Cornelia Tsirigotis ist systemagazin-Lesern auch schon lange vertraut. Heute öffnet sie die Leiterin einer Frühförder-Einrichtung in Frankfurt am Main und Herausgeberin der„Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung“ das Kalendertürchen mit ihren Erinnerungen an die ersten Begegnungen mit Haja Molter, ihrem Lehrtherapeuten am Weinheimer Institut:
„Ob ein Ton richtig ist oder nicht, bestimmt der der nächste Ton (Haja Molter zitiert Miles Davis über den Jazz)
Es war 1994, ich war seit einiger Zeit in der Frühförderstelle tätig und merkte, dass ich mich mich unbedingt familienorientiert weiterbilden wollte. Mit dem Kommentar: Systemische Denkweise könnte Dir gut liegen gab mir meine damalige Supervisorin in Aachen Haja Molters Telefonnummer, sie macht eine Supervisorensupervisionsgruppe bei ihm. Haja meldete sich sofort, ich bekam Kontakte mit dem IF-Weinheim, einige Wochen später befand ich mich im Vorbereitungs-Schnupperkursus der Weinheimer Familientherapieausbildung.
Was das Beflügelnde war, kann ich nur schwer in Worte fassen. Die vielfältigen Denk- und Handlungsanregungen lassen sich kaum mit Worten beschreiben. Mir gefiel die nicht pathologisierende Denkweise, die sich so wohltuend aus dem in meinem Arbeitskontext damals noch vorherrschenden Störungs-Behinderungsdenken abhob. Die sokratische Mäeutik, die Kunst, systemisch die Kompetenzen und Ressourcen aus den KlientInnen zu erfragen, dockte bei mir besonders anschlussfähig, hatte ich doch als Altsprachlerin in der Schule Freud und Leid mit Sokrates Fragerei gehabt. Mir tat Hajas ruhige Gelassenheit wohl, seine sanft mahnende Erinnerung, mit ganz leicht schräg gelegtem Kopf (der mich an meinen weisen älteren Bruder erinnerte): Es könnte auch ganz anders sein.
Das alles sind nur Einzelspots, das Gesamtbild fällt mir schwer, aus meinen Erinnerungsfetzen zu malen. Als wir mal heftige Auseinandersetzungen mit dem Lehrtherapeutenteam Haja und Heiner Ellebracht hatten, fiel der oben zitierte Satz vom richtigen Ton im Jazz. Meine innere Haja-Stimme in meinem inneren Team nutzt diesen Satz öfter.
Von systemischer Vielfalt Stück für Stück in die eigene Alltagsarbeit implementieren zu können, das wars: Ihr habt jetzt ein Fass Wein im Keller. Trinkt es Glas für Glas!, so Hajas Abschiedssatz nach einer dichten Seminarwoche.
Vielleicht für mich das Wichtigste: Ressourcenblick auf mir selbst zu spüren und in meiner Eigenständigkeit unterstützt und ermutigt zu werden. Ressourcenblick auf mir hat geholfen, aus einer Kultur des Tadels auszusteigen und eine Kultur der Wertschätzung als orientierendes Ziel vor Augen zu haben. Meine Aufgabe als Lehrtherapeut sehe ich darin, schöpferische Distanz zu wahren, liebevolle Einfühlung aufzubringen, Verantwortung für meine soziale Wahrnehmung zu übernehmen, um die Autonomie in der Gruppe zu fördern
und mich so authentisch wie möglich zu verhalten… (Molter 1998 s. 7)
Danke, Haja!“