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Bruce Wampold über Existenziell-Integrative Psychotherapie

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Bruce Wampolds Buch „The Great Psychotherapy Debate“ ist seit seinem Erscheinen im Jahr 2001 eine feste Größe. Es gehört mittlerweile zu den meistzitierten und -diskutierten Beiträgen in der Debatte um Nutzen und Kosten von Psychotherapie. Möchte ich lieber sagen: Debatte um die Redlichkeit psychotherapeutischer Bemühungen, in dieser Welt Alternativen zum umgreifenden Wahnsinn zu liefern? Wenn das denn eine Debatte wäre. Anderes Thema, oder vielleicht auch nicht. Bruce Wampold jedenfalls, Professor für Counseling Psychology an der University of Wisconsin in Madison (Foto: counselingpsych.education.wisc.edu), hat ein Buch besprochen, in dem es um Existenziell-Integratve Therapie (EI) geht. Es handelt sich um: Kirk J. Schneider (Hg.) (2008): Existential-Integrative Psychotherapy: Guideposts to the Core of Practice. New York (Routledge). Allein schon der Umstand, dass ein so ausgewiesener wissenschaftlicher Fuchs wie Wampold sich eines Buches über ein therapeutisches Angebot annimmt, das wenig Chancen hat, im aktuellen Mainstream von Anerkennungs- und Goldstandards-Diskussionen Boden unter die Füße zu bekommen, scheint mir bemerkenswert. Wampold gehört zu denen, die mit einem Satz mehr inhaltliche Substanz verständlich machen können als andere mit langer Rede. Und so sind denn auch die in seiner Rezension nur flüchtig skizzierten Bemerkungen zum „doppelten Erbe“, auf das sich Psychotherapie stützt (nämlich humanistische und wissenschaftliche Traditionen) so gehaltvoll und verständlich, dass es anrührt, ebenso seine ebenfalls kurz skizzierte Historie der Versuche zur Integration in der Psychotherapie. Der (nach technischem und theoretischem) dritte Versuch der Integration, nämlich der „common factors“-Ansatz kommt in Schneiders Reader noch nicht einmal vor. Und hier zeigt sich Wampolds Klasse unmittelbar. Er schließt die Lücke selbst, wenn er schreibt, vielleicht seien es die KlientInnen, die Psychotherapie existenziell werden lassen. „That is, clients come to therapy for an explanation for their disorder, which in a manner of speaking is a desire to give meaning to their experience, to understand, and to move ahead with life“ (S.4). Nach einer Reihe von Hinweisen auf Querverbindungen zwischen existenzieller Psychotherapie und dem im “common factors”-Ansatz mittlerweile grundlegenden Fokus auf individuelle Passung des therapeutischen Angebots fürchtet sich Wampold nicht vor der Frage, ob existenziell-integrative Therapie denn überhaupt wissenschaftlich sei. Nach den mittlerweile das Feld beherrschenden Goldstandard-Kriterien wohl nicht. Dem hält Wampold entgegen, die Prinzipien des Wandels seien in diesem Ansatz so wissenschaftlich wie in allen anderen psychologischen Behandlungen auch. Und schließlich die Frage: Wer soll das bezahlen? Natürlich kein Fall für managed-care-Konstellationen, zu lang, zu persönlich, zu offen. Dazu Wampold am Schluss: „The issue is complex, but it is an unfortunate situation that immense sums are spent on end-of-life medical treatments and a fraction of that cannot be spent on quality-of-life therapy“. Wampolds Rezension ist
im Volltext zugänglich, und zwar hier …

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