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Online-Journal für systemische Entwicklungen

systemagazin Adventskalender 2022 – 19. Matthias Ohler

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Zuversicht bedeuten für mich u.a. besondere Nachdenkformen. Einfach, dass es sie gibt. Zum Beispiel Aphorismen, noch mehr Sonette. Sie sorgen wie von selbst für Kreativität, besonders, wenn sie eine gewisse formale Strenge haben. Ich nenne das poetisch denken. Das Ausfüllen der Form gängelt in gewisser (schöner) Weise das Formulieren und führt oft zu neuen, auf anderem Wege eher unwahrscheinlicheren Gedanken, Erkenntnischancen. Diese bleiben als solche erkennbar, die über einen Weg, aus Erfahrung, entstanden sind und nicht unbefragbar oder unbezweifelbar. Ein Aphorismus, zum Beispiel, der zur Gewissheit oder reklamierten Wahrheit degeneriert, taugt nichts mehr.

Poetisch denken heißt, sich dem Medium Sprache anders anvertrauen, und damit einer hochrelevanten Umwelt. Grammatik ist Alltag in permanenter Verwendung. Poetisch denken könnte man auch so sagen: Dichterische Verwendungen von Sprache stellen eigen-artige Formen zur Prüfung von Gewissheit zur Verfügung. Poetisch denken ist nützlich, wenn wir allmählich anderes alltäglich werden lassen wollen. Das stimmt mich zuversichtlich.

In der Zeit zwischen den Jahren wollen die Tochter meiner Frau und ich uns daran versuchen, auch Collagen als weitere Form poetischen Denkens gemeinsam zu verwenden. Das schafft mir konkrete Zuversicht.

Als Beispiele hier zwei Aphorismen und ein Sonett.

Ich gehöre allen. Mir gehört niemand.

Nicht alles, was sich einmal als Irrtum herausstellt, war schon immer einer.

Entscheiden

Wenn´s um Entscheiden geht, ist erst zu fragen,

welches Entscheiden grad in Frage steht.

Das nämlich ist nicht immer leicht zu sagen,

doch dann erst weiß man, worum´s wirklich geht.

Die sogenannten sachbezog´nen Themen

Sind häufig, aber unbemerkt, begleitet

von einem häufig wichtigeren Schemen,

der sich in das Gewand der Sachen kleidet.

Wie kann man hier die Übersicht behalten?

Man könnte es versteh´n als Maskenball.

Hier ist geraten, man lässt Vorsicht walten.

Nicht jede Party braucht den großen Knall;

man kann sie langsam förmlich umgestalten,

bis zum wie unbemerkten Maskenfall.

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