Heft 1
Funcke, Dorett, Christina Hunger-Schoppe & Arist von Schlippe (2020): Editorial: Geschwister. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 1-1.
Abstract: Sich von einem Ehepartner zu trennen mag – und selbst das ist oft schwer – gelingen. Die Gesellschaft sieht für diesen Fall sogar formale Wege vor. Geschwistern dagegen bleibt man lebenslang verbunden, und auch wenn man sich von ihnen lossagt, bleiben sie Geschwister – es gibt kein Ritual für eine Auflösung dieser Verbindung. Geschwister bleiben aneinander gebunden, sei es im glücklichen Fall in Liebe, sei es unter weniger günstigen Umständen in Distanz oder gar Hass und Groll über alte Verletzungen. All dies hat nicht zuletzt damit zu tun, dass man mit seinen Geschwistern meist die prägenden Jahre seines Lebens in (oft auch körperlich) enger Bezogenheit verbracht hat. Dabei werden aus den unterschiedlichen Geschwisterkonstellationen heraus elementare soziale Umgangsformen erprobt und erlernt – helfen, verhandeln und teilen, Verantwortung übernehmen und streiten. Auch werden elementare Erfahrungen mit Gleichheitsanspruch und Konkurrenz gemacht. Vor allem aber werden Gefühle erlebt, meist in allen ambivalenten Varianten und Extremen kindlicher Affektivität – Liebe, Rivalität, Eifersucht, Wut, Neid, Freude, Angst und Schmerz. Wohl nicht zufällig erzählt die Bibel in einer ihrer frühesten Geschichten von einem tödlichen Streit zwischen Brüdern … Bereits vor über 100 Jahren wurde das Thema »Geschwister« von Alfred Adler in den Blick genommen, doch bis heute wurde ihm vielfach nicht die Aufmerksamkeit zuteil, die ihm eigentlich zukommt. Daher haben wir diesem Thema im vorliegenden Heft viel Raum gegeben.
Hildenbrand, Bruno (2020): Geschwisterkonstellationen in konventionellen Familien. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 4-10.
Abstract: Abseits ausgetretener Pfade wird in diesem Beitrag das Thema Geschwisterkonstellationen unter Rückgriff auf die alttestamentarische Geschichte von Kain und Abel, die Soziologie Georg Simmels, die Triadentheorie und die biologische Anthropologie bearbeitet. Außerdem wird der Blick auf einen durch Genogrammarbeit erschlossenen Fall gerichtet.
Brock, Inés (2020): Stief- und Halbgeschwister – besondere Geschwisterkonstellationen in unkonventionellen Familien. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 12-22.
Abstract: Die Vielfalt von Familienformen, die sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland etabliert hat, ist einerseits ein Zeichen von Flexibilität in Bezug auf Familiengründung und Familienleben, bedeutet aber andererseits eine Herausforderung nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Kinder, was die Gestaltung des Alltags betrifft. In vielen Familien, die sich konventionellen Modellen entziehen, leben Kinder aus unterschiedlichen Herkunftsfamilien und mit verschiedenen geschwisterlichen Verbindungen. Bisher hat sich die Familienforschung wenig mit Geschwistern und nur am Rande mit der Lebensrealität von Stief- und Halbgeschwistern beschäftigt. Auf diese besonderen Geschwisterkonstellationen und die spezielle Familiendynamik fokussiert dieser Beitrag. Dabei wird auch die Perspektive der Eltern in den Blick genommen.
Köhler, Annemaria (2020): Wie Geschwisterkonstellationen die berufsbiografische Entwicklung beeinflussen. Das Beispiel einer Theatertherapeutin. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 24-36.
Abstract: Im vorliegenden Beitrag soll der Zusammenhang von Geschwisterkonstellation und berufsbiografischer Entwicklung expliziert werden. Anhand eines Fallbeispiels wird exemplarisch gezeigt, inwiefern die spezifische Zusammensetzung des Geschwistersystems, das wiederum in weitere Einbettungsverhältnisse eingelassen ist, die Berufswahl prägt. Das komplexe Zusammenwirken biografischer Prägeprozesse wird mithilfe des methodischen Verfahrens der Genogrammanalyse erfasst. Wie die Fallanalyse zeigt, handelt es sich bei der Geschwisterkonstellation um eine wichtige sozialisatorische Ausgangsbedingung, die es zu berücksichtigen gilt, wenn es um die Frage geht, warum aus einer Menge an möglichen Alternativen ein bestimmter Beruf ausgewählt wird.
Heinrichs, Nina & Markus Wenglorz (2020): Geschwisterbeziehungen von Kindern mit psychischen Auffälligkeiten. Wie nehmen Kinder mit psychi- schen Auffälligkeiten die Beziehung zu ihren Geschwistern wahr? In: Familiendynamik, 45 (1), S. 38-49.
Abstract: In unserer Untersuchung haben wir die subjektiven Repräsentationen der Geschwisterbeziehungen – erhoben mit dem »Family Relations Test (FRT)« – aus Sicht von 90 Kindern angeschaut, die in einer Hochschulambulanz für Lehre und Forschung wegen psychischer Auffälligkeiten vorstellig wurden. In etwa einem Viertel der Fälle nehmen Geschwister bei diesen Kindern eine emotional hochbedeutsame Rolle ein. Sie sind damit in der Regel emotional wichtiger als der (leibliche) Vater. Auch wenn die Wichtigkeit noch nichts über die Valenz aussagt, lenkt sie die Aufmerksamkeit darauf, nicht nur Eltern in eine positive (oder zumindest nicht-dysfunktionale) Interaktion mit dem Indexkind zu bringen, sondern auch die Geschwister (stärker) zu berücksichtigen. Es zeigen sich überwiegend kleine Zusammenhänge zwischen den Beziehungsqualitäten (positiv / negativ) und psychischen Auffälligkeiten. Bei Kindern mit Störungen aus dem Spektrum des Sozialverhaltens und / oder der Hyperaktivität ist es vor allem ein Mangel an positiven und nicht ein Zuviel an negativen Gefühlen in den jeweiligen Beziehungen. Da positive und negative Beziehungsqualität nur in kleinem Ausmaß zusammenhing, könnte es hilfreich sein, gezielt an der Steigerung positiver (und nicht nur an der Verminderung negativer) Beziehungsqualität in der Psychotherapie zu arbeiten.
Funcke, Dorett & Sascha Bachmann (2020): Familie – eine riskante Angelegenheit? Gesellschaftliche Veränderungsdynamiken und ihre Folgen. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 50-63.
Abstract: Dieser Beitrag thematisiert den gesellschaftlichen Prozess der Meritokratisierung, wie er sich im Bildungssystem seit mehreren Jahren vollzieht, und dessen Konsequenzen für Familien heute. Die aktuelle Bildungsforschung ist primär darauf ausgerichtet, die Leistung und Bildungserfolge von Schülern zu steigern und Eltern zu diesem Zweck in (vor-)schulische Bildungsprozesse zu involvieren, um dem Arbeitsmarkt möglichst geeignetes Personal zur Verfügung zu stellen. Wir betrachten Familie hier hingegen als Ort, an welchem eine eigensinnige und für die individuelle Entwicklung wie die Familie höchst relevante Form von Bildung stattfindet. Hierfür wird eine soziologische Perspektive auf Familie vorgestellt sowie veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen und zeitdiagnostische Befunde zur Familie skizziert. Damit systemische Therapie Familien dabei unterstützen kann, Familienalltag mit Bildungs- und Leistungsansprüchen zu vereinbaren, werden im Beitrag relevante Praxisaspekte und Vorteile des systemischen Verfahrens reflektiert.
Heller, Ágnes (2020): Zum Gebrauch der Freiheit. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 64-67.
Abstract: Lassen Sie mich mit dem Modellfall beginnen: das Buch Exodus des Alten Testaments. Das Volk der Israeliten entkam aus Ägypten, wo sie in Knechtschaft leben mussten. Sie wurden aus ihrer Knechtschaft befreit, ohne für die Freiheit kämpfen zu müssen – sie erhielten ihre Freiheit als ein Geschenk. Als sie durch die Wüste zogen, verloren sie die Sicherheit, die mit der Knechtschaft einherging. Die Unsicherheit des Lebens in der Wüste weckte die Sehnsucht nach den Fleischtöpfen Ägyptens, zurück zur Sicherheit ihrer Knechtschaft. Dann erhielten sie als göttliches Geschenk ein Grundgesetz in Form der zehn Gebote. Nachdem sie also aus der Sklaverei befreit wurden, erhielten sie nun auch die Möglichkeit, tatsächlich freie Menschen zu werden. Denn nur freie Menschen können über ein Grundgesetz verfügen, das die alleinige Garantie politischer Gleichheit ist. Solch ein Grundgesetz ist die Bedingung dafür, dass Grundrechte möglich werden, einschließlich des Grundrechtes auf Sicherheit. Und wie haben sie die Möglichkeit, als freie Menschen zu handeln, genutzt? Sie haben das goldene Kalb angebetet. Dieser symbolische Beispielfall hat sich oftmals in der Geschichte wiederholt. Zuletzt in der jüngeren Geschichte einiger osteuropäischer Länder – wie in meinem eigenen Land, in Ungarn –, wo die Menschen Freiheit als »Geburtstagsgeschenk« erhielten und nicht in der Lage waren, diese auch zu erhalten. Das hatte viele Gründe, und einer davon war, dass sie die Sicherheit der Knechtschaft gewohnt waren. Obwohl dieses biblische Beispiel der Spannung zwischen Freiheit und Sicherheit sich immer wieder in der menschlichen Geschichte wiederholte, rückte es doch nur selten ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Denn für über zweitausend Jahre gab es nur ein begrenztes Angebot von politischen Institutionen, letztlich wurden alle Nationen von einem König oder von einigen aristokratischen Familien beherrscht. Aristoteles beschrieb die Situation so: Manche Menschen werden frei geboren, andere als Sklaven. Der Ort der Geburt bestimmt den Platz, den ein Mensch bis zu seinem Tod in der sozialen Hierarchie einnimmt, und dasselbe gilt für seine Nachkommen.
Dullenkopf, Anne (2020): »Ich bin ich«, Eine systemische und psychoanalytische Behandlung von Geschwisterrivalität. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 68-71.
Abstract: Im Rahmen meiner Ausbildung zur analytischen und tiefenpsychologischen Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche durfte ich einen Teil der geforderten praktischen Tätigkeit im Familientherapeutischen Zentrum in Neckargemünd (FaTZ) absolvieren. Das FaTZ ist eine tagesklinische familienpsychiatrische Einrichtung, die Eltern mit ihren Kindern mithilfe verschiedener therapeutischer und pädagogischer Ansätze behandelt. Eine systemisch-wohlwollende Grundhaltung zieht sich durch den Klinikalltag und wird dadurch lebendig und spürbar. Durch ambulante Patientinnen und Patienten und meine früheren und aktuellen sozialpädagogischen Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen habe ich einige Erfahrung in der systemischen Arbeit mit Familien gesammelt. Mein besonderes Augenmerk fiel dabei häufig auf jene Kinder in einer Geschwisterreihe, die vermeintlich »unauffällig« waren und nicht im Fokus der elterlichen Aufmerksamkeit standen, weil sie vordergründig weniger oder keinen Anlass zur Sorge gaben. Selbst wenn diese elterliche Aufmerksamkeit für das Sorgenkind eher negativ besetzt ist, so ist doch damit der emotionale Raum, den die Eltern zur Verfügung haben, recht ausgefüllt. Was aber ist mit den Geschwistern von »Sorgenkindern«? Ist es nicht zwangsläufig so, dass sie selbst und deren Bedürfnisse weniger gesehen werden? Meiner Erfahrung nach ist das häufig der Fall und führt in der Folge dazu, dass diese Kinder ihre Bedürfnisse und Gefühle selbst entsprechend wenig wahrnehmen und ausdrücken können.
Averbeck, Birgit (2020): Die Kooperation von Jugendhilfe und Gesund- heitswesen / Psychiatrie: Polynesisches Segeln in unruhigen Gewässern. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 72-75.
Abstract: When people have to deal with conflicts or opposing views they often refer to the term cooperation. But after lengthy discussions the question may be raised if it is more useful not to cooperate. The authors of this article analyse why cooperation is often called for but frequently fails. In this article key prerequisites for successful cooperation are described before the authors present their practical method of ’sYpport‘. ‚SYpport‘ mostly refers to trans-institutional cooperation and focuses on the required attitude of those involved. The authors‘ simple but crucial conclusion is that cooperation requires faith in others.
Bachem-Böse, Gabriele, Michaela Herchenhan & Miee Park (2020): Systemische Haltung in Jugendhilfeeinrichtungen fördern und evaluieren – geht das? In: Familiendynamik, 45 (1), S. 76-79.
Abstract: Die Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie (DGSF) hat ein Verfahren entwickelt, dass es Einrichtungen im psychosozialen Bereich ermöglicht, an einem Besuchsprojekt teilzunehmen und anschließend ein entsprechendes Siegel zu erhalten. Das Siegel (»DGSF-empfohlene Einrichtung«) ist für Einrichtungen gedacht, die eine systemisch-familienorientierte Arbeits- weise als verbindendes grundlegendes Konzept in ihrer Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Angehörigen, den Jugendämtern und weiteren Netzwerken umsetzen. Seit 2013 konnten rund 30 Organisationen auf diese Weise ausgezeichnet werden (Stand: Mai 2019).
Schlippe, Arist von (2020): Was sagt denn der Würfel dazu?. Zurück-Geschaut: Luke Rhinehart (2009): Der Würfler. Berlin (Moewig/Ullstein). In: Familiendynamik, 45 (1), S. 80-81.
Klein, Rudolf (2020): Zum Tode von Hans Schindler (6. 7. 1952 – 8. 10. 2019). In: Familiendynamik, 45 (1), S. 82-82.
Gosert, Julia (2020): Rezension – Dorett Funcke & Bruno Hildenbrand (2018): Ursprünge und Kontinuität der Kernfamilie – Einführung in die Familiensoziologie. Wiesbaden (Springer VS). In: Familiendynamik, 45 (1), S. 83-85.
Stimpfle, Peter (2020): Rezension: Manfred Prior (2018): Punkt, Punkt, Komma, Strich – fertig ist die Lösungssicht. Eintägiger Workshop mit Demonstrationen und Übungen (DVDs). Kriftel (Prior Productions). In: Familiendynamik, 45 (1), S. 85-86.
Schlippe, Arist von (2020): Über die Verwandlung der Empörung. In: Familiendynamik, 45 (1), S. 87-87.
Heft 2
Fischer, Hans Rudi & Günther Emlein (2020): Editorial: Wiederkehr der Theorie oder: Wie die Kurve zurück zur Theorie kriegen? In: Familiendynamik, 45 (2), S. 89-89.
Abstract: Nachdem der über zwei Jahrzehnte dauernde Kampf um die Anerkennung systemischer Therapie als wirksame psychotherapeutische Praxis erfolgreich zu Ende gegangen ist, scheint das Interesse an wohlbegründeter Fundierung therapeutischer Praxis wiederbelebt zu sein. Die Wiederkehr der Theorie, von der hier die Rede ist, ist nicht die eines ehemals Verdrängten, sondern eher eine Rückkehr zum Ausgangspunkt, nämlich der anfangs abstrakten Theorie, um, von deren Quellen gestärkt, in die therapeutische Praxis zu kommen.
Gemäß dem Motto »Nichts ist praktischer als eine gute Theorie« wird das Heft von zwei Freunden der teoria herausgegeben. Hans Rudi Fischer als Philosoph und Günther Emlein als von der Systemtheorie überzeugter Theologe haben eine gemeinsame Geschichte.
Fischer, Hans Rudi, Ulrike Borst & Christina Hunger-Schoppe (2020): Für Arist von Schlippe zum Abschied. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 92-93.
Abstract: Mit diesem Heft ist unser langjähriger Kollege, Arist von Schlippe, als Mit-Herausgeber der Familiendynamik von Bord gegangen. Zum Glück für die Zeitschrift wird er dem Editorial Board der Familiendynamik erhalten bleiben, seinen weiten Horizont und seine diskursive Kompetenz auch weiterhin in den Dienst unserer Fachzeitschrift stellen.
Kleve, Heiko (2020): Vorstellung des neuen Herausgebers: Heiko Kleve. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 93-93.
Duss-von Werdt, Joseph (2020): Anekdotisches zur Entstehung der Zeitschrift FAMILIENDYNAMIK. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 94-94.
Abstract:
Borst, Ulrike (2020): Systemische Therapietheorie und Fallkonzeption. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 96-106.
Abstract: Nach einer Verortung der Systemischen Therapie in philosophischen und medizinisch-konzeptionellen Zusammenhängen wird zunächst ein kurzer Einblick in systemische Störungs- und Krankheitskonzepte, sodann ein Überblick über die theoretischen Überlegungen, die seit jeher die Grundlage und Begründung praktischen Handelns in der Systemischen Therapie bilden, gegeben. Daraus werden dann die Grundorientierungen der Systemischen Praxis abgeleitet. In einem nächsten Schritt werden die Ergebnisse der Psychotherapieforschung auf ihre Passung zu den Überlegungen der vorhergehenden Abschnitte untersucht. Zum Schluss werden Leitfragen zur Fallkonzeption, Therapieplanung und Qualitätsssicherung in der Systemischen Therapie vorgestellt, um dann einige Hinweise zu Modellen der Integration zu geben.
Emlein, Günther (2020): Psychotherapie als polykontexturale Praxis. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 108-118.
Abstract: Theoretische Überlegungen bilden den Rahmen für Psychotherapie und Beratung. Sie dienen einerseits dazu, diese Unterfangen jenseits der Alltagssprache zu interpretieren, andererseits wirken sie als Heuristik – sie legen neue Fährten, die für Gespräche nutzbar sein können. Der Beitrag entfaltet das Konzept der Polykontexturalität des Philosophen Gotthard Günther, wie es besonders von Niklas Luhmann gesellschaftstheoretisch verwendet worden ist, und zeigt dessen Nutzen für die Praxis. Als Analyseinstrument macht es spezifische Aspekte an Fällen sichtbar, als Heuristik ermöglicht es zusätzliche Optionen, die in Gesprächen originelle Wendungen einleiten können.
Fischer, Hans Rudi (2020): Wahrheiten aus der Welt alternativer Wahrheiten. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 120-130.
Abstract: Was machen wir mit Sprache, und was macht Sprache mit uns? Was meinen wir eigentlich mit Worten wie »Wahrheit« oder »wahr«? Wozu gebrauchen wir diese Worte? Müssen wir meinen, was wir sagen, oder sagen, was wir meinen? Was unterscheidet Wahrheit von Irrtum und von Lüge? Der Wahrheitsbegriff ist ins Gerede gekommen und wir müssen fragen: Was ist uns (!) Wahrheit wert? Diese Frage führt ins Herz unseres Diskurses, weil mit ihr der Unterschied zur Lüge scharf gestellt werden muss und das, was das soziale Band der Gesellschaft ermöglicht: Vertrauen. Wann müssen wir Anspruch auf Wahrheit erheben und verteidigen, um der Verwahrlosung unseres Diskurses entgegenzuwirken und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren?Der Artikel versucht anhand aktueller Fälle – mit gelegentlichem Blick in den geistesgeschichtlichen Rückspiegel – zu zeigen, dass es veritable Formen gibt, über das zu sprechen, was der Fall ist, das, was wir meinen, wenn wir das Wort »wahr« im Zusammenhang von Aussagen in den Mund nehmen. Dabei kommen semantische Verwandte in den Fokus, deren Rolle und Funktion bedacht wird: Lüge, Bullshit und Wahrhaftigkeit.
Heller, Ágnes (2020): Beiträge zur Philosophie der autobiographischen Erinnerung. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 132-138.
Abstract: Erinnerung war in der Philosophie von Anfang an eine der wesentlichsten Fragen. Es war immer klar, dass alles, was wir wissen, aus der Erinnerung stammt, und die Erinnerung aus der Erfahrung. Die Frage, die schon am Anfang gestellt wurde, betrifft die Quelle des Wissens, die Erfahrung selbst. Die ersten Philosophen experimentierten mit drei verschiedenen Hypothesen: Sokrates mit der Hypothese, dass alles, was wir wissen, schon in unserem Verstand gespeichert ist. So müssen wir uns bemühen, das gespeicherte Wissen mit Hilfe des Denkens aus unserem Verstand oder unserer Seele herauszuholen. Sokrates (wenn man Platons Bericht Glauben schenken darf ) identifizierte das Vermögen des Wissens, das Vermögen der Erfahrung, mit der Quelle des Wissens selbst. Alle Wahrheiten waren so Vernunftwahrheiten. Platon hat aber entdeckt, dass das Vermögen der Erinnerung selbst nicht das Erinnerte erschafft, dass dieses Vermögen die sogenannte Materie der Erinnerung nicht produziert, obwohl ohne dieses Vermögen überhaupt keine Erfahrung möglich ist. So experimentierte Platon mit der Idee, dass einige menschliche Seelen schon vor der Geburt etwas von der Wahrheit, das Licht des wahren Wissens, gesehen haben und sich später an das bereits Gesehene erinnern. Das heißt, er nahm eine Art von autobiographischer Erinnerung (der Seele) als Vorbedingung des wahren semantischen Wissens an.
Fischer, Hans Rudi (2020): In der Mitte der Welt. Zum Gedenken an Joseph Duss-von Werdt. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 140-144.
Kurthen, Martin (2020): Lichtung des Neuro-Nebels? Zum Streit um die Tragweite neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. In: Familiendynamik, 45 (2), S. 146-162.
Abstract: Die kognitive Neurowissenschaft ist in den letzten drei Jahrzehnten zu einer vermeintlichen neuen Leitwissenschaft stilisiert worden. Dieser »Neuro-Hype« rief einen in der Öffentlichkeitswirkung weniger spektakulären, aber inhaltlich dezidierten Gegen-Hype hervor, der allerdings zu einer überschießenden, pauschalen Herabwürdigung der Neurowissenschaft neigte. Erwartungsgemäß waren beide Hypes inhaltlich unbefriedigend, weil die den Kontroversen zugrunde liegende Fachliteratur, insbesondere im philosophischen Diskussionskontext, allenfalls oberflächlich rezipiert wurde. Eine detailliertere Erwägung legt eine versöhnliche Mittelposition nahe. Dies wird im Folgenden an konkreten Beispielen dargestellt, u. a. im Hinblick auf die neurowissenschaftliche Methodik, den neurowissenschaftlichen Lokalisationismus, die materialistische (Neuro-)Philosophie des Geistes, das Problem der Willensfreiheit und die Frage nach der Sinnhaftigkeit der sogenannten Neuro-Bindestrich-Disziplinen.
Conzen, Peter (2020): Rezension – Ulrike Hollick, Maria Lieb, Andreas Renger & Thorsten Ziebertz (2018): Personzentrierte Familientherapie und -beratung. München (Ernst Reinhardt). In: Familiendynamik, 45 (2), S. 164-165.
Müller, Lutz (2020): Rezension – , Christian Roesler (2018): Paarprobleme und Paartherapie. Theorien, Methoden, Forschung – ein integratives Lehrbuch. Stuttgart (Kohlhammer). In: Familiendynamik, 45 (2), S. 165-167.
Gardecki, Johanna (2020): Rezension – Andreas Eickhorst & Ansgar Röhrbein (2019): Systemische Methoden in Familienberatung und -therapie. Was passt in unterschiedlichen Lebensphasen und Kontexten? Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Familiendynamik, 45 (2), S. 167-168.
Bruchhaus Steinert, Helke (2020): Rezension – Stefan Hammel (2019): Lebensmöglichkeiten entdecken. Veränderungen durch Therapeutisches Modellieren. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Familiendynamik, 45 (2), S. 169-170.
Hafaiedh, Jamila (2020): Rezension – Henri Guttmann, Uschi Scholles & Franz Scholles (2011): Familiengeflüster. Remagen (aktuell-spiele-verlag). In: Familiendynamik, 45 (2), S. 170-171.
Lüscher, Kurt (2020): Kontrapunkt: Praxis zwischen Wissenschaftswissen und Alltagswissen? In: Familiendynamik, 45 (2), S. 175-175.
Heft 3
Borst, Ulrike (2020): Editorial: Expert*innen aus Erfahrung – was Klient*innen und deren Angehörige alles schaffen. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 177-177.
Brändli, Helene (2020): EX-IN – Erfahrungswissen in der Psychiatrie. Persönliche Erfahrungen aus Weiterbildung und Arbeit. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 180-186.
Abstract: Dieser Beitrag schildert aus einer sehr persönlichen Perspektive, wie eigene Erfahrungen mit psychischer Erkrankung und psychiatrischer Behandlung in der Weiterbildung zur Genesungsbegleiterin mit dem Erfahrungswissen anderer Weiterbildungsteilnehmer*innen verknüpft und so für die Begleitung anderer Betroffener nutzbar wird. Chancen und Risiken des Rollenwechsels von der Patientin zum Teammitglied werden diskutiert, die noch weitgehend fehlende berufliche, gesundheitspolitische und finanzielle Anerkennung problematisiert.
Biene, Michael (2020): Kompetente Eltern, zurückhaltende Profis. Das Projekt Triangel und die Systemische Interaktionstherapie (SIT) in der Jugendhilfe. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 188-200.
Abstract: Bereits Ende der 1990er Jahre begann ein Berliner Kinderheim mit dem »Projekt Triangel«, den Einbezug der Eltern von dort platzierten Kindern grundlegend zu überdenken. Indem sich professionelle Helfer*innen immer mehr zurückhielten, gelang es immer besser, häufig beobachtbare Interaktionsmuster zwischen Eltern und Helfer*innen (»Kampfmuster« und »Abgabe- / Abnahmemuster«) zu verändern und die aktive Erziehungsarbeit der Eltern zu stärken. Die Eltern, die mit ihren Kindern zusammen in die stationäre Einrichtung aufgenommen wurden, halfen sich auch immer besser gegenseitig. Aus den Erfahrungen dieses Projekts wurden Haltung und Methodik entwickelt, die im vorliegenden Artikel beschrieben werden und sich mittlerweile unter dem Begriff »Systemische Interaktionstherapie« (SIT) in der stationären wie in der ambulanten Jugendhilfe etabliert haben. Dabei geht es weiterhin in erster Linie darum, Interaktionsmuster zwischen Eltern, ihren Kindern und den Helfer*innen zu erkennen und zu verändern, sodass die Eltern ihre Kompetenzen neu erfahren können. Parallelen zur Multifamilienarbeit nach Asen werden diskutiert.
Ernst, Mareike, Elmar Brähler, Philipp S. Wild, Jörg Faber, Hiltrud Merzenich & Manfred E. Beutel (2020): Erinnertes elterliches Erziehungsverhalten und die Langzeit-Entwicklung von Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 202-212.
Abstract: Die vorliegende Arbeit stellt die Ergebnisse einer Untersuchung über den Zusammenhang mentaler Repräsentationen des elterlichen Erziehungsverhaltens und die psychosoziale Entwicklung von Erwachsenen in einer großen, registerbasierten Stichprobe Langzeitüberlebender von Krebserkrankungen im Kindes- / Jugendalter (N = 951) vor. Diese waren im Kontext der Studien CVSS und PSYNA umfassend medizinisch und psychologisch charakterisiert worden. Der »Fragebogen zum erinnerten elterlichen Erziehungsverhalten« (FEE) umfasst die Dimensionen emotionale Wärme, Kontrolle / Überbehütung und Strafe / Zurückweisung. Bei statistischer Kontrolle der Diagnosegruppe und aktueller psychischer Belastung standen diese in logistischen Regressionsmodellen mit praktisch relevanten Outcomes in Zusammenhang. So war ein größeres Ausmaß erinnerter emotionaler Wärme mit einer Partnerschaft sowie Elternschaft assoziiert, Repräsentationen strafenden / zurückweisenden Elternverhaltens standen in Zusammenhang mit einem niedrigeren Schulabschluss und aktueller Erwerbslosigkeit. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Eltern eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung einer Krebserkrankung im Kindesalter und für positive Langzeit-Outcomes wie soziale Integration, Bildungserfolg und Berufstätigkeit haben.
Ernst, Jochen & Elmar Brähler (2020): Krebskranke Eltern. Folgen für Familie und minderjährige Kinder und Möglichkeiten psychoonkologischer Versorgung. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 214-219.
Abstract: Eine Krebserkrankung betrifft nicht isoliert den Erkrankten, sondern konfrontiert auch das familiäre Umfeld mit vergleichbaren seelischen und sozialen Folgeproblemen. Die psychosozialen Auswirkungen der Krebserkrankung eines Elternteils auf die minderjährigen Kinder sind bislang nur selten untersucht worden, obgleich zwischen 10 % bis 25 % aller erwachsenen Krebspatient*innen Kinder zu versorgen haben. Es gibt weder systematische (Langzeit-)Studien zu epidemiologischen Zusammenhängen oder zur innerfamiliären Krankheitsverarbeitung noch Untersuchungen zum spezifischen Unterstützungs- und Versorgungsbedarf. Die wenigen Befunde verweisen auf die Kumulationen von Belastungen und Problemen in diesen Familien und bei den mitbetroffenen minderjährigen Kindern. Der folgende Artikel thematisiert diese Fragen und stellt ein Manual zur kindzentrierten Familienberatung bei einer elterlichen Krebserkrankung vor (COSIP-Konzept), das zumindest partiell bereits Eingang in die Praxis psychoonkologischer Versorgung gefunden hat.
Egger, Helmut (2020): Stimmen und Sinn – hilfreiche Fragen in der Therapie stimmenhörender Menschen. EFC (erfahrungsfokussierte Beratung) und Maastricht-Interview. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 220-227.
Abstract: Stimmen haben immer mit der Biografie der stimmenhörenden Person zu tun, trotz des Eindrucks, dass hier jemand von »außen« spricht. Diesen Sinn der Stimmen in der Biografie zu finden kann heilsam sein. Bei der Sinnfindung kann das »Interview mit einer stimmenhörenden Person« (Maastricht-Interview) helfen. Die Arbeit mit diesem Interview, die sogenannte Erfahrungsbasierte Beratung (Experience Focused Counselling, EFC), wird vorgestellt und deren Verbindung zur Selbsthilfebewegung stimmenhörender Menschen besprochen. Ähnlichkeiten und Anknüpfungspunkte dieses Ansatzes zur narrativen Therapie (White, Epston) und zum Offenen Dialog (Seikkula) werden aufgezeigt und früheren anderen Ideen in der systemischen Therapie bzw. der Familientherapie zum Umgang mit psychotischen Phänomenen gegenübergestellt. Es wird versucht, hilfreiche Leitlinien für die therapeutische Arbeit mit dem Stimmenhören bzw. mit den Stimmen aus dem Interview abzuleiten.
Hörsting, Ann-Kristin (2020): Tiergestützte Therapie aus systemischer Sicht. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 228-238.
Abstract: Der Tiergestützten Therapie (TGT) wird ein genesungsfördernder Effekt zugeschrieben, wodurch sie andere Therapien auf wertvolle Weise ergänzen kann. Die Bedürfnisse aller beteiligten Lebewesen (Patient*in, Tier, Therapeut*in) müssen dabei berücksichtigt und respektiert werden. Dieser Artikel beschreibt den Ablauf von therapeutischer Arbeit mit Tieren und legt dabei den Fokus auf die systemische Perspektive. Sowohl in Bezug auf die Haltung als auch auf bestimmte Techniken lassen sich eindrückliche Parallelen zwischen der Tiergestützten Therapie (TGT) und der Systemischen Therapie (ST) finden.
Bilger, Manuela (2020): Identitätsentwicklung zwischen zwei Kulturen. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 240-245.
Abstract: Diese Fallgeschichte handelt von Aysun (Name geändert), einer jungen Frau, die in der zweiten Generation in der Schweiz geboren und aufgewachsen ist. Was ihre Wertvorstellungen und Erwartungshaltungen bezüglich der Geschlechterrolle und Freizeitgestaltung betrifft, wurde sie allerdings maßgeblich durch ihren türkischen Ex-Freund und ihre Eltern geprägt. Nachdem sie sich erfolgreich aus der mehrjährigen, missbräuchlichen Beziehung zum Freund lösen konnte, kam es verstärkt zu sogenannten »Annäherungs-Abgrenzungskonflikten« (Kizilhan, 2010) zwischen der traditionellen muslimischen Herkunftskultur der Eltern und den von der jungen Frau erlebten Wertvorstellungen in der Schweiz. Laut Tosic & Streissler (2009) gilt ein solcher Generationenkonflikt mit dem Gefühl, in zwei Gesellschaften zu leben, als ein starker psychosozialer Belastungsfaktor. Dieser kann, wie das Fallbeispiel zeigt, anhaltende Ambivalenzen oder Zerwürfnisse in den familiären Beziehungen zur Folge haben und sich negativ auf die Integration in eine Gesellschaft auswirken (Tosic & Streissler, 2009).
Omer, Haim & Rina Omer (2020): Wirksam Eltern sein in Zeiten von Corona – »Das Kontinuitätsprinzip«. Wie Eltern, Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen Kindern in Zeiten von Corona helfen können. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 246-248.
Abstract: Das sogenannte Kontinuitätsprinzip ist ein Konzept, um Katastrophen zu überwinden und Traumata zu bewältigen. Basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen (Omer, 1991), wurde es in der Zeit um den Ersten Golfkrieg entwickelt. Das Kontinuitätsprinzip betont, wie wichtig es ist, in Krisenzeiten und bei Katastrophenfällen funktionale, zwischenmenschliche und persönliche Kontinuität auf individueller, familiärer, organisatorischer und gemeinschaftlicher Ebene aufrechtzuerhalten bzw. zu sichern. Funktionale Kontinuität meint die Fähigkeit, trotz Widernissen und Störungen handlungsfähig zu bleiben. Zwischenmenschliche Kontinuität bezieht sich darauf, den Kontakt zur Familie, zu Freund*innen, Kolleg*innen und anderen gesellschaftlichen Gruppen, denen man angehört, nicht abreißen zu lassen und aufrechtzuerhalten. Persönliche Kontinuität wiederum bedeutet, sich selbst als Person mit einer kohärenten Identität wahrzunehmen.
Rufer, Martin, Jürgen Hargens & Ulrike Borst (2020): Reaktionen auf den Beitrag von Ulrike Borst, »Systemische Therapietheorie und Fallkonzeption« (Heft 2/20). In: Familiendynamik, 45 (3), S. 250-252.
Abstract: Zum Beitrag von Ulrike Borst, »Systemische Therapietheorie und Fallkonzeption«, im letzten Heft der Familiendynamik (2/20, S. 96 – 106) erreichten uns einige Zuschriften. Mit der ersten Zuschrift denkt Martin Rufer den Beitrag auf sehr persönliche Art weiter und fragt sich, ob bald die Unterscheidung in Therapieverfahren obsolet wird. Mit der zweiten Zuschrift von Jürgen Hargens ist eine Frage angesprochen, die sehr vielen systemischen Therapeut*innen unter den Nägeln brennt. Ulrike Borst antwortet aus der Warte der Autorin und der Vorsitzenden der Systemischen Gesellschaft (SG).
Sauter, Aurora A., Niels Braus, Kevin Schröger & Christina Hunger (2020): Wie nehmen junge Leser*innen die Familiendynamik wahr? – Ein Tagungsbericht. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 254-255.
Abstract: Um die Frage zu beantworten, wie die Familiendynamik von der jüngeren Generation wahrgenommen wird, luden der Verlag Klett-Cotta und die Herausgeber*innen der Familiendynamik am 28. Oktober 2019 ins Stuttgarter Verlagshaus. Hier tauschten sich Thomas Kleffner, der Leiter der Zeitschriften des Verlags, und die Herausgeber*innen der Familiendynamik, Ulrike Borst, Hans Rudi Fischer, Christina Hunger und Arist von Schlippe, zusammen mit Heiko Kleve und Ann-Kristin Hörsting mit einer Gruppe von jungen, engagierten Erwachsenen aus. Diese waren im Rahmen ihrer Ausbildung, ihres Studiums oder ihres Arbeitsfeldes seitens der Herausgeber*innen zu diesem Treffen eingeladen worden. Mit diesem Bericht dokumentieren wir das Treffen. Zudem beabsichtigen wir zum einen, als Sprachrohr der Teilnehmer*innen Transparenz über die aktuellen Wandlungsprozesse zu schaffen, und zum anderen, einen Dialog über die zukünftige Ausrichtung der Familiendynamik zwischen jungen und erfahrenen Leser*innen und Herausgeber*innen anzuregen.
Theiling, Stephan (2020): Rezension – Björn von Schlippe & Arist von Schlippe (2029): Mehr als Unsinn. Eine kleine Erkenntnistheorie des Witzes. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Familiendynamik, 45 (3), S. 256-257.
Korittko, Alexander (2020): Rezension – Ilke Crone (2018): Das vorige Jetzt. Familienrekonstruktion in der Praxis. Heidelberg (Carl-Auer). In: Familiendynamik, 45 (3), S. 257-258.
Rosenthal-Rabner, Miriam (2020): Rezension – Katharina Drexler (2019): Ererbte Wunden heilen. Therapie der transgenerationalen Traumatisierung. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Familiendynamik, 45 (3), S. 258-261.
Stimpfle, Peter (2020): Rezension: Alexander Cherdron (2017): Väter und ihre Söhne. Eine besondere Beziehung. Heidelberg (Springer). In: Familiendynamik, 45 (3), S. 261-262.
Schmidt-Lellek, Christoph (2020): Reflexionen zur Corona-Krise. In: Familiendynamik, 45 (3), S. 263-263.
Heft 4
Hunger-Schoppe, Christina & Heiko Kleve (2020): Editorial: COVID-19 – eine systemische Krise in der Konfrontation der Perspektiven. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 265-265.
Abstract: Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Gesellschaft nichts so sehr verändert wie die aktuelle Corona-Krise. Seit Ende 2019 verbreitet sich das neuartige SARS- CoV-2-Virus pandemisch. Spätestens seit März 2020 grenzen Lockdown-Maßnahmen auch in Europa die gesellschaftlichen Systeme wie Wirtschaft, Bildung oder Kultur ein. Ziel ist v. a. der Schutz von Risikogruppen sowie die Unterstützung des Gesundheitssystems, sodass eine massenhafte Behandlung von COVID-19 Patient*innen durchgängig gewährleistet werden kann. Auch wenn in den meisten europäischen Ländern die Gesundheitssysteme bisher glücklicherweise nicht zusammengebrochen sind, verstarben viele alte und kranke Menschen als Folge einer Infektion. Junge Menschen hingegen zeigen eher geringe bis gar keine Symptome. Dennoch sind die meisten Bevölkerungsgruppen von der Pandemie betroffen, weil nahezu alle gesellschaftlichen Systeme von den Informationen und Eindämmungsmaßnahmen bezüglich COVID-19 »infiziert« wurden.
Varga von Kibéd, Matthias (2020): Zwischen Einschränkung und Lockerung in Zeiten der Corona-Pandemie. Ein Geleitwort. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 268-269.
Abstract: In einer Zeit, in der etwa bei der Auseinandersetzung mit der Pandemie durch emotionale Ausbrüche in verschiedene Richtungen eine sorgsame Balancierung von Lockerung und Einschränkung (und weiteren Gesichtspunkten) behindert wird, ist es wichtig, dass wir uns in geeigneter Weise innerlich stärken, damit wir Informationen ruhig und sachlich zur Kenntnis nehmen und dadurch angemessener handeln können. Natürlich gehört dazu auch, dass wir Informationen ernsthaft prüfen und dass wir uns damit auseinandersetzen, wie man ernsthaft prüft, und dass wir bereit sind, fortlaufend inhaltlich und methodisch dazuzulernen. Diese Fähigkeit kann auf allen Ebenen weiterentwickelt werden. Sie spielt schon bei der Entwicklung von Kindern eine große Rolle, und die besten Wissenschaftlerinnen und Experten lernen ständig – inhaltlich und methodisch – weiter dazu, auch und gerade im interdisziplinären Austausch. Ob wir uns aufrichtig darum bemühen, dazuzulernen, erkennen wir daran, ob wir Informationen, die unseren eigenen gegenwärtigen Vermutungen zuwiderlaufen, mit mindestens gleichem Interesse und eher etwas erhöhter Intensität nachgehen wie denen, die uns in unserer eigenen Meinung bestätigen.
Oelkers-Ax, Rieke, Thomas Ax & Mirko Zwack (2020): Familien unter Druck in Zeiten von Corona. Befunde und Lösungsansätze. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 270-278.
Abstract: Die Corona-Pandemie, so heißt es immer wieder, stelle Familien vor schwerwiegende Herausforderungen. Dies ist zweifellos der Fall – doch worin bestehen diese Herausforderungen genau? Der vorliegende Artikel fasst die hierzu zugängliche Studienlage entlang der Themenfelder Homeschooling, psychische Erkrankungen und häusliche Gewalt zusammen und versucht so, denen eine Stimme zu geben, die nur selten gehört werden. Eindrücklich belegen die Befunde, dass soziale Ungleichheit und häusliche Gewalt durch die Krise deutlich verschärft worden sind und Belastungsfaktoren kumulieren. Von diesen Befunden ausgehend, leiten wir Lösungsansätze ab: Erstens ist es wichtig, Familien in und nach der Krise an gesellschaftliche Funktionssysteme rückanzubinden und zugleich innerhalb der Funktionsbereiche Bildung / Erziehung, Therapie / Beratung und Recht strukturelle Verbesserungen anzustoßen, sowie zweitens, innerfamiliäre Anpassungsprozesse zu unterstützen. Eine entlastende Haltung von Berater*innen ist in diesem Zusammenhang ebenso hilfreich wie das Konzept von elterlicher Präsenz im Sinne Haim Omers, das sich als Metakonzept für alle genannten Bereiche eignet.
Funcke, Dorett (2020): Ereignis, Wendepunkt und Krise. Elementare Formen menschlicher Kommunikation (Teil 1). In: Familiendynamik, 45 (4), S. 280-285.
Abstract: Gegenstand des Beitrages, der in zwei Teilen erscheinen wird, ist die COVID-19-Pandemie, die als Ereigniszusammenhang soziologisch reflektiert wird. Hierbei wird mit dem Zentralbegriff der Kommunikation gearbeitet. Zunächst wird ein Einzelereignis, die Virus-Krise, chronologisch im Sinne einer Zeitfolge geordnet. Diese historische Skizze bildet den Rahmen für den Versuch einer biografischen Selbst-Objektivierung. Am Beispiel einer lebensweltlichen Veränderungskrise wird eine zentrale Eigenschaft menschlicher Kommunikation, die allgemeingültig ist und über das gesellschaftliche Einzelereignis hinausweist, aufgezeigt. In Teil 2 des Beitrags, der im Folgeheft abgedruckt wird, werden zentrale soziale Phänomene wie die Begrüßungshandlung, das Abschied-Nehmen und die Beziehung Dankbarkeit näher beleuchtet.
