Luhmann, Niklas (2009): Zur Komplexität von Entscheidungssituationen. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 3-35.
abstract: Der Entscheidungsbegriff kann am besten von einem Handlungsbegriff ausgehend definiert werden, der die Frage der Zurechnung einer Selektion in den Mittelpunkt stellt. Die Entscheidung ist dann ein Spezialfall einer Handlung in Form einer dem Handelnden zurechenbaren relationalen Thematisierung der Selektion seines Handelns. Wenn man so optiert, müssen die klassischen Annahmen der Entscheidungstheorie überdacht werden. Im Zentrum des Interesses stehen nun die Entscheidungssituation und mit ihr der Begriff der Komplexität aufgrund der Kontingenz des Entscheidens. Entsprechend muss der Begriff der Rationalität neu gefasst werden, der nun über die Frage der Berücksichtigung von Entscheidungsbeschränkungen bestimmt wird. Daran schließen sich weitere Fragen an: die nach der Bindung einer einmal getroffenen Entscheidung, der Informationsbeschaffung, des Anspruchsniveaus, der Bedeutung von Zeit, der Bestimmbarkeit von Komplexität, der Reflexivität des Entscheidungsprozesses. Abschließend wird nach der Operationalisierbarkeit der skizzierten Entscheidungstheorie sowie nach einem möglichen Zusammenhang von Entscheidungs- und Systemtheorie gefragt.
Ortmann, Günther (2009): Luhmanns entscheidungstheoretische Erwägungen. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 36-45.
abstract: Dieser Kommentar attestiert Luhmanns Beitrag „Zur Komplexität von Entscheidungssituationen“ eine erstaunliche Nähe zur kontingenztheoretischen Argumentation des situativen Ansatzes der Organisationsforschung, situiert ihn innerhalb der erheblichen Modifikationen der Luhmannschen Entscheidungstheorie und weist auf einige ihrer Aporien oder doch Schwierigkeiten hin.
Seidl, David (2009): Kollektive Entscheidungen und soziale Komplexität. Ein Kommentar vor dem Hintergrund der Entscheidungsforschung in der Betriebswirtschaftslehre. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 46-53.
abstract: Der vorliegende Beitrag kommentiert Luhmanns Vorschlag zur Reformulierung der entscheidungstheoretischen Grundlagen vor dem Hintergrund der neueren Entwicklungen im Bereich der betriebswirtschaftlichen Entscheidungsforschung. Zunächst werden die Umstellung auf Komplexität als Leitbegriff der Entscheidungstheorie sowie die Aufhebung der Unterscheidung zwischen Entscheidung und Entscheidungssituation als zentrale Beiträge der Luhmannschen Ausführungen herausgestellt, die auch für die heutige Forschung noch von besonderem Interesse sind. Im Anschluss daran befasst sich der Beitrag mit den Besonderheiten kollektiver Entscheidungen, die in den Luhmannschen Ausführungen nicht klar genug gegenüber Individualentscheidungen abgegrenzt werden. Des weiteren wird die besondere Rolle sozialer Komplexität als zentraler Aspekt der Entscheidungstheorie herausgestellt, der in den Luhmannschen Ausführungen lediglich angesprochen, aber nicht ausreichend thematisiert wird. Abschließend würdigen wir nochmals die spezifische Bedeutung der Luhmannschen Theorievorschläge für die heutige Entscheidungsforschung.
Esposito, Elena (2009): Zwischen Komplexität und Beobachtung: Entscheidungen in der Systemtheorie. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 54-61.
abstract: Die Systemtheorie hat sich in den mehr als dreißig Jahren, die uns von den hier kommentierten Text trennen, tief verändert: Der Zeitraum bietet uns die Gelegenheit und die Distanz, um die Differenzen festzustellen und ihre Reichweite für die Theorie zu verstehen. Luhmann benutzte in jenen Jahren Beispiele und Verweise auf die Literatur auf eine ganz andere Weise als einige Jahrzehnte später. Der Beitrag analysiert Analogien und Differenzen in der Art und Weise Luhmanns, die Probleme zu formulieren und zu diskutieren und führt sie auf die Evolution der Voraussetzungen der Theorie zurück – insbesondere auf die Einführung der Differenz Operation/Beobachtung. Die Systemtheorie wird dadurch viel autonomer und selbstbezogener – mit Vorteilen und Nachteilen, die aufgezeigt und kommentiert werden.
