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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Familiendynamik 1980

Heft 1

Gottlieb Guntern (1980): Die kopernikanische Revolution in der Psychotherapie: der Wandel vom psychoanalytischen zum systemischen Paradigma. In: Familiendynamik 5(01), S. 2–41

abstract: Die Epistemologie des zwanzigsten Jahrhunderts unterscheidet sich in radikaler Weise von ihren Vorläufern. Wir sehen heute die Welt mit neuen Augen; wir formulieren neue Erklärungsprinzipien und wir konstruieren Konzepte, die ihren Vorläufern diametral gegenüberstehen. In diesem Aufsatz wird versucht, diesen revolutionären Wandel aus einer Vielfalt von Fakten herauszuschälen und, gestaltpsychologisch gesehen, die Umrisse gegenüber einem verschwommenen Hintergrund deutlich abzugrenzen. Die folgenden Ausführungen sind eine Zusammenfassung einer größeren diesem komplexen Prozeß des epistemologischen Wandels gewidmeten Arbeit.

Lyman C. Wynne (1980): Paradoxe Interventionen: eine Technik zur therapeutischen Veränderung von individuellen und familiären Systemen. In: Familiendynamik 5(01), S. 42–56

abstract: Theoretische Überlegungen und aus der Praxis gewonnene Einsichten führen zur Frage, wann eigentlich paradoxes Intervenieren angezeigt sei. Herausgearbeitet und mit einem konkreten Beispiel belegt wird hauptsächlich ein Kriterium. Wenn die Entwicklung eines Individuums, einer Familie und/oder der Therapie immer wieder an den gleichen toten Punkt gelangt, erzielt die beharrliche und konsistente Verwendung paradoxer Prinzipien bemerkenswerte Erfolge.

Thomas Hess (1980): Paradoxe Interventionen in systemischer Familientherapie. In: Familiendynamik 5(01), S. 57–72

abstract: Es wird der Behandlungsverlauf einer 10 Sitzungen umfassenden Familientherapie bei Schulverweigerung beschrieben. Die Indexpatientin, ein 11jähriges Mädchen, ist Einzelkind. Die Behandlung wurde in einem Team durchgeführt, das nach strukturellen Grundsätzen arbeitete, indem drei Therapeuten hinter dem Einwegspiegel den Autor berieten und unterstützten bei der Arbeit mit der Familie. Als taktische Elemente wurden verhältnismäßig viele paradoxe Interventionen verwendet. Diese werden näher betrachtet und deren Anwendungsbereich diskutiert. Schließlich wird auf die häufigsten kritischen Einwände gegen solche Taktiken eingegangen, indem Bezüge zu konventionellen Therapieformen aufgezeigt werden.

Kathryn Nash DeWitt (1980): Die Wirksamkeit von Familientherapie. Eine Übersicht über Untersuchungen zur Erfolgskontrolle. In: Familiendynamik 5(01), S. 73–103

abstract: In diesem Überblick werden Untersuchungen des Erfolgs von Familientherapien der letzten Eltern-Kind-Generationen besprochen. Aus Studien ohne Vergleichsgruppe geht hervor, daß gemeinsame (conjoint) Familientherapie einzeltherapeutischen Methoden gegenüber etwa gleichwertig, aber nicht überlegen ist. Solche mit Vergleichsgruppen hingegen lassen erkennen, daß gemeinsame Familientherapie erfolgreicher ist als andere Behandlungsformen oder gar keine Behandlung. Untersuchungen schließlich, welche die Wirkung von Faktoren wie Patient, Therapeut, Behandlungstechnik auf das Ergebnis gemeinsamer Familiensitzungen zum Gegenstand haben, zeigen dann, wie wichtig die Bestimmung von adäquaten Kriterien zur Feststellung von Veränderung ist.