Küchler, Tom & Heiko Kleve (2020): Mehr als Zoomen. Anregungen für die Online-Beratung im H³-Modus. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 286-294.
Abstract: Während der Corona-Pandemie konnten zahlreiche Beratungen, Coachings und Therapien nicht in den üblichen Präsenz-Sitzungen stattfinden. Kontaktbeschränkungen und der Schutz von Risikogruppen machten es notwendig, reale durch virtuelle Sitzungen zu ersetzen. Die Arbeit mit Online-Konzepten und -Applikationen stellt dabei viele Berater*innen wie Klient*innen vor völlig neue Herausforderungen. Im Folgenden werden zahlreiche konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die virtuelle Arbeit so gestaltet werden kann, dass nicht nur kognitiv-rationale, sondern vor allem emotionale und handlungsorientierte Aspekte der jeweiligen Themen integriert werden können. Diese, so die Kernthese des Beitrags, sind in der Online-Beratung von besonderer Relevanz. Damit wird deutlich, dass sich Online-Beratungen hinsichtlich der Theorien, Haltungen und Methoden nicht grundsätzlich von klassischen Settings unterscheiden. Da der virtuelle Raum jedoch für viele Berater*innen und Klient*innen ungewohnt ist, erscheint es sinnvoll, besonders achtsam und gründlich die eigenen Basiskonzepte, emotionalen Einstellungen und praktischen Tools zu hinterfragen und an den neuen Kontext anzupassen.
Roth, Steffen (2020): Heal the world. Eine lösungsorientierte, systemisch-therapeutische Sicht auf Umweltprobleme. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 296-307.
Abstract: Die Umweltbewegung ist eine ausgesprochen problemzentrierte Bewegung, geht sie doch davon aus, dass unser kapitalistischer Lebensstil und unsere Abhängigkeit von ungebremstem Wachstum für die drohende Selbstauslöschung der Menschheit verantwortlich sind. Ziel dieses Artikels ist es, das Risiko aufzuzeigen und zu moderieren, dass die Umweltbewegung von den Problemen co-abhängig ist, die sie zu lösen versucht. Hierfür wird ein Supervisionskonzept entwickelt, das auf der Einsicht basiert, dass man ein Problem nicht kennen muss, um es zu lösen. In diesem Zusammenhang werden Kernelemente der lösungsorientierten Kurztherapie, der systemischen Strukturaufstellung und der Theorie sozialer Systeme zusammengeführt, um zu zeigen, dass die Chancen der Umweltbewegung, ihre übergeordneten Ziele zu erreichen, besser stünden, wenn deren Mitglieder ihre Aufmerksamkeit nicht auf Probleme des Kapitalismus oder Wirtschaftswachstums, sondern auf jene nicht-ökonomischen Aspekte des sozialen Lebens richten würden, deren Wachstum stattdessen gefördert werden soll. Im Ausblick wird deutlich, dass diese Fokusverschiebung vom Problem auf die Problemökologie im Einklang steht mit dem Bestreben, nachhaltige Entwicklung voranzutreiben sowie alternative Indikatoren zu konzipieren, die über den OECD Better Life Index oder den Happy Planet Index hinausweisen.
Mazziotta, Agostino (2020): Mehr als einen Menschen lieben. Forschungsüberblick zu offenen und polyamoren Beziehungen. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 308-317.
Abstract: Wie Menschen ihre Liebesbeziehungen gestalten und leben, wird zunehmend diverser. In einvernehmlich nicht monogamen Beziehungen (ENMB) haben zwei Personen in einer intimen Paarbeziehung entschieden, ihre Liebesbeziehung (sexuell und / oder emotional) für Dritte zu öffnen. Die Übersichtsarbeit fasst den Kenntnisstand in Bezug auf offene und polyamore Beziehungen zusammen: (1) ein substanzieller Anteil der Bevölkerung hat bereits Erfahrungen mit ENMB gesammelt (ca. jede*r Fünfte) und praktiziert aktuell eines dieser Beziehungsmodelle (ca. jede*r Fünfundzwanzigste); (2) Personen mit einem vermeidenden Bindungsstil sind offener und diejenigen mit einem ängstlichen Bindungsstil verschlossener gegenüber ENMB; es sind jedoch insbesondere diejenigen, die einen sicheren Bindungsstil haben, die tatsächlich ENMB eingehen; (3) ENMB werden als eine mögliche Lösung für überhöhte Erwartungen an eine Partnerschaft angesehen; (4) Personen in monogamen und in ENMB unterscheiden sich nicht bedeutungsvoll bezüglich des psychischen Wohlbefindens und der Beziehungsqualität; (5) da Personen in ENMB von der gesellschaftlichen Norm abweichen, werden sie und ihre Beziehungen stigmatisiert und negativer bewertet als Personen in monogamen Beziehungen.
Steinhoff, Maria, Lena Steubl & Harald Baumeister (2020): Social Distancing oder Emotional Closeness? Die therapeutische Beziehung in digitaler Psychotherapie. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 318-327.
Abstract: Digitale Angebote bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten zur psychotherapeutischen Versorgung und erfahren zunehmend mediale sowie therapeutenseitige Aufmerksamkeit. Trotz zahlreicher Wirksamkeitsnachweise stehen häufig geäußerte Bedenken der Implementierung im Wege – v. a. die Frage, inwiefern auch über digitale Kommunikationskanäle eine therapeutische Beziehung aufgebaut werden kann, zumal diese als zentraler Wirkmechanismus der klassischen Psychotherapie gilt. Patient*innen berichten, dass sie es auch in digitalen Therapien erleben, dass eine tragfähige und positive arbeitsbezogene therapeutische Beziehung aufgebaut werden kann. Unklar bleibt, inwiefern die therapeutische Beziehung in Interventionen mit minimalem therapeutischen Kontakt zur Wirksamkeit beiträgt. Spezifische Kommunikations- und Verhaltenshinweise bieten hilfreiche Unterstützung, damit Therapeut*innen auch über digitale Kommunikationskanäle eine gute Arbeitsbeziehung aufbauen können.
Hunger-Schoppe, Christina & Stefan Junker (2020): Selbst-Erfahrung im virtuellen Raum. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 328-331.
Abstract: Es war einmal ein Lehrender (SJ), der suchte eine andere Lehrende (CHS) für die Leitung einer Selbsterfahrungsgruppe. Sie trafen sich, kamen schnell überein, erprobten sich und beschlossen – so könnte es gehen. Doch dann kam ein Erdbeben, und alles, was bereits beschlossen war, wurde infrage stellt. So erging es uns, als die fünftägige Selbsterfahrung im Rahmen einer Weiterbildung »Systemische Therapie« durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Analoges Arbeiten war nicht mehr möglich, das Seminarhaus hatte geschlossen: »Wenn etwas nicht funktioniert, mach etwas anderes!« (Steve de Shazer, 1997). Aber was? Ein digitales Seminar schien uns anfänglich kaum denkbar: Wie sollten sich die Teilnehmer*innen begegnen, intime persönliche Erfahrungen teilen, miteinander in Kontakt gehen, Anregungen zur »Aus-Ein-Ander-Setzung« aufnehmen und für sich gewinnbringend nutzen? Wir fragten uns: Wie könnten wir eine maximale Selbsterfahrungs-Zumutung bei gleichzeitig größtmöglicher Selbstsorge ermöglichen? Und wie mit einer radikalen Entkopplung von Nähe-Distanz-Kopplung umgehen – und diese fürsorglich steuern?
Oelkers-Ax, Rieke, Filip Caby, Birgit Averbeck & Carla Ortmann (2020): Neues DGSF-Netzwerk »Kontext Familienpsychiatrie, Jugend- und Familienhilfe« stellt sich vor. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 332-333.
Abstract: Auch wenn es in den Ohren von Systemiker*innen wie Eulen nach Athen tragen klingt, betrifft eine psychische Erkrankung nicht nur Patient*innen selbst, sondern auch deren familiären Kontext. Alle leiden mit oder haben Wege gefunden, sich damit zu arrangieren, und sind somit Teil des Problemkontextes geworden. Dadurch sind sie auch automatisch Teil des Lösungskontextes, der sich auf den Weg gemacht hat, eine andere als die bisherige Lösung zu finden. Das trifft z. B. erst recht auf Kinder psychisch kranker Eltern zu: Sie sind schwer belastet und haben ein hohes Risiko, selbst zu erkranken. Diese Familien sind häufig über Jahre mit verschiedenen Helfer*innen aus Gesundheitswesen, Jugendhilfe und anderen Institutionen konfrontiert, wobei diese bisher meist nicht »Hilfe aus einer Hand« anbieten können. Als Systemiker*innen schauen wir auf innerfamiliäre und kontextuelle Wechselwirkungen. Logiken und Rechtsgrundlagen des Gesundheitswesens im SGB V und der Jugendhilfe im SGB VIII, unterschiedliche Arbeitsweisen, Strukturen und Finanzierungsgrundlagen sowie historisch gewachsene Grenzen in Köpfen und zwischen Professionen zwingen den Blick häufig auf die Einzelperson als »Patient*in« oder »Symptomträger*in«. Dadurch wird interdisziplinäres und multiprofessionelles Arbeiten mit der gesamten Familie oft verhindert oder erschwert und der Blick auf Möglichkeitsräume systemübergreifenden Arbeitens mit Erwachsenen und Kindern geschmälert. Die Folgen können u. a. Ursache für Teufelskreise misslingender Interaktionen, transgenerationaler (Bindungs-)Störungen in Familien und unwirksamer – und damit teurer – Hilfen und Behandlungen sein.
Schiepek, Günter & Stefan Beher (2020): Reaktionen auf den Beitrag von Ulrike Borst, »Systemische Therapietheorie und Fallkonzeption« (Heft 2/20). In: Familiendynamik, 45 (4), S. 334-337.
Abstract: Zum Beitrag von Ulrike Borst, »Systemische Therapietheorie und Fallkonzeption«, im vorletzten Heft der Familiendynamik (2/20, S. 96 – 106) erreichten uns zwei weitere Zuschriften. Günter Schiepek hebt hervor, wie bedeutsam die personalisierte, idiografische Praxis ist. Er erinnert an seine Arbeiten zur idiografischen System-Modellierung als Methode zur Fallkonzeption. Er fragt sich und uns, ob nicht eine solche Orientierung an der Funktionsweise komplexer Systeme integrativ wirken würde und die »Schulen«, auch die systemische, obsolet werden ließe. Stefan Beher beschreibt, wie der »unmögliche Beruf« des Therapeuten auf Ideen über Selbstorganisation aufgebaut werden kann.
Kleve, Heiko (2020): »In allen gesundheitlichen Fragen sollten wir immer ressourcenorientiert vorgehen«. Heiko Kleve im Gespräch mit Harald Walach zur Corona-Krise. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 338-341.
Abstract: Prof. Dr. Dr. Harald Walach ist klinischer Psychologe, Philosoph und Wissenschaftshistoriker, Professor an der Medizinischen Universität Poznan, Polen, und Gastprofessor für philosophische Grundlagen der Psychologie an der Universität Witten/Herdecke. Außerdem ist er Gründer des »Change Health Service Institutes«.
Borst, Ulrike (2020): Replik auf das Interview mit Harald Walach. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 342-343.
Abstract: Wir Herausgeber*innen der Familien dynamik wollen – unter anderem – wissenschaftliche Debatten anregen. Die Positionen, die Harald Walach in dem Gespräch mit Heiko Kleve einnimmt, werden nicht von allen von uns geteilt und sind so dezidiert, dass ich mich dazu aufgerufen fühle, eine ebenso dezidierte Gegenposition einzunehmen. Ich schreibe 1. als deutsche Staatsbürgerin und Berufspendlerin in die Schweiz, 2. als Fachfrau mit wissenschaftlichem Hintergrund. Diese beiden Perspektiven überlappen sich zum Teil, so wie sich in den letzten Monaten in der öffentlichen Debatte – wie selten zuvor – persönliche, wissenschaftliche und politische Argumente vermischt haben.
Linßen, Frederic (2020): Rezension – Jürgen Hargens (2014): Erwach(s)en. Geschichten über Männer und Frauen, Freud und Leid, Beziehungen und Trennungen, Menschliches und Psychologisches wie über das Leben selbst. Berlin (trafo); ders. (2017): Freude hat sich versteckt. Oder »Gesund heißt immer auch ein bisschen bescheuert.« Erzählungen aus der psychologischen Welt. Berlin (trafo). In: Familiendynamik, 45 (4), S. 346-347.
Kriz, Jürgen (2020): Rezension – Martin Rufer & Christoph Flückiger (Hrsg.)(2020): Essentials der Psychotherapie. Praxis und Forschung im Diskurs. Göttingen (Hogrefe). In: Familiendynamik, 45 (4), S. 347-349.
Lüscher, Kurt & Anicia Kohler (2020): »Zwischen Leadsheet und Schlaflied«. Von der Vereinbarkeit von Familie, Partnerschaft, Jazz und Lohnarbeit. Kurt Lüscher im Gespräch mit Anicia Kohler. In: Familiendynamik, 45 (4), S. 350-351.
Abstract: Lässig blättere ich im Programmheft des Jazz-Festivals Schaffhausen, das der Wochenzeitung beiliegt. Ein unerwarteter Titel weckt meine Aufmerksamkeit: »Zwischen Leadsheet und Schlaflied«. Weiterlesend erfahre ich: »Viele Schweizer Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker sind in den letzten Jahren Eltern geworden.« Und weiter, unter Bezugnahme auf den Titel eines berühmten Songs [übers Heiraten]: »›Ma- kin’ Whoopee. Thats what you get, folks.‹ Für mich und viele andere in meinem Alter gehört die Familiengründung zum Lebenskonzept. Sie ist ›essenziell‹ … Obwohl man im Planungsstadium überhaupt nicht weiß, was das heißt. Und dann quasi zugleich mit dem Kind so richtig auf die Welt kommt.« Was folgt, ist eine engagierte und realistische, humorvoll-affirmative Schilderung des Erlebens von Elternschaft. Sie ist geradezu ein Kontrapunkt zu dem, wovon die Texte in der Familiendynamik üblicherweise handeln. Nach Rücksprache mit den Herausgeber*innen führte ich darum mit der Verfasserin, der Pianistin und Komponistin Anicia Kohler, Leiterin des Sextetts »AKO«, ein Interview. Sie wohnt mit ihrem Mann, Matthias Kohler, Altsaxophonist, und zwei kleinen Kindern in Bern.