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Heute feiert Cornelia Tsirigotis ihren 70. Geburtstag und systemagazin gratuliert von Herzen. Zu ihrem Werdegang und ihren vielen beruflichen und publizistischen Aktivitäten ist an dieser Stelle schon zu ihrem 65. Geburtstag viel gesagt worden. Damals habe ich einen Text von Wolfgang Loth veröffentlicht, den er zu ihrem 60. Geburtstag in der Zeitschrift systhema veröffentlichte, deren Redaktion Cornelia lange angehörte und in deren Beirat sie immer noch Mitglied ist. Darin heißt es: „Karriere muss man machen wollen, dann kann das stattfinden oder auch nicht. Wenn jedoch etwas, was so aussieht wie Karriere, stattfindet, ohne dass jemand dies zum Lebenszweck macht, dann scheint mir das nicht Karriere, dann scheint mir das vielmehr ein interessanter Weg. Was heißt das? Zunächst einmal hat es wohl mit einem Kennzeichen des Bedeutsamen zu tun: man kann es sich nicht selbst zuschreiben ohne die Konsequenz, dass es peinlich wäre. Gilbert K. Chesterton hat ,drei Stände’ erwähnt, ,die sich ihren Namen nicht selbst geben können: der Heilige, der Weise und der Dichter’ (Butor, 2000, S.29). Dies gehe deswegen nicht, weil denjenigen, die über das Potenzial dazu verfügen, grundlegend bewusst sei, dass sie nur auf dem Weg dahin sein können, sie sich dem Ziel nur annähern können. Eine Gewissheit in dieser Hinsicht ,zur Schau zu stellen würde heißen, sich den zu überwindenden Schwierigkeiten, der Tiefe der Abgründe, an deren Rand man sich bewegt, nicht bewußt zu sein’ (ebd. S.29). Nun sollen weder das Publizieren von Fachtexten noch Schriftleitung mit dichterischem Anspruch überhöht werden, in der Regel reicht es da aus, seine Arbeit gut und sorgfältig zu machen. Doch gibt es schon eine Querverbindung. Sie scheint mir darin zu bestehen, dass sowohl beim Karrierefokus wie bei eigenhändigen Etikettierungen der angedeuteten Art das Bezogensein auf Andere verloren geht. Karriere kann man ,für sich machen’, selbst wenn sie von anderen beklatscht wird. Ein interessanter Weg entsteht dagegen erst mit und aus der ,erweiterten Denkungsart‘, die das eigene Wagen und Bewegen stets in einen Kontext stellt, in dem auch die Anderen zählen. Was auf das eigene Bemühen erfolgt, ist keine Selbstdekoration, sondern ein Gewinn für eine Gemeinschaft – interessant eben als Eigenschaft eines ,inter esse’, eines Miteinanderseins. (…) Dazu passt wohl, dass Schule ein zentrales Leitmotiv in Cornelias Leben zu sein scheint, dies stets verbunden mit einem zweiten Leitmotiv: Fördern. In ihren Publikation wird immer wieder deutlich, wie sehr sie sich auf Menschen einlässt, ihre Bereitschaft zur Nähe und ihr daraus resultierendes Handeln reflektiert (beispielhaft: 2005a), und die jeweilige Institution, in der und für die sie arbeitet, als einen Hort von Möglichkeiten begreift, aufgreift und ausbaut, Hilfesuchenden neuen Boden unter ihren eigenen Füßen spüren zu lassen.“
Schöner kann man es nicht ausdrücken. Was vor 10 Jahren galt, gilt heute immer noch. Auch wenn sich Cornelia nach ihrer Zeit im Schuldienst längst im sogenannten Ruhestand befindet, öffnet sie immer noch ganz maßgeblich Räume für systemische Perspektiven als Herausgeberin der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung – eine Aufgabe, die sie nunmehr seit 15 Jahren mit einer unglaublichen Energieleistung alleine stemmt. Sie hat der Zeitschrift ein Profil gegeben, das die Aufmerksamkeit vor allem auf die systemische Arbeit mit vielfach Benachteiligten in unserer Gesellschaft legt. Ihre professionelle Herkunft aus der Arbeit mit hörgeschädigten Menschen ist dabei immer als Hintergrund einer humanistischen Position des „Beisteuerns“ von Möglichkeitsideen ohne vorschnelles Verfallen in Lösungseuphorien zu erkennen. Den Begriff des Beisteuerns hat sie von Wolfgang Loth übernommen – und in einem Text für die systhema aus dem Jahre 2011 schildert sie anhand von zwei Fallbeispielen, wie man diese Begrifflichkeit in die Praxis angesichts existenzieller Lebensfragen nutzbar machen kann. Darüber hinaus und vor allem aber gilt ihr publizistisches Profil der ZSTB dem gesellschaftlichen Umgang mit Fragen der interkulturellen Begegnung und Kommunikation, der Migration und den sozialen und rassistischen Diskriminierungen, denen Migranten in unserer Gesellschaft ausgesetzt sind. Kein anderes systemisches Journal hat eine solche Vielzahl an Themenheften zu diesem Fokus aufzuweisen. Neben ihren Editorials, in denen sie immer engagiert Partei für die Benachteiligten und Ausgegrenzten ergreift, hat sie unzählige Rezensionen verfasst, eine Gattung, die leider in unserem Feld viel zu wenig gepflegt wird.
Liebe Cornelia, für die systemische Szene sind deine Aktivitäten ein großer Gewinn. Dafür gebührt dir unser aller Dank! Ich hoffe, dass wir auch in Zukunft von deiner Erfahrung, deinen fachlichen Perspektiven und deiner publizistischen Energie weiter profitieren können. Dass Dir dafür die Lust, Energie und Gesundheit weiter zur Verfügung steht – gerade an einem Tag der Bundestagswahl, bei dem die Migrantenfeindlichkeit das Hauptthema des Wahlkampfes war – wünsche ich dir von Herzen!
Herzliche Grüße, Tom