Willke, Helmut (2009): Zur Komplexität der Entscheidungstheorie. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 62-72.
abstract: Luhmanns Text zeigt einen frühen Versuch, den Entscheidungsbegriff systemtheoretisch adäquat zu fassen und ihn zum einen an die Entscheidungssituation, zum anderen an die Kategorie der Komplexität anzubinden. Luhmann definiert Entscheidung noch vom Handlungsbegriff her, während er in späteren Arbeiten sich von diesem handlungstheoretischen Erbe löst und den Handlungsbegriff dezidiert dem Kommunikationsbegriff unterordnet. Gerade diese Komplikation macht den Text als Studienobjekt für Theorieentwicklung aufschlussreich. Die Reflexion zum Text bindet diesen in eine lange Reihe der Revisionen der klassischen Entscheidungstheorie ein – insbesondere Revisionen der Konzeptionen von Rationalität, Zweck-Mittel-Beziehung, der Relation von Person und Organisation und des Verhältnisses von Handlung, Kommunikation und Wissen.
Mascareño, Aldo & Daniel Chernilo (2009): Obstacles and Perspectives of Latin American Sociology: Normative Universalism and Functional Differentiation. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 73-97.
abstract: Der vorliegende Aufsatz versucht die Erkenntnisblockaden der lateinamerikanischen Soziologie, die die Auffassung der Moderne Lateinamerikas in den 19. und 20. Jahrhunderten geprägt haben, zu beschreiben und zu überwinden. Drei Erkenntnisblockaden –struktureller, normativer und methodologischer Art– werden identifiziert und als wesentliche Elemente eines konstruierten Vorbildes der lateinamerikanischen Moderne verstanden. Das Werk klassischer lateinamerikanischer Soziologen wie Gino Germani, Fernando H. Cardoso und Enzo Faletto wird danach analysiert und als Grundlage für den Entwurf einer soziologischen Beschreibung Lateinamerikas als ein regionaler, partikulärer Weg innerhalb der modernen Weltgesellschaft konzipiert. Mittels einer Kombination systemtheoretischer Soziologie und kosmopolitischer Gesellschaftstheorie entfalten wir eine alternative Perspektive, die darauf gerichtet ist, die lateinamerikanische Moderne zugleich als universal (weltgesellschaftlich) und partikulär (lateinamerikanisch) zu erfassen.
Vogd, Werner (2009): Systemtheorie und Methode? Zum komplexen Verhältnis von Theoriearbeit und Empirie in der Organisationsforschung. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 98-137.
abstract: Im Sinne einer naturalistischen Epistemologie erlaubt die Systemtheorie den autologischen Rückschluss auf die Bedingungen der eigenen Forschungspraxis. Das Verhältnis von Empirie, Theorie und Methodologie wird hiermit komplex. Dies bedeutet jedoch nicht, auf eine methodologisch strukturierte Forschung verzichten zu müssen. Letztere wird möglich, indem im Design eines Forschungsprozesses in selektiver Weise öffnende, theoriegenerierende (Gegenstandstheorie) als auch schließende, theoriestabilisierende Momente (Metatheorie) miteinander in Beziehung gesetzt werden. Mit Blick auf eine systemtheoretisch inspirierte Organisationsforschung wird die Praktikabilität wie auch Fruchtbarkeit dieser Unterscheidung anhand der Frage nach der komplexen Beziehung zwischen Interaktion, Organisation und Gesellschaft durchgespielt. Anschließend wird am Beispiel eines Behandlungsprozesses einer nicht mehr therapierbaren internistischen Patientin illustriert, wie eine systemtheoretische Rekonstruktion davon profitieren kann, sich bestimmte theoretische Leerstellen offenzuhalten.
Marton, Attila (2009): Self-Referential Technology and the Growth of Information. From Techniques to Technology to the Technology of Technology. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 138-159.
abstract: Dieser Artikel ist ein Versuch, Technologie selbst als ein Gebiet soziologischer Forschung zu erarbeiten. Bis jetzt wurde Technologie zumeist als ein nicht-soziales Artefakt gehandhabt und nur ihr Einfluss auf die moderne Gesellschaft war für Sozialforscher von Interesse. Diese herkömmliche Sichtweise basiert auf der Cartesianischen Subjekt/Objekt Dichotomie in der Form Gesellschaft/Technologie. Gegenwärtige technologische Entwicklungen jedoch widerlegen diesen sozialwissenschaftlichen Zugang. Technologie ist am Sprung zur operationalen Schließung, zum re-entry und somit zur Selbstreferentialität. Eine systemtheoretische Herangehensweise an Technologie, als funktionierende Simplifizierung und Containment, könnte sich als viabler Ausgangspunkt herausstellen, um eine abstraktere und akkuratere Konzeptualisierung von Technologie zu erreichen. In den letzten Abschnitten wird die Arbeit von Kallinikos über „Information Growth“, ein Versuch Technologie als ein systemisches und paradoxes Konzept zu beobachten, vorgestellt. Schlussendlich schlägt der Artikel eine neue Herangehensweise an den Technologiebegriff vor, welcher auf folgenden drei Bausteinen beruht: 1) eine operationale und nicht artefaktbasierte Definition der Technologie, 2) die Ausdifferenzierung der Technologie als historische Entwicklung und 3) das re-entry der Technologie in der Form der Technologie zweiter Ordnung.
