatische Leiden auftreten (sogenannte „psychosomatische“ Familien). Dabei zeigen sich therapeutisch relevante Gemeinsamkeiten wie Unterschiede. Häufig zu beobachtende Misch- und Übergangsformen lassen sich verständlicher machen.
Michael Goepfert (1984): Rezension – Ira Glick et al.: Family Therapy and Research. An annotated Bibliography of Articles, Books, Videotapes, and Films published 1950—1979. In: Familiendynamik 9(3), S. 295-296
Helm Stierlin (1984): Rezension – David Olson et al. (Hrsg): Family Studies. In: Familiendynamik 9(3), S. 296-296
Rosmarie Welter-Enderlin (1984): Rezension – Ludwig Reiter: Gestörte Paarbeziehungen. Theoretische und empirische Untersuchungen zur Ehepaardiagnostik. In: Familiendynamik 9(3), S. 296-297
Gunthard Weber (1984): Rezension – Mara Selvini Palazzoli: Magersucht. Von der Behandlung einzelner zur Familientherapie. In: Familiendynamik 9(3), S. 298-300
Heft 4
Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1984): Zu diesem Heft: Familie — Recht und Rechtsprechung. In: Familiendynamik 9(4), S. 303-303
Hans Erich Troje & H. Meyer (1984): Familiendynamik und Familiengerichtsbarkeit. In: Familiendynamik 9(3), S. 304–322
abstract: Es werden die Schwierigkeiten einer konfliktfreien Synthese zwischen familiendynamischen Prozessen und der Familiengerichtsbarkeit dargestellt. In einem ersten Teil werden rechtstheoretisch-rechtssoziologisch die Determinanten richterlichen Handelns in familiengerichtlichen Verfahren untersucht. Darauf gründend folgen im zweiten Teil historisch-philosophisch-psychologische Gedanken über einige Aspekte und Möglichkeiten einer über das kirchlich-juristische („ödipale“) Ehemodell hinauswachsenden „postödipalen“ Ehe. Abschließend werden mehr erfahrungsbezogen einige konstruktive wie destruktive Momente familienrichterlicher Tätigkeit skizziert.
Karl Wilhelm Hagner (1984): Zur Rolle des Familiengutachters und seinem Verhältnis zum Familienrichter im streitigen Sorgerechtsverfahren – Elemente einer systemischen Betrachtungs- und Vorgehensweise. In: Familiendynamik 9(4), S. 323–338
abstract: Es kommen Perspektiven zur Darstellung, die ich während und nach der zweijährigen Supervisionsperiode in der Metaposition des Supervisors einer Gutachterin entwickelte, die sich wiederum im Laufe dieser Zusammenarbeit von einer individuumzentrierten zu einer Familiengutachterin entwickelte. Nach der Beschreibung der Scheidungsfamilie und der Erörterung von „streitigem Sorgerechtsverfahren“ wird das Rollen- bzw. Problemverständnis des Familiengutachters dargelegt. Weiter werden einige mögliche Strategien vorgeschlagen und problematisiert. Schließlich werden Aspekte der Rollen und der Interaktionen des Richters und des Gutachters erörtert und unter systemischen Gesichtspunkten durchleuchtet. Der Artikel soll eine Weiterentwicklung der Gutachterrolle und -tätigkeit und des Dialoges zwischen Familienrichter und Gutachter, in der Perspektive der systemischen Denkweise, anregen.
Fritz B. Simon (1984): Warum es so schwerfällt, »gut« und »böse«, »aktiv« und »passiv«, »stark« und »schwach« zu unterscheiden. In: Familiendynamik 9(4), S. 339–351
abstract: Affekte machen Aussagen über Beziehungsdefinitionen. Entsprechend der Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“, „aktiv“ und „passiv“, „stark“ und „schwach“ liefern sie ein epistemologisches Muster, aus dem sich Organisations- und Interaktionsregeln ableiten. Es besteht eine Analogie zwischen den Werthierarchien von Institutionen (Strafjustiz, Psychiatrie) und den Familien ihrer Klientel.
Dirk Blasius (1984): Scheidung im 19. Jahrhundert: Zu vergessenen Traditionen des heutigen Scheidungsrechts. In: Familiendynamik 9(4), S. 352–366
abstract: Der Kampf um ein angemessenes Scheidungsrecht dauert unvermindert an. Doch dieser Kampf hat eine Geschichte, aus der man für die Rechtsgestaltung heute lernen kann. Seit dem „Bürgerlichen Gesetzbuch“ von 1900 ist die Eheerhaltung ein hoher rechtspolitischer Wert. Hier fand der Gedanke der ’strengen Ehescheidung‘ seine präzise juristische Fassung. In der Zeit vor dem „Bürgerlichen Gesetzbuch“ freilich gab es liberalere Traditionen des Scheidungsrechts. An sie wird in diesem Essay erinnert. Diese Traditionen zeigen das Recht im Dienst der Menschen, ihrer Nöte, aber auch ihrer Lebenspläne. So gibt es in der Geschichte des modernen Scheidungsrechts schmale Spuren von Toleranz und Liberalität, die es freizulegen gilt. Denn das Recht war auch früher mehr als nur eine Last für die Menschen; oft hat es Entlastung von den sozialen, psychischen und physischen Zwängen eines gestörten Familienlebens bewirkt.
Josef Duss-von Werdt (1984): Gleiches Recht für ungleiche Ehen, Scheidungen und Familien. In: Familiendynamik 9(4), S. 367–378
Rachel T. Hare-Mustin (1984): Das chinesische Ehegesetz: Ein Modell für Verantwortung- und Beziehungsstrukturen in der Familie. In: Familiendynamik 9(4), S. 379–386
abstract: Das chinesiche Ehegesetz von 1981 wird vorgestellt und kurz kommentiert. Es regelt die gegenseitigen Verantwortlichkeiten von Ehepartnern, Eltern, Kindern, Großeltern und Geschwistern. Dem neuen Gesetz wird das Ehegesetz von 1950 gegenübergestellt, welches sich vor allem gegen früher verbreitete feudalistische Praktiken, wie vorbestimmte Heirat und Verlobungen im Kindesalter wandte. Die Gesetzeserneuerung von 1981 betrifft vor allem die Gleichberechtigung und gesetzlichen Ansprüche von Frauen, Kindern und alten Menschen. Weiterhin tritt sie für Familienplanung ein, vereinfacht die Erlangung einer Ehescheidung und definiert Rechte von Adoptiv- und Stiefkindern. Das neue Ehegesetz kann als ein legislatives Modell für persönliche Beziehungsstrukturen aufgefaßt werden.