Das neue Heft der systhema ist dem Thema Auf den Spuren hilfreicher Veränderungen die Suche nach dem Sinn gewidmet – und wer den Titel aufmerksam betrachtet, findet sogleich die Spur zu Wolfgang Loth darin, der heute 60 Jahre alt wird. Auf den Spuren hilfreicher Veränderungen
ist der Name seines Buches, das 1998 im verlag modernes lernen in Dortmund erschienen ist.
Eine Vielzahl von hilfreichen Spuren gelegt und hinterlassen hat Wolfgang Loth selbst schon zuvor und seitdem immer wieder. Auch wenn er persönlich die Scheinwerfer der Öffentlichkeit nicht unbedingt sucht, ist er in der systemischen Publikationsöffentlichkeit, sei es in Büchern, Zeitschriften oder im Internet immer präsent und auf der Höhe der Diskurse. Von Anfang an hat er zum Gelingen des systemagazin mit seinen Texten beigetragen.
Die Suche nach dem Sinn trifft in besonderer Weise das Programm, das Wolfgang Loth immer schon umgetrieben hat und für fortwährende Anregungen aus seiner Feder bürgt. Seine Rezensionen sind Legion und bezeugen die unglaubliche Reichweite seines intellektuellen Wahrnehmungshorizontes. In der splendid isolation, in der sich unser deutschsprachiger systemischer Diskurs leider – mittlerweile – befindet, gehört er zu den wenigen, die ausländische Bücher nicht nur lesen, sondern auch darüber schreiben. Seine umfangreiche Bibliothek scheint er immer irgendwie im Kopf zu haben und kann daher jederzeit mit überraschenden Literaturempfehlungen aufwarten. Er ist ein großartiger Lektor, dem ich mich jederzeit blind anvertrauen kann, weil er nicht nur über ein außerordentlich kritisch-präzises Auge verfügt, sondern mit seinen Empfehlungen dazu beiträgt, dass aus guten noch bessere Texte werden (und ein Max-Frisch-Motto, über das man an jeder Ecke stolpert, das aber nicht belegt werden kann, fliegt dann eben raus
).
In den wichtigen Debatten des eigentlich viel zu debattenarmen systemischen Diskurses ist seine Stimme unverzichtbar, in seiner Verteidigung des Bewahrenswerten am systemischen Ansatz geht es dabei gerade nicht um die Kanonisierung vermeintlich gesicherter Wissensbestände, sondern um den unermüdlichen Versuch, systemisch-konstruktivistische Denken als eine spezifische Form der Beobachtungs- und Reflexionspraxis lebendig zu halten und zu kultivieren, ohne sie von vorneherein spezifischen (ökonomischen, berufspolitischen, rechtlichen) Verwertungsinteressen zu unterwerfen oder gar zu opfern. Diese Denkpraxis versorgt sich mit Stoff eben nicht nur aus dem – immer häufiger anämischen und oberflächlichen – Fundus aktueller systemischer Neuerscheinungen, sondern greift grenzüberschreitend in jede Richtung aus, in der mit Ideen zu rechnen ist – und landet beispielsweise bei Jaspers.
Wolfgang Loths Beobachtungs- und Reflexionsarbeit gilt dabei aber nicht nur der Theorie, sondern auch einer therapeutischen und beraterischen Praxis (u.a. als Leiter einer Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder), die Hilfe als einen kooperativen Entdeckungs- und Entwicklungszusammenhang und gemeinsame Sinn-Konstruktion von Hilfesuchendem und Helfendem begreift und sich der Vereinnahmung durch ein evidenzbasiertes medizinisches Paradigma widersetzt. Das Beisteuern hilfreicher Perspektiven – mit Wärme und Empathie – im Beratungsprozess und seine Tätigkeit als Ideenbroker im systemischen Diskurs sind nicht zu trennen, weil sie der gleichen Wurzel entspringen, nämlich dem Konzept eines Reflective Practitioners (Donald Schön), der keine wissensbasierten Standardsituationen abarbeitet vulgo behandelt, sondern der aufmerksamen Bearbeitung jeweils spezifischer und einzigartiger Problemlagen reflexive Einsichten abgewinnt, die er jederzeit und kostenlos allen zur Verfügung stellt, die es hören und lesen wollen – und das immer straight from the heart! Was für ein Gewinn.
Lieber Wolfgang, alter Rockn Roller, mögen uns Deine Wanderungen durch Theorie, Literatur und Praxis noch lange erhalten bleiben. Zum Geburtstag alles Gute!
Zum aktuellen Heft für Wolfgang Loth haben unter anderem Kurt Ludewig, Jürgen Hargens, Peter Kaimer, Andreas Manteufel, Jürgen Kriz, Renate Jegodtka, Peter Luitjens, Cornelia Tsirigotis und Haja Molter beigetragen.
Zu den vollständigen abstracts