Kohl, Tobias (2009): Zum Militär der Politik. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 160-188.
abstract: In diesem Artikel soll eine meist auf spezifisch organisationale Problemstellungen begrenzte Sichtweise auf das Militär durch eine gesellschaftstheoretische Perspektive im Sinne der Systemtheorie Luhmanns ergänzt werden. Dabei geht es nicht um eine historische oder empirische Analyse, sondern um grundlegende Ansätze einer systemtheorieimmanenten Ausarbeitung: Es wird gezeigt, wie sich das Militär als Organisation und funktionales System fassen lässt. Zentrale These ist, dass sich das Militär über die Organisation von Gewaltpotential politikintern als eigenständiges funktionales Subsystem ausdifferenziert, wobei Gewalt als eigenes Kommunikationsmedium verstanden wird. Die Funktion des Militärs liegt in einem engen Bezug zu der Funktion der Politik und dient der Sicherung bzw. Ermöglichung von Machtkommunikation. Es wird gezeigt, wie das Militär die Funktion der Politik – das Bereithalten der Kapazität zu kollektiv bindendem Entscheiden – über die Konstruktion von Bedrohungen unter strategischen Gesichtspunkten ermöglicht und in Frage stellt. Basal ist dabei die Darstellung der Autopoiesis des Militärsystems über eine selbststrukturierte Selektivität der Verknüpfung und Reproduktion der konstituierenden Elemente, die als gewaltförmig gefasst werden. Die operationale Geschlossenheit wird ermöglicht über einen Code, der Gewalt unter strategischen Kalkülen reflexiviert: die Orientierung an organisierter Gegengewalt.
Stollberg, Gunnar (2009): Das medizinische System. Überlegungen zu einem von der Soziologie vernachlässigten Funktionssystem. In: Soziale Systeme 15 (1): S. 189-217.
abstract: Der Aufsatz traktiert zentrale Aspekte systemtheoretischer Analyse und Beobachtung von Funktionssystemen im Hinblick auf das Feld von Krankheit und Gesundheit. Die Reihenfolge der Abschnitte entspricht systemtheoretischer Architektonik: Behandelt werden Ausdifferenzierung, Code, das spezifische symbolisch generalisierte Kommunikationsmedium bzw. spezifische autopoietische Elemente, ferner Programme, Organisationen sowie die Reflexionstheorien. Die systemtheoretische und medizinsoziologische Literatur zu den jeweiligen Aspekten wird vorgestellt und kritisch kommentiert. Dies gilt insbesondere für die Debatten um den medizinischen Code und damit die Frage, ob das Medizinsystem autonom ist oder ob Medizin- und Präventionssystem Subsysteme eines Gesundheitssystems bilden. Der Beitrag spricht sich für Luhmanns Codierung gesund/ krank und gegen die These zweier Subsysteme ausgesprochen, wie sie von Autoren wie Bauch, Hafen und Pelikan vorgeschlagen werden. Befunde können diesem System als spezifisches Kommunikationsmedium oder als spezifische Elemente zugeordnet werden. Luhmanns Thesen von der perversen Vertauschung der systemischen Werte und vom Mangel an medizinischen Reflexionstheorien werden nicht geteilt.
Holzer, Boris & Johannes F.K. Schmidt (2009): Theorie der Netzwerke oder Netzwerk-Theorie? In: Soziale Systeme 15 (2): S. 227-242.
