Heft 1
N.N. (2022): Editorial. In: systeme, 36 (1), S. 3-4.
Loth, Wolfgang (2022): Multiperspektivität als Erzählung. Nachdenken über Systemisches mit Michael Hampes narrativer Philosophie. In: systeme, 36 (1), S. 5-28.
Abstract: Wie lässt sich Systemisches aushalten? Im vorliegenden Essay gehe ich meinen Überlegungen zu systemischem Denken und systemischer Praxis noch einmal nach. Michael Hampes Lehren der Philosophie und insbesondere seine romanhaften Übersetzungen dieses Philosophierens haben mich dabei angeregt und begleitet. Die dabei entstehenden Ideen und Querverbindungen finde ich hilfreich für das eigene Zurechtfinden im Spannungsfeld zwischen dem Drinnen und Draußen systemischer Perspektiven. Der Gewinn liegt für mich nicht in einer unmittelbaren Übertragung, sondern in der konsequent multiperspektivischen Haltung auch unter erschwerten Bedingungen.
Busch, Jane, Frank M. Fischer, Holger Meyer, Daniela Saric & Ronny Siegert (2022): Stationäre Sucht- und Traumatherapie mit Kindern und Jugendlichen aus systemischer Sicht – am Beispiel von „Teen Spirit Island“. In: systeme, 36 (1), S. 29-42.
Abstract: Die stationäre Suchttherapie von schwer abhängig gewordenen Jugendlichen gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben nicht nur für die Therapie, sondern auch für den Pflege- und Erziehungsdienst in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Neben den Aufgaben der Entzugsbehandlung und der Behandlung von komorbiden Störungen wie Trauma, Depression, Ängsten, ADHS und Bindungsstörungen gehört die Herstellung einer förderlichen und als sicher erlebten Alltagsstruktur mit klaren Regeln zu den besonderen Herausforderungen, damit sich korrigierende Bindungserfahrungen auch auf Konfliktebene entwickeln lassen. Dafür braucht es besondere Strukturen, in deren Rahmen sich Gruppendynamiken und individuelle Therapieverläufe neben Familientherapie und Traumakonfrontationen steuern lassen und die sich mit der emotionalen Nachreifung der Kinder je nach Entwicklungsstufe „mitbewegen“. Am Modell der Sucht- und Traumatherapiestation „Teen Spirit Island“ (TSI Hannover) soll hier gezeigt werden, wie es in der Therapie und im stationären Alltag durch spezifische, auf Sucht, Trauma und Bindung fokussierte Angebote gelingen kann, die Jugendlichen für das Risiko einer neuen, unabhängigen Bindungserfahrung stark zu machen, um alte Verhaltens- muster hinter sich lassen zu können.
Fischer, Frank M. (2022): Ego-State-Therapie der Sucht. Die systemische Arbeit auf der „inneren Bühne“ bei traumatisierten Kindern und Jugendlichen mit Suchterkrankungen. In: systeme, 36 (1), S. 43-58.
Abstract: Beschrieben wird die therapeutische Arbeit in einem stationären Setting mit einer Jugendlichen mit schwerer Suchtmittel-Abhängigkeit und Dissoziation. Exemplarisch soll aufgezeigt werden, wie wichtig die systemische Arbeit mit Ich-Anteilen auf der „inneren Bühne“ sein kann, um sogenannte „Systemsprenger“ erreichen zu können.
Hoste, Mieke (2022): Vielleicht brauche ich dich – Sucht und Emotionsregulation in der Paartherapie. In: systeme, 36 (1), S. 59-74.
Abstract: Es gibt viele Wege, die in die Sucht führen. Einer der Hauptwege ist der entgleisender Emotionsregulation. Die Substanz oder die Verhaltenssucht ist für den Süchtigen ein Bindungsobjekt geworden, das sowohl positive als auch negative Emotionen reguliert. Gleichzeitig plündert die Sucht den verbleibenden Reichtum an Beziehungsressourcen, wodurch Sucht sowohl die Ursache als auch die Folge von Beziehungsstress sein kann. In der Arbeit mit Paaren, bei denen Suchtprozesse eine große Rolle spielen, sollten wir den Abstand zum Suchtobjekt vergrößern, indem eine sichere wechselseitige Emotionsregulation zwischen den Partner*innen hergestellt wird. Das bindungsorientierte Modell der Emotionsfokussierten Therapie (EFT ) gibt uns eine Orientierung, um die intra- und interpersonelle Wiederherstellung zu beginnen.
Gohlke, Andreas (2022): Ein modulares Kurzzeit-Beratungs-/Behandlungsmanual zur Arbeit mit Internet-bezogenen Störungen: Das Open-Source-Projekt Quest2B. In: systeme, 36 (1), S. 75-86.
Abstract: Nach einer Einleitung zum Unterschied von mechanistischem und systemischem Verständnis des Begriffes „Störung“ wird die Diagnose der „Internet-bezogenen Störung“ aus systemischer Sicht konstruktivistisch und mit der Qualität eines hypnotherapeutischen Lösungs- weckers (frei nach Gunther Schmidt) betrachtet. Im Beitrag wird die Entwicklung eines systemischen Ansatzes zur Arbeit mit dem Thema Internet-bezogene Störungen beschrieben und die Module in Kurzform unter Einbezug von Arbeitsbeispielen vorgestellt.
Prünte, Katharina (2022): Co-Abhängigkeit: Was ist das? Ein Konstruktionsversuch. In: systeme, 36 (1), S. 87-92.
Abstract: Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem sprachlichen Phänomen „Co-Abhängigkeit“, das scheinbar und nur mit wenigen Ausnahmen unwidersprochen verwendet wird und sich hartnäckig hält. Es scheint noch nicht wirklich gelungen zu sein, eine sprachliche Alternative, die wertschätzend, respektvoll und nicht bewertend ist, zu finden. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Sprache Realitäten schafft, geht der essayistische Beitrag, u. a. anhand eines Fallbeispiels aus der therapeutischen Praxis, auf dieses Phänomen ein.
Kuhnert, Tanja (2022): Abschiedssymposium zum Ende der wissenschaftlichen Tätigkeit von Prof. Dr. rer. soc. Dipl.-Psych. Jochen Schweitzer1 am 20. November 2021, online. Ein persönlicher Beobachterinnenbericht. In: systeme, 36 (1), S. 93-96.
Abstract: Das Symposium anlässlich des Endes seiner Tätigkeit am Institut für Medizinische Psychologie im Zentrum für Psychosoziale Medizin am Universitätsklinikum Heidelberg wurde auch zu einem Abschied von Prof. Dr. Jochen Schweitzer in seiner Tätigkeit als aktiver Lehrender des Helm Stierlin Instituts in Heidelberg. Damit verbunden war ein Rückblick auf seine gesamte Tätigkeit als systemisch Forschender in Deutschland und den USA, als systemischer und politischer Verbandsaktivist in Deutschland und Europa sowie als Lehrender in China.