Heft 2

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1980): Zu diesem Heft: Zur Theorie der Familientherapie. In: Familiendynamik 5(02), S. 105-105

Henry Grunebaum & Richard Chasin (1980): Kritisches zu Umdeutungen oder: Die Vorteile eines pathologischen Begriffssystems. In: Familiendynamik 5(02), S. 106–117

abstract: Die landläufige Klassifizierungstheorie behauptet, pathologische Etikettierungen würden zur Pathologie beitragen, während „freundlichere“ Benennungen sie milderten. Man darf aber wohl sagen, daß die Rolle pathologischer Zuschreibungen als Ursache für Pathologie überwertet und allzusehr verallgemeinert worden ist. In der Familientherapie wurden wahrscheinlich pathologische Begriffe zu häufig durch einen beschreibenderen Bezugsrahmen ersetzt. Es gibt nämlich viele Familien, bei denen sich die Anwendung eines pathologischen Etiketts auf ein Familienmitglied für das Familiensystem, aber auch auf das betroffene Individuum selbst vorteilhaft auswirkt. Nachstehend werden fünf derartige Fälle vorgestellt und die Theorie der Zuordnung soll dabei kritisch überprüft werden. Definitionen der Begriffe „Umbenennen“ und „Anwendung eines neuen Begriffssystems“ werden vorgeschlagen und die unterschiedlichen Bedeutungen von Diagnose und Klassifizierungstheorie sollen diskutiert werden.

Steven Katkin (1980): «Buchführung« als vielseitig verwendbare familiendynamische Intervention. In: Familiendynamik 5(02), S. 118–124

abstract: Dieser Artikel befaßt sich mit der verhaltensmodifizierenden Technik, über etwas Buch zu führen, eine Technik, die gleichzeitig einen „double-bind“ beinhaltet. Das Vorgehen wurde ursprünglich dazu verwendet, operantes Konditionieren zu zeigen, diente später für das Erfassen von Bindungen und Sequenzen, die unerwünschte Verhaltensweisen aufrechterhalten. Schließlich hat es sich als ein recht wirksames therapeutisches Mittel erwiesen. Die Durchsicht der Literatur über die Behandlung von Fettleibigkeit und die Verhaltenstherapie mit Ehepaaren unterstützen diese Annahme. Die Wirksamkeit dieser Methode läßt sich durch die Verbindung von Verhaltens- und Familientherapie erklären, wie sie von Haley, Weakland und anderen vertreten wird. Im folgenden werden knappe Fallberichte vorgelegt, in denen das Listenführen zu raschen und manchmal geradezu dramatischen Veränderungen führte.

Barbara Buddeberg (1980): Indikation zur Familientherapie in der Kinderpsychiatrie. In: Familiendynamik 5(02), S. 125–139

abstract: Obwohl gerade bei psychischen Störungen von Kindern Familienkonflikte oft eine wichtige Rolle spielen, wurde bisher im Bereich der Kinderpsychiatrie nur vereinzelt über familientherapeutische Ansätze berichtet. Ausgehend von Anna Freuds Einteilung psychischer Konflikte in äußere, verinnerlichte und innere Konflikte werden allgemeine und spezielle Kriterien zur Indikation einer Familientherapie in der Kinderpsychiatrie dargestellt. Neben einer Beurteilung des Konfliktes sind strukturelle Merkmale des Familiensystems von zentraler Bedeutung für die Indikationsfrage. Für die Entscheidung Einzel- oder/ und Familientherapie ergeben sich folgende Richtlinien: Eine Einzeltherapie als Alternative oder als Ergänzung ist um so notwendiger, je stärker die Internalisierung pathologischer Lösungen bereits vollzogen ist. Ist ein Familiensystem jedoch so starr, daß der in einer Einzeltherapie laufende Prozeß neutralisiert wird, ist auf jeden Fall eine Familientherapie indiziert. Anhand von Fallbeispielen werden typische Konfliktkonstellationen dargestellt, bei denen eine Familientherapie indiziert ist, so z. B. bei speziellen Ehekonflikten, Störungen der familiären Homöostase, Schwierigkeiten beim Eintritt in neue soziale Bezugsgruppen, Delegation unbewußter elterlicher Wünsche und Probleme von Minoritäten. Abschließend wird die Frage relativer Kontraindikationen zur Familientherapie diskutiert und auf wesentliche Voraussetzungen von seiten des Familientherapeuten hingewiesen.

Eckard Sperling, Manfred Klemann & Günter Reich (1980): Familienselbsterfahrung. In: Familiendynamik 5(02), S. 140–152

abstract: Es wird über die Familienselbsterfahrung der Weiterbildungsteilnehmer und des Lehrtherapeuten im Rahmen einer dreijährigen Ausbildung zum analytischen Familientherapeuten berichtet. Einen breiteren Raum nehmen die anfänglichen erheblichen Ängste der Teilnehmer vor dem Zusammentreffen mit der eigenen Familie ein. Wichtig waren bereits die vorbereitenden Gespräche, die die Auszubildenden mit ihren Familien führten. In den Sitzungen erlebten sich die Familientherapeuten trotz ihrer Fachkompetenz wie Kinder ihrer Familien. Die Beziehungen in den Familien wurden verdeutlicht und verbessert. Es kam zu einer Korrektur am Selbstbild und Selbstverständnis der Weiterbildungsteilnehmer. Für den Therapeuten waren diese Sitzungen wie andere Familiensitzungen. Nur in Fällen, wo die politische Vergangenheit tiefgreifende Wunden verursacht hatte, wurde dieses von ihm intensiver erlebt. Die größere Wirklichkeitsnähe der Familientherapie gegenüber der Einzelanalyse wurde allen Teilnehmern evident.

Gottlieb Guntern (1980): Rezension – Jay Haley: Die Psychotherapie Milton H. Ericksons. In: Familiendynamik 5(02), S. 153-154

Alex Ammann (1980): Rezension – Theo Herrmann et al.: Handbuch psychologischer Grundbegriffe. In: Familiendynamik 5(02), S. 154-155

Eckard Sperling (1980): Rezension – John G. Howells: Familien-Psychotherapie. Grundlagen und Methoden. In: Familiendynamik 5(02), S. 155-156

Eckard Sperling (1980): Rezension – John G. Howells & John R. Lickorish: Familien-Beziehungs-Test (F B.T.). In: Familiendynamik 5(02), S. 156-157

Alice Miller (1980): Rezension – Florian Langegger: Mozart — Vater und Sohn. Eine psychologische Untersuchung. In: Familiendynamik 5(02), S. 157-159

Mara Selvini Palazzoli (1980): Rezension – Salvador Minuchin, Bernice L.  Rosman & Lester Baker: Psychosomatic Families: Anorexia Nervosa in Context. In: Familiendynamik 5(02), S. 159-162

Norbert Wetzel (1980): Rezension – David H. L. Olson (Hrsg.): Treating Relationships. In: Familiendynamik 5(02), S. 162-162

George S. Greenberg (1980): Rezension – Peggy Papp (Hrsg.): Family Therapy: Full-Length Case Studies. In: Familiendynamik 5(02), S. 163-164

Jürg Willi (1980): Rezension – Norman L. Paul & Betty Byfield Paul: Puzzle einer Ehe. Verlauf einer Paartherapie. In: Familiendynamik 5(02), S. 164-166

Alex Ammann (1980): Reezension – Volkmar Sigusch: Sexualität und Medizin. In: Familiendynamik 5(02), S. 166-168

Eckard Sperling (1980): Rezension – Helm Stierlin: Delegation und Familie. Beiträge zum Heidelberger familiendynamischen Konzept. In: Familiendynamik 5(02), S. 168-169

Hans Strotzka (1980): Rezension – Thomas S. Szasz: Geisteskrankheit — ein moderner Mythos? Grundzüge einer Theorie des persönlichen Verhaltens. In: Familiendynamik 5(02), S. 169-170

Norbert Wetzel (1980): Rezension – Paul Watzlawick: Die Möglichkeit des Andersseins. Zur Technik der therapeutischen Kommunikation. In: Familiendynamik 5(02), S. 170-171

Verena Krähenbühl (1980): Rezension – James K. Whittaker: Social Treatment — soziale Arbeit im einzelnen, Familien und Gruppen. In: Familiendynamik 5(02), S. 171-172

Wilfried Gottschalch (1980): Rezension – Adrienne Windhoff-Héritier: Sind Frauen so, wie Freud sie sah? Weiblichkeit und Wirklichkeit. Bausteine zu einer neuen analytischen sozialpsychologischen Theorie der weiblichen Psyche. In: Familiendynamik 5(02), S. 172-173

Jürg Willi (1980): Rezension – Wolfgang Zander: Psychosomatische Forschungsergebnisse beim Ulcus duodeni. Ein Beitrag zur Strainforschung. In: Familiendynamik 5(02), S. 173-174


Heft 3

Helm Stierlin & Josef Duss-von Werdt (1980): Zu diesem Heft: Familienveränderung durch Scheidung. In: Familiendynamik 5(03), S. 185-185

Louis Roussel (1980): Ehen und Ehescheidungen. In: Familiendynamik 5(03), S. 186–203

abstract: Zur Erklärung der steigenden Scheidungsziffern werden häufig äußere Ursachen (Emanzipation, Liberalisierung des Scheidungsrechts, Abnahme religiöser Bindung, usw.) beigezogen. Demgegenüber wird hier die Ansicht vertreten, es gebe verschiedene Ehemodelle, die eine innere Gesetzmäßigkeit aufweisen und denen je eine bestimmte Art der Scheidung entspricht. Wenn es sich dabei um Modelle handelt, welche im Prinzip die Scheidung schon akzeptieren und die immer größere Verbreitung finden, müssen die Scheidungen zunehmen. Es werden vier Ehemodelle mit den jeweiligen Scheidungsarten unterschieden und näher beschrieben, die z. T. nebeneinander existieren und sich z. T. ablösen. Die Frage wird erörtert, wie sich dadurch die Bedeutung der Ehe wandle und was sich daraus im Blick auf die Zukunft ergeben kann.

James L. Framo (1980): Scheidung der Eltern – Zerreißprobe für die Kinder. Plädoyer für eine familienbezogene Sicht der Scheidung. In: Familiendynamik 5(03), S. 204–228

abstract: Nach einer Darstellung der gesellschaftlichen Situation bezüglich der Scheidung in den USA wird auf die vielschichtigen Probleme, denen Eltern und Kinder vor, während und nach der Scheidung ausgesetzt sind, eingegangen. Einige Untersuchungen von Auswirkungen der Scheidung auf Kinder verschiedenen Alters werden zitiert. Als systemisch orientierter Familientherapeut vertritt der Autor eine systemische Sicht auch der gesamten Scheidungsproblematik einschließlich ihres rechtlichen und sozialen Kontextes.

Norman L. Paul (1980): Die Scheidung als äußerer und innerer Prozeß. In: Familiendynamik 5(03), S. 229–241

abstract: Die offizielle Scheidung symbolisiert einen magischen Übergangsritus, neben dem der sowohl mit der legalen Auflösung einer Ehe wie der intakten Familie verbundene Prozeß der Entwicklung einer Scheidung einherläuft. Dieser spielt sich in drei Phasen ab, der Entscheidungsphase, der juristischen und der nach-juristischen Phase. Es werden die Merkmale dieser drei Phasen und ihre Auswirkungen je auf die beiden Partner und die Kinder beschrieben und die Aufgaben und Aussichten einer Scheidungsberatung mit besonderem Blick auf die Kinder kurz skizziert. Ein Fallbeispiel illustriert die vorangegangenen Überlegungen.

Jaron Bendkower & Felix Oggenfuss (1980): Scheidungskinder und Schule. In: Familiendynamik 5(03), S. 242

abstract: Anhand einer sekundärstatistischen Analyse von Daten aus einer Untersuchung bei 2000 Schülern im Kanton Zürich und Interviews mit 16 Kindern, deren verantwortlichem Elternteil und deren Lehrern wird die schulische Situation und das schulische Verhalten von Kindern aus geschiedenen Ehen untersucht. Die Daten werden mit solchen von Kindern aus vollständigen oder anderweitig unvollständigen Familien (Eltern verwitwet oder getrenntlebend) verglichen. Es wird eine Tendenz zu einer von den meist mit dem Sorgerecht betrauten Müttern auf die Kinder übertragenen Selbstüberforderung festgestellt. Infolge der familiären Norm-Realitäts-Diskrepanz stehen die Kinder u. a. auch schulisch unter einem erhöhten Beweis- und Leistungsdruck, wobei die Lehrer zur Norm-Realitäts-Diskrepanz oft ungewollt das ihre beitragen. Als dritte Informationsquelle für die 1979 am Pädagogischen Institut Zürich durchgeführte Untersuchung diente das Aufarbeiten der zum Thema Scheidungskinder vorliegenden Literatur.

Hermann Loddenkemper (1980): Gruppenpädagogik als Hilfe bei Scheidungen? In: Familiendynamik 5(03), S. 272–277

abstract: Es wird zunächst über amerikanische Erfahrungen mit Gruppen berichtet, in denen sich Jugendliche über die Scheidung ihrer Eltern und die für sie daraus entstandenen Probleme austauschen können. Anschließend wird erwähnt, was aus diesen Gesprächen dem Jugendlichen hilft und wie solche Gruppen auch hierzulande eingerichtet werden könnten.

Ken Breslin (1980): Rezension – Edith Atkin & Estelle Rubin: Part-Time Father. In: Familiendynamik 5(03), S. 278-279

Marianne Krüll (1980): Rezension – Seymour Fischer & Roger P. Greenberg: The Scientific Credibility of Freud’s Theories and Therapy. In: Familiendynamik 5(03), S. 279-280

Marianne Krüll (1980): Rezension – Erich Fromm: Sigmund Freuds Psychoanalyse — Größe und Grenzen. In: Familiendynamik 5(03), S. 281-282

Claus Buddeberg (1980): Rezension – Helge Pross: Die Männer. Eine repräsentative Untersuchung über die Selbstbilder von Männern und ihre Bilder von der Frau. In: Familiendynamik 5(03), S. 282-283


Heft 4

Josef Duss-von Werdt & Helm Stierlin (1980): Zu diesem Heft: Familientherapie — Ausbildung und Berufspolitik. In: Familiendynamik 5(04), S. 289-289

Wolfgang Dierking (1980): Familientherapie in der Bundesrepublik Deutschland. In: Familiendynamik 5(04), S. 290–304

abstract: Die Familientherapie erfreut sich in der Bundesrepublik Deutschland zwar eines ständig steigenden Interesses bei allen Berufsgruppen in psychosozialen Bereichen; jedoch sind weder Ausbildung, Kostenübernahme noch berufspolitische Fragen mit wenigen Ausnahmen offiziell geregelt. Der Autor diskutiert vor dem Hintergrund einer kritischen Reflektion der sehr unbefriedigenden Situation der psychosozialen Versorgung Für und Wider von Teillösungen, die nur die Familientherapie betreffen und die Gesamtsituation, das Verhältnis der Berufsgruppen zueinander oder etwa die schlechte Versorgungslage für weite Teile der Bevölkerung außer acht lassen.

Helm Stierlin, Michael Wirsching & Gunthard Weber (1980): Familientherapeutische Fortbildung und Supervision in Heidelberg. Kontext—Konzept—Praxis. In: Familiendynamik 5(04), S. 305–322

abstract: Der Aufsatz beschreibt die gegenwärtig von unserer Heidelberger Gruppe praktizierte familientherapeutische Fortbildung und Supervision. Diese vollzieht sich weitgehend in „Basisgruppen“, die ihren eigenen Schwerpunkt der Fortbildung bestimmen. Die fünf Perspektiven des Heidelberger familiendynamischen Konzeptes werden den Fortbildungsteilnehmern jeweils in bestimmten Übungen und Supervisions-Settings nahegebracht. Der letzte Teil skizziert die unterschiedlichen Konsequenzen für Therapie und Supervision, die sich von den familientherapeutischen Grundmodellen „Heilung durch Begegnung“ und „Heilung durch Systemänderung“ herleiten. Auszüge aus dem Transkript einer supervisionierten Sitzung illustrieren diese Thematik.

Verena Krähenbühl (1980): Live-Supervision – Ihre Begründung und ihr Stellenwert im Lernprozeß. In: Familiendynamik 5(04), S. 323–332

abstract: Die Live-Supervision als methodisch-didaktisches Instrument im Lernprozeß der Familientherapie ist relativ neu und findet in der Praxis neben Zustimmung auch Kritik und Ablehnung. Die nachfolgenden Ausführungen wollen zeigen, inwiefern diese Lernform gerade der systemischen Familientherapie entspricht und einen intensiven praxisnahen und verbindlichen Lernprozeß ermöglicht.

Marie-Luise Matter (1980): Familientherapie in der Schweiz – Ausbildung und Berufspolitik. In: Familiendynamik 5(04), S. 333–343

abstract: Die Verfasserin gibt einen Überblick über Ausbildungsmöglichkeiten für Familientherapie in der Schweiz. Sie beschreibt die Entwicklung der beiden ältesten Modelle, des interdisziplinären Kurses am Institut für Ehe und Familie, Zürich, und des berufsspezifischen Kurses für Sozialarbeiter und Erzieher an der Schule für Soziale Arbeit, Zürich. Sie zeigt auf, welcher berufspolitische Standort der Familientherapie in Berufsverbänden, gesetzlichen Regelungen, Kassenleistungen zukommt.

Norbert Wetzel & Hinda Winawer-Steiner (1980): Familientherapeutische Ausbildung in den USA – ein Überblick. In: Familiendynamik 5(04), S. 344–370

abstract: Nach einer stürmischen Entwicklung besonders zwischen 1970 und 1978 wird familientherapeutische Ausbildung heute in den USA unter den verschiedensten Rahmenbedingungen angeboten. Sie ist entsprechend multidisziplinär und die Ausbilder kommen nicht nur von den traditionellen psychotherapeutischen Disziplinen, sondern auch anderen angrenzenden Berufen her. So vielfältig wie die Ausbildungsinstitute sind auch ihre Programme und es gibt weder hinsichtlich Aufnahmebedingungen, Dauer der Ausbildung, Programmstruktur, Ausbildungsmodellen und -zielen noch Erfolgsstudien einheitliche Regelungen. In unterschiedlicher Zusammensetzung enthalten die meisten Programme didaktische, klinisch-supervisorische und auf Selbsterfahrung beruhende Einheiten. Dabei werden die letzten in jenen Modellen am wenigsten betont, wo der Schwerpunkt eher auf der Erlernung strategischer Fertigkeiten liegt; am ausgeprägtesten sind sie im „Wachstums-Modell“ mit Schwerpunkt auf der Persönlichkeitsentwicklung des Therapeuten. Hinsichtlich der Einführung eines eigenen Berufes mit spezifischer beruflicher Ausbildung ist die Entwicklung sehr uneinheitlich: einerseits geht der Trend in Richtung spezifischer Diplomierung, Programme zur Erlangung eines akademischen Grades auf der Doktor-Ebene sind dagegen eher selten. Vorderhand ist noch nicht klar, ob die Familientherapie sich je zu einer eigenen Disziplin erheben und welcher Platz ihr dann in der beruflichen Hierarchie des sozio-psychologisch-therapeutischen Feldes zukommen wird.

Ernie Bepperling, Cordelia Fertsch-Röver, Josef Kleinschnittger, Uli Kremser, Petra Levin, Astrid Wacker & Hans-Jürgen Wirth (1980): Nachträgliche Bemerkungen zum Fortbildungskurs »Analytische Familientherapie« am Giebener Psychoanalytischen Institut. In: Familiendynamik 5(04), S. 371–382

abstract: Der Aufsatz beschreibt die Erfahrungen einer Gruppe von Teilnehmern des Fortbildungskurses in analytischer Familien- und Sozialtherapie am Gießener Psychoanalytischen Institut. Dabei steht die subjektive Erlebnisseite im Vordergrund, die Emotionen, Ängste und Konflikte, die bei den Teilnehmern durch die Fortbildung ausgelöst wurden. Auf die entstandenen Selbstwertkrisen, auf Neid und Konkurrenz unter den Teilnehmern und in der Beziehung zu den Ausbildern wird eingegangen. Eine familiendynamische Beschreibung des Kurses wird versucht, insbesondere des Verhältnisses der Geschlechter, und anschließend werden die persönlichen, beruflichen und sozialen Veränderungen mit den damit verbundenen Konflikten dargestellt.

Linde Keyserlingk & Gisela v. Krogh (1980): «Da passiert uns schon auch sehr viel Unreflektiertes«. Über das 6. internationale Symposion der Familientherapeuten. In: Familiendynamik 5(04), S. 383–387