abstract: Ausgehend von der Beobachtung, dass der Netzwerkbegriff einerseits in den letzten Jahren innerhalb wie außerhalb der Wissenschaften eine beispiellose Erfolgskarriere durchlaufen hat, er aber andererseits gerade dadurch an begrifflicher Schärfe zu verlieren droht, fragt der Beitrag nach der Möglichkeit einer theoretisch kontrollierten Begriffsverwendung. Die im wesentlichen empirisch orientierte soziologische Netzwerkforschung (SNA) hat hierzu lange Zeit ebenso wenig beigetragen wie die aus der Physik stammende, an das Theorem der „small world“ anschließende interdisziplinäre Forschung. Für eine soziologischen Respezifizierung des interdisziplinären Netzwerkbegriffs stellt sich die Frage, ob eine Netzwerktheorie als Alternative zu bestehenden Theorieprogrammen aufgefasst wird und der Netzwerkbegriff dementsprechend als ein Grundbegriff zu verstehen ist, oder ob soziale Netzwerke nur als Gegenstände soziologischer Forschung zu berücksichtigen und dabei die Begrifflichkeiten etablierter Paradigmen allenfalls entsprechend zu ergänzen sind. Als paradigmatische Fälle für diese Problemstellung werden die konstruktivistische Netzwerktheorie Harrison Whites und die Systemtheorie Niklas Luhmanns angeführt, wobei trotz der grundsätzlich unterschiedlichen Ausgangsannahme beider Ansätze eine Reihe von Berührungspunkten identifiziert werden können.
Tacke, Veronika (2009): Differenzierung und/oder Vernetzung. Über Spannungen, Annäherungspotentiale und systemtheoretische Fortsetzungsmöglichkeiten der Netzwerkdiskussion. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 243-270.
abstract: Ausgehend von der Beobachtung, dass es soziale Systeme und soziale Netzwerke im empirischen Sinne „gibt“, die entsprechend einschlägigen soziologischen Theorieansätze aber grundbegrifflich unvereinbar sind, fragt der Beitrag nach Möglichkeiten und produktiven Perspektiven, beide Phänomene gleichwohl zusammenhängend zu beschreiben. Im heuristischen Rückgriff auf die Theoriefigur des Wiedereintritts von Differenzen (Re-entry) wird im ersten Schritt eine Pluralität der Beschreibungsmöglichkeiten von Systemen und Netzwerken anhand vorliegender Argumente auf beiden Theorieseiten rekonstruiert. Die als Effekt der Re-entries offengelegten Zusatzperspektiven und Spannungen werden im zweiten Teil als nicht nur theoretisch, sondern auch empirisch relevante Gesichtspunkte rekonstruiert und als Möglichkeit und Herausforderung einer auch theoretisch weiterführenden Beschreibung von sozialen Netzwerken im Kontext der Systemtheorie sichtbar gemacht.
Baecker, Dirk (2009): Systems, Network, and Culture. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 271-287.
abstract: Der Aufsatz vergleicht die Theorien sozialer Systeme und sozialer Netzwerke im Hinblick auf ihre jeweilige Problemstellung. Die Systemtheorie konzentriert sich auf Probleme der Differenz und Reproduktion, während sich die Netzwerktheorie mit Problemen der Identität und Kontrolle beschäftigt. Erstere hat es mit Fragen der Kommunikation, letztere mit Fragen der Handlung zu tun. Um diese unterschiedlichen Akzentsetzungen zu verstehen, mag es sinnvoll sein, sich daran zu erinnern, dass die Systemtheorie ein Zeitgenosse der Erfindung des Computers ist, während die Netzwerktheorie trotz älterer Wurzeln ihren Erfolg der Einführung des Internets und damit einhergehender Phänomene verdankt. Der Aufsatz vergleicht die beiden Ansätze im Hinblick auf Fragen der mathematischen Modellierung, der Kultur und der Selbstreferenz, die interessanterweise eng miteinander zusammenhängen. Der Beitrag schließt mit einer Erinnerung an Bronislaw Malinowskis „wissenschaftliche Theorie der Kultur“ und macht einen Versuch, diese mithilfe einer Spencer-Brown-Gleichung mathematisch zu modellieren. Man erhält die Form der Unterscheidung von Kommunikation, Bewusstsein und Leben und damit das Netzwerk drei reproduktionsfähiger Systeme.
Fuhse, Jan (2009): Die kommunikative Konstruktion von Akteuren in Netzwerken. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 288-316.
abstract: Der Aufsatz verknüpft die Theorie sozialer Netzwerke von Harrison White und anderen mit der Kommunikationstheorie von Niklas Luhmann. Netzwerke als Sinnstrukturen entstehen aus der Logik des Kommunikationsprozesses, indem Kommunikation als Handeln auf personale Identitäten zugerechnet wird. Auf diese Weise werden Akteure als relativ stabile Einheiten mit Dispositionen zu bestimmten Handlungen konstruiert. Damit kristallisieren in der Kommunikation Erwartungen über das aufeinander bezogene Verhalten von Akteuren in relationalen Narrativen (‚stories’). Soziale Beziehungen lassen sich darauf aufbauend als soziale Systeme fassen, die mehrere Interaktionsepisoden überspannen und strukturieren, und in denen Kommunikation vor allem an der Mitteilungskomponente in vorangegangener Kommunikation ansetzt. Soziale Netzwerke bilden damit die Verknüpfung von kommunikativ konstruierten Akteuren in relationalen Stories bzw. dyadischen Sozialsystemen. Sie sind als Sinnstrukturen selbst Produkte des Kommunikationsprozesses und stabilisieren und verändern sich in diesem.
Morgner, Christian (2009): Weltmedienereignisse als Netzwerke. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 317-344.
abstract: Der vorliegende Aufsatz beschäftigt sich mit dem Phänomen des Weltmedienereignisses. Die soziologische Forschung hat sich bisher sowohl auf theoretischer wie empirischer Ebene nur zaghaft mit diesem Begriff auseinandergesetzt. Ziel ist es deshalb, anhand einiger empirischer Beispiele (11. September 2001, Attentat auf John F. Kennedy, Untergang der Titanic) entsprechende Begrifflichkeiten zur Beschreibung dieses Phänomens zu erarbeiten. Dabei ist die spezifische Eigenlogik zu analysieren, die die Generierung solcher Ereignisse ermöglicht. Neben Mitteln der Systemtheorie greift der Aufsatz auch auf Überlegungen der Netzwerktheorie (Harrison White) zurück. Anhand von Termini wie Netdom, Hyperzyklus, Leitdifferenz etc. entwickelt der Text ein umfangreiches Inventar an Begriffen zur Beschreibung von zeitlichen, sozialen und sachlichen Aspekten von Weltmedienereignissen.
Fuchs, Stephan (2009): The Behavior of Cultural Networks. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 345-366.
abstract: Bis vor kurzem hat sich die Netzwerkforschung kaum um die kulturelle Dimension von Netzwerken gekümmert, und die Systemtheorie sieht Kultur lediglich als semantisches Korrelat und Echo sozialer Strukturen. Demgegenüber wird hier vorgeschlagen, Kulturen als Netzwerke eigener Art zu verstehen, und deren Verhalten netzwerktheoretisch zu analysieren. So differenzieren sich kulturelle Netzwerke beispielsweise in Kernbereiche und Peripherien aus, mit unterschiedlicher charakteristischer Phänomenologie. Im Kern kultureller Netzwerke findet sich ein robuster und dogmatischer Realismus, zumal dann, wenn das Netzwerk Monopolstellung einnimmt und eine hierarchische Ordnung von oben beherrscht.
Laux, Henning (2009): Bruno Latour meets Harrison C. White. Über das soziologische Potenzial der Netzwerkforschung. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 367-397.
abstract: Der Beitrag widmet sich einem Vergleich der soziologischen Ansätze von Bruno Latour und Harrison C. White. Damit werden zwei Autoren in einen Dialog verwickelt, die in der Forschungsliteratur bislang merkwürdig indifferent nebeneinander stehen. Im Rahmen einer konfrontativen Lektüre werden zentrale Divergenzen, Konvergenzen und Komplementaritäten zwischen den beiden Netzwerktheorien sichtbar. Die bislang implizit (und explizit) vertretene These einer Unvereinbarkeit muss bei genauerer Betrachtung suspendiert werden. In der Gegenüberstellung wird zudem der netzwerktheoretische Beitrag zur soziologischen Theoriebildung entfaltet. Es zeigt sich, dass White und Latour bereits in der gegenwärtigen Bauphase ihrer Theoriegebäude einige innovative und plausible Alternativen zur etablierten Soziologie anbieten können.
Braun, Norman & Thomas Gautschi (2009): Soziale Netzwerke und Rational Choice. In: Soziale Systeme 15 (2): S. 398-427.
abstract: Entsprechend einer weitverbreiteten Ansicht stellen soziale Netzwerke und ihre Eigenschaften für die Rational-Choice-Theorie gegebene, unabhängige Variablen dar. Allerdings bilden die Entstehung, Stabilisierung und Veränderung von sozialen Netzwerken und ihre Folgen seit geraumer Zeit Schwerpunkte der Erklärungsbemühungen von Rational-Choice-Theoretikern. Dies wird im folgenden Beitrag für die Entstehung von Tauschmustern und Aufteilungen von Tauschgewinnen, die Etablierung und Fortführung von Vertrauensbeziehungen sowie die Partnerwahl und Kooperation in Netzwerken erläutert.