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Sexuelle Fantasien in der Therapie

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„Sexualität findet auch im Kopf statt. Sexuelle Fantasien als mentale Repräsentationen sexueller Wünsche und Befürchtungen spielen eine große Rolle dabei, ob Sexualität zu einem Quell der Freude oder in unglücklichen Fällen zu einem Quell des Leides werden kann. Daher lohnt es, sexuelle Fantasien wohlwollend zu erkunden – allein, zu zweit oder mit der Hilfe einer Paartherapeutin. »Keine Angst vor Fantasien« – das ist die Grundhaltung dieses Buchs“, schreibt Jochen Schweitzer in seinem Vorwort zu einem schmalen, aber gewichtigen Buch von Angelika Eck, systemische Paar- und Sexualtherapeutin aus Heidelberg, das in der Reihe Lieben.Leben.Arbeiten im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht schon 2020 erschienen ist. Markus Bomhard hat das Buch rezensiert und hält es für eine „gelungene Ermutigung, in der systemischen Arbeit dem erotischen inneren Bildermalen nicht auszuweichen, sondern es als wertvolle Ressource im therapeutischen Prozess und als Möglichkeit der Selbstreflexion und Selbsterfahrung zu entdecken“. Seine Besprechung können Sie hier lesen:

Markus Bomhard, Nastätten:

Dieser kleine Band aus der Reihe »Lieben. Leben. Arbeiten« (hrsg. von J. Schweitzer und A. von Schlippe) ist eine gelungene Ermutigung, in der systemischen Arbeit dem erotischen inneren Bildermalen nicht auszuweichen, sondern es als wertvolle Ressource im therapeutischen Prozess und als Möglichkeit der Selbstreflexion und Selbsterfahrung zu entdecken. Dazu erörtert die Autorin zunächst grundlegende Gedanken zum Thema sexuelle Fantasie allgemein und im besonderen Fokus der Therapie. Sie geht dabei unter anderem auf innere Bewertungssysteme (zu viel, wenig, normal, unnormal, …) ein und die Dramaturgie der Fantasie im Hinblick auf sexuelle Bedürfnisse und erotische Kern- und Lebensthemen. Sie fragt nach der Unterscheidung von Fantasie und Wunsch, der subjektiven Kontrolle und einigem mehr.

Schließlich lädt A. Eck in einem weiteren Abschnitt ein, sich ausgewählte Fantasien von Klient/innen aus ihrer therapeutischen Tätigkeit anzuschauen und benennt von hier aus mögliche Schritt für die systemische Beratung.

Zu empfehlen ist dieser kleine Band schon allein deswegen, weil es der Autorin gelingt, auf nicht einmal 100 Seiten unkompliziert und leicht verständlich über innere sexuelle Bilder, (Tag-)Träume und erotische Vorstellungen als wertvolle Ressourcen für das therapeutische Arbeiten zu sprechen. Sie exploriert, dass Klienten/innen sich ihren Fantasien öffnen können, wenn man ihnen einen inneren Raum der Intimität mit sich selbst zugesteht und so zu einer chancenreichen Selbstentdeckung einlädt. Gelingt dies in der Therapie, könnten sich, laut Eck, unter anderem erotische Potenziale freisetzen, die man sich selbst und anderen sonst nur bedingt erlaubt. Diese Potenziale können wiederum weitere Schritte im therapeutischen Miteinander ermöglichen und neue Perspektiven auf andere Fragestellungen eröffnen.

Es liegt, so Eck, eine große Chance darin, Fantasien von einer vorschnellen Bewertung durch den Fantasierenden selbst wie auch durch die Therapeutin zu befreien. Vielmehr ermutigt sie, sich dem lustvollen Fantasiereich – sowohl in der therapierenden Rolle als auch selbstreflexiv und selbsterfahrend – neugierig und wertschätzend zu nähern. So könnten Fantasien als bedeutungsvolle Skripte aktiviert, integriert und (neu) gestaltet werden.

Auch die ausgewählten Fantasien von Klient/innen aus ihrer therapeutischen Tätigkeit tragen zu diesem Grundtenor des Buches bei. Es geht aber Eck bei ihren Beispielen weder um ein Erregen noch um ein umfassendes Aneinanderreihen von möglichst diversen und »abgefahrenen« fantastischen Beispielen, nach dem Motto: »… und hier noch ein ganz schräges und schwieriges Beispiel, mit dem Sie als Therapeutin auch rechnen müssen«.

Dennoch schafft es die Autorin, eine Diversität der Träume und die damit verbundenen Chancen für therapeutische Ansätze zu verdeutlichen. In dem Zusammenhang werden Methoden wie (Re-)Aktivierung, Neuinszenieren, LiveEntwickeln, Ambivalenzen explorieren kurz erklärt, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.

Gerade das macht dieses kleine Buch so lesenswert: A. Eck berührt und informiert in kurzweiliger Form über ein sehr spannendes Thema unseres sexuellen Selbst. Sie lädt zu einem wertschätzenden und kompetenten Umgang mit erotischen Fantasien in der systemischen Therapie ein und zeigt Chancen auf, wenn wir uns der Frage nähern: Wie frei sind wir im Umgang mit sexuellen Fantasien und wie frei wollen wir sein?

(Mit freundlicher Genehmigung aus Kontext 2/2021

Eine Leseprobe zum Buch

Ein Text von Angelika Eck darüber, warum der Versuch, Intimität herzustellen, manchmal das Gegenteil bewirkt – in Psychologie Heute

Angelika Eck (2020): Sexuelle Fantasien in der Therapie. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht)

101 Seiten, kt.
ISBN 978-3-525-40846-9
Preis: 12,00 €, z.Zt. 7,80 €.

Verlagsinformation:

Sollte man in der Therapie wirklich über sexuelle Fantasien sprechen? Wozu? Überall begegnen uns Vorstellungen von Sexualität, erst durch Bedeutungsaufladung wird Sex interessant oder auch problematisch. Seien es Schwierigkeiten im Zusammenhang mit sexuellen Funktionen, Pornokonsum, der Sexualpräferenz, Affären, Differenzen im sexuellen Begehren – individuelle und Paarkonflikte sind gekennzeichnet durch Bewertungen des Fantasielebens als »zu wenig«, »zu viel« oder »falsch«. Sexuelle Fantasien bieten einen sehr direkten Zugang zur Erotik der schöpferischen Person und damit der Person zu sich selbst. Mit ihnen können Konfliktbeschreibungen therapeutisch kontextualisiert und als Marker für einen Entwicklungsübergang der Person oder des Paares gerahmt werden. In der Therapie kann es gelingen, je nach Ausgangssituation Fantasien neu zu entwickeln, auf die darin enthaltenen sexuellen oder Grundbedürfnisse hin zu explorieren, sie als Teil des Selbst zu integrieren und möglicherweise so umzugestalten, dass sie zum neuen Systemzustand passend und nährend erlebt werden. In der Therapie thematisiert, bieten sexuelle Fantasien die Chance, sie als kreative Problemlösungsfigur für die Erotik und weit darüber hinaus einzusetzen.

Über die Autorin:

Dr. sc. hum. Angelika Eck, Psychologin, systemische Therapeutin (SG), systemische Paar- und Sexualtherapeutin, EFT-Therapeutin (ISEFT), klinische Sexologin (1. Durchgang sexocorporeller Ansatz), arbeitet in eigener Praxis in Karlsruhe mit den Schwerpunkten Paartherapie, Sexualtherapie und Supervision. Sie ist Mitglied in der Systemische Gesellschaft (SG) und der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS). Als systemische Lehrtherapeutin ist sie Mitglied der IGST e.V. und gehört dem erweiterten Lehrtherapeutinnenteam des Helm Stierlin Instituts in Heidelberg an. Zu ihren Fachpublikationen zählt u. a. das Buch »Der erotische Raum –weibliche Sexualität in der Therapie« (2018). Neben Fachartikeln publiziert Angelika Eck in populären Medien regelmäßig zu Themen der Paar- und Sexualtherapie.

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