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Parentifizierung – Begriffliche Unterschiede und Implikationen

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Heute vor 15 Jahren, am 28.1.2007, ist Ivan Boszormenyi-Nagy gestorben. In seinem Buch „Invisible Loyalities“ (deutsch: Unsichtbare Bindungen), das er gemeinsam mit Geraldine Spark 1973 veröffentlicht hat, hat er den Begriff der Parentifizierung, der schon vorher gelegentlich benutzt wurde, in den Kontext seiner Mehrgenerationenperspektive gerückt, wodurch er eine wichtige Rolle in der Theorie der Familiendynamik eingenommen hat. Darin heißt es: „Per Definition bedeutet Parentifizierung die subjektive Verzerrung einer Beziehung, als ob der Partner oder sogar die Kinder die Eltern wären. Eine solche Verzerrung kann in einer Wunschfantasie oder, was noch dramatischer ist, durch abhängiges Verhalten erfolgen. Zum Beispiel können Eltern ihr Kind dazu bringen, ein Genie zu werden, oder sie können sich weigern, bei wichtigen Entscheidungen verantwortlich zu handeln”. Schon 1967 hatte Salvador Minuchin Parentifizierung als familienpathologisches Symptom beschrieben und von der Einbeziehung von Kindern in pragmatische elterliche Aufgaben (als „parental child“) abgegrenzt. Im Unterschied zu Minuchin betont Boszormenyi-Nagy allerdings, dass man Parentifizierung nicht ausschließlich als pathologisch betrachten kann, sondern immer in den Kontext stellen muss: „Der Begriff Parentifizierung klingt für diejenigen, die nicht mit der Behandlung von Familien befasst sind, ungewohnt, da er hauptsächlich als technisches Konzept zur Beschreibung einer Facette pathogener Familiendynamik verwendet wurde. Dennoch beschreibt der Begriff einen allgegenwärtigen und wichtigen Aspekt der meisten menschlichen Beziehungen. Es wird vorgeschlagen, Parentifizierung nicht bedingungslos dem Bereich der ,Pathologie’ oder der Beziehungsstörung zuzuordnen. Sie ist ein Bestandteil des regressiven Kerns selbst ausgeglichener, ausreichend reziproker Beziehungen“ (1973, 151, Übers. TL). Im Journal of Family Psychotherapy hat die belgische Familientherapeutin Stephanie Haxhe 2016 einen Beitrag „Parentification and Related Processes: Distinction and Implications for Clinical Practice“ veröffentlicht, der auf die unterschiedlichen Konzepte eingeht, mit dem Delegationskonzept Stierlins vergleicht und die klinischen Implikationen untersucht.

Im Abstract heißt es: „With the emergence of what can be called ,new families,’ the place and the role of the child are increasingly questioned. If a child helps a parent or takes care of them, the terms ,parentified child,’ ,parental child,’ or ,adult child’ are used equally. However, these concepts hide different processes that have different impacts on the child’s development. In the present article, based on the current doctoral research and clinical practice experience, the author will try to make the distinction between these concepts and to illustrate them. By a better identification of each process the author is convinced that therapists and social workers can be helped in their interventions with children and their families“. Der Text kann unter dieser Adresse heruntergeladen werden…

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