systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

24. Dezember 2006
von Tom Levold
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New Yorker Weihnachten

In erträumten Türmen
läuten Glocken Mirakel

Läden fiebern
aus Drehtüren rollen Lieder
in den Tumult

Tannen lächeln
elektrische Liebe

Taube weihnachtsweiß
deine Botschaft
in welchem Reich
freundlich aufgenommen
auf welcher Tanne wächst
dein Gefieder

Die verschollenen Könige
kommen heute nach New York
mit magischen Geschenken
Sie pilgern nach Harlem
zu den Spirituals
verbrüdern sich im Hafen
mit der Mannschaft gescheiterter Schiffe
verloben sich in der Bar
mit Branntweinbräuten

In imaginären Türmen
läuten Glocken Mirakel

Rose Ausländer (1901-88)

24. Dezember 2006
von Tom Levold
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systemagazin adventskalender: das erste mal

Barbara Schmidt-Keller und Rudolf Klein sind Lehrtherapeuten der SGST im Saarland und nicht nur schon lange ein Paar, sie haben auch eine lange gemeinsame berufliche Geschichte. In ihrem Beitrag für den Adventskalender berichten sie von einer intensiven Familientherapie – und einer überraschenden Rückmeldung nach 12 Jahren:„Die Familie kam weiter erwartungsvoll, pünktlich und vollzählig zu den vierwöchentlich stattfindenden Sitzungen. Unsere Fragen wurden brav beantwortet, aber es gab weder bei uns noch bei der Familie „Aha-Effekte“. In den streng eingehaltenen Interventionspausen blätterten wir auf der Suche nach neuen Anregungen durch die Kapitel von „Paradoxon und Gegenparadoxon“ wie durch Kochbücher und suchten nach dem ultimativen Rezept. All dies geschah ohne irgendein Zeichen von Besserung der Symptomatik. Und wir steuerten unausweichlich auf die 10. Sitzung zu, nach der eine systemische Therapie – erfolgreich oder nicht – zur Beendigung anstand“
Zum systemagazin Adventskalender…

23. Dezember 2006
von Tom Levold
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Gästebuch: volle kraft zurück!

Liebe Leserinnen und Leser,

gestern hatte ich verkündet, dass das (lange gesperrte) Gästebuch wieder Ihre Einträge freigegeben sei. Da war ich wohl etwas zu voreilig. Kaum war das Gästebuch nämlich 5 Stunden offen, wurde es offensichtlich wieder von irgendwelchen SPAM-Robots heimgesucht. Diese Einträge müssen alle einzeln herausgesucht und gelöscht werden, was nicht so einfach ist, weil sie sich etwas versteckt in der Datenbank einnisten.
Trotzdem freue ich mich sehr, wenn Sie mir etwas übers Gästebuch schreiben: am besten machen Sie das über die normale Mail-Adresse, ich setze es dann selbst für Sie ins Gästebuch hinein.
Mit den besten Wünschen für ein paar schöne Feiertage
Tom Levold

23. Dezember 2006
von Tom Levold
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Kontext 4/06

Rechtzeitig zu Weihnachten ist Heft 4 des Kontext-Jahrganges erschienen, diesmal kein Themenheft, sondern unterschiedliche Aufsätze, deren gemeinsamer Bezugspunkt in der Praxis der AutorInnen liegt: als Familien-, Paar- oder Kindertherapeuten wie auch als Anbieter von Selbsterfahrung in der therapeutischen Weiterbildung. Thomas Wild-Wey aus der Schweiz plädiert nachdrücklich dafür, die paartherapeutischen Auftragsklärung nicht zu sehr am formulierten Anliegen des Paares alleine auszurichten, sondern als möglichst offenen Prozess zu sehen. Dahinter steht die Einsicht, dass nicht die primär eingeklagten, sondern die tabuisierten Themen in einer Beziehung jene Bereiche der ernsthaften und ernst zu nehmenden Differenzen bilden, die den therapeutischen Fokus bestimmen. Wild-Wey entwickelt mit dem Vierkreis-Modell eine thematische Matrix, die als Orientierung für die Paartherapeuten gedacht ist und zwischen Herkunft (Vergangenheit) und Paarzyklus (Gegenwart) einerseits, Partnerschaftsthemen (Gerechtigkeit und Macht) und Liebesmythos (Sinn- und Glaubenssysteme) andererseits oszilliert. Bernd Reiners stellt das in Schweden von Soltvedt entwickelte Modell der kinderorientierten Familientherapie vor, das davon ausgeht, dass Kinder nur durch das Spiel therapeutisch erreichbar sind. Konsequenterweise wird in diesem Ansatz das gemeinsame (Sandkasten-)Spiel mit der Familie angeregt, videodokumentiert und mit der Familie ausgewertet. Jürgen Beushausen und Freya Könemann untersuchen die Rolle von Haustieren als Familienmitglieder. Sie stützen sich dabei auf interessante Interviews mit Tierhaltern, die F. Könemann für ihre Diplomarbeit gemacht hat, und entwickeln einige Hypothesen über die Bedeutung der affektiven Kommunikation mit Tieren und deren familiendynamische Einbindung als Ansprechpartner, emotionale Versorger u.ä. Ludger Kühling stellt ein Konzept systemisch-konstruktivistischer Selbsterfahrung vor, das sich in einem Weiterbildungsprogramm in der Jugend- und Erziehungshilfe bewährt hat. Er beschreibt, wie Selbsterfahrung als selbstverständlicher Teil des Weiterbildungsalltags eingesetzt werden kann und präsentiert darüber hinaus einige Übungen, die von erfahrenen PraktikerInnen auch in ihrem eigenen Arbeitskontext eingesetzt werden können. Darüber hinaus gibt es noch einen Diskussionsbeitrag zum Thema „Therapeutisierung der Sozialarbeit“ von Dagmar Wiegel sowie ein wunderschönes Stich-Wort„Grenzüberschreitung“ von Dörte Foertsch, in dem sie dafür plädiert, Grenzüberschreitungen mal wieder öfter als Einladungen zu verstehen, anstatt sie nur als Übergriffe zu brandmarken.
Zu den vollständigen abstracts…

23. Dezember 2006
von Tom Levold
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systemagazin adventskalender: das erste mal

Susanne Hilbig vom Niedersächsischen Institut für Systemische Therapie und Beratung rekapituliert ihre Motivation der ersten Jahre ihrer systemischen Weiterbildung, zum Club der Vorbilder zu gehören, was ihr die Überschrift eingab: „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, doch vor allem das Durchhalten wird belohnt“:„Es dürfte kaum verwundern, dass ich zu Beginn meiner Laufbahn mich geradezu außerstande sah, je das Niveau der bewunderten Vorbilder und Lehrer meiner ,frühen Jahre‘ Weber, Schmidt, Simon, Retzer, Stierlin, Deissler, später auch Schweitzer, Boscolo und Cecchin, Imber-Black, Penn oder Welter-Enderlin zu erreichen. (und mit ihnen sind bei weitem nicht alle wichtigen Inspiratoren meiner therapeutischen Entwicklung benannt). Aber, ich war (noch) jung und naiv genug, um mich zu sehr darum zu scheren. Eines war mir damals sonnenklar: Ich wollte Teil dieser geistvollen Welt sein. Es drängte mich zunächst nicht so sehr, Techniken zu erlernen, vielmehr hatte ich den Wunsch, zu denen zu gehören, die so virtuos und elegant mit Wirklichkeiten spielen konnten. Wenn ich es recht bedenke, habe ich vorwiegend von den Haltungen meiner Lehrer und Lehrerinnen gelernt“
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22. Dezember 2006
von Tom Levold
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Resilienz: Die Entwicklung professioneller Therapeuten und die Bewältigung therapeutischer Paradoxien

Unter dem Stichwort Resilienz ist in der Systemischen Bibliothek ein aktueller Aufsatz von Michael B. Buchholz zu lesen, der diesen Herbst im Original mit leicht verändertem Titel (Supervision statt Resilienz) im dritten Band der außerordentlichen Trilogie„Das Unbewusste“ erschienen ist, die von Michael Buchholz gemeinsam mit Günter Gödde im Psychosozial-Verlag herausgegeben wird. Über dieses umfangreiche Projekt wird systemagazin demnächst ausführlicher berichten. In der Einleitung zu diesem Beitrag heißt es:„Freunde, die selbst nicht therapeutisch tätig sind, fragen manchmal, wie man das alles aushalte, all das Leid seiner Patienten, all die Tragik? Wie man dem allem zuhören könne, ohne entweder selbst daran zu zerbrechen oder schrullig zu werden? Therapeuten sind meist zurückhaltend darin, ihren Beruf mitzuteilen. Es gibt im wesentlichen drei Reaktionen: a) man wird sofort wegen eines „Problems“ in Anspruch genommen; b) man wird gefragt, ob man denn selber ohne Probleme sei; c) man hört den ängstlich-aufgeregten Aufschrei: „Dann durchschauen Sie mich sicher gleich!“. Mir persönlich will scheinen, daß die Erfahrung solcher Reaktionen uns gut beraten sein läßt, mit beruflichen Mitteilungen zurückhaltend zu sein, denn das voyeuristische Interesse ist groß, die Übertragungsbereitschaften stellen sich schnell ein, man hat mit eigenen Interessen meist wenig Chancen. Wie in der berufspolitischen Diskussion auch schwankt die Wahrnehmung des Therapeutenberufs zwischen großer Idealisierungsbereitschaft und vernichtender Geringschätzung; man wird einem schwierigen Gefühlsbad ausgesetzt. Das kann man in therapeutischen Sitzungen aushalten – und hat damit einen ersten Anhaltspunkt dafür, daß die Frage nach der Mitleidensfähigkeit irgendwie falsch gestellt ist. Wir zerbrechen nicht am Leid anderer Menschen; großes Leid ruft selbst bei Therapeuten große Hilfsbereitschaft und – fähigkeiten hervor. Irgendwie ist das nicht das Problem, sondern unsere Ohnmacht, unser Gequältsein, die Notwendigkeit der Zurückhaltung von Meinungen und Affekten“
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22. Dezember 2006
von Tom Levold
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Gästebuch wieder eröffnet!

Liebe Leserinnen und Leser,
im April habe ich das Gästebuch gesperrt, weil ich täglich bis zu 30 Spam-Mail-Einträge manuell löschen musste, was ich doch zunehmend als Zumutung empfand. Nun bin ich von einigen KollegInnen, die dort gerne etwas hineingeschrieben hätten, angefragt worden und habe mich entschlossen, einen neuen Versuch zu starten und das Gästebuch wieder freizugeben, nicht zuletzt natürlich, weil ich auch an Rückmeldungen von Ihnen sehr interessiert bin. Verstehen Sie das bitte als Einladung zu einem Feed-Back: Was gefällt Ihnen am systemagazin? Was wünschen Sie sich? Was hätten Sie gerne anders (Mit Rückmeldungen kommt man besser voran als im Blindflug)?. Schon jetzt herzlichen Dank…
Tom Levold
und hier geht’s zum Gästebuch…

22. Dezember 2006
von Tom Levold
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systemagazin adventskalender: das erste mal

Nachdem bis hierher alles strikt nach Reihenfolge der Text-Einsendungen veröffentlicht worden ist, erscheint der Beitrag von Ulrich Clement (Foto: mit zugeknöpftem Hemd) auf dessen Wunsch ausdrücklich am 22.12., ein Wunsch, dem hiermit gerne in der Hoffnung, dass es sein Glückstag ist, entsprochen wird. Thematisch geht es diesmal um den Sinn gewisser Anforderungen an eine therapeutische Kleiderordnung:„Einsichten müssen sich irgendwie materialisieren. Ich habe mir seitdem angewöhnt, bei Therapien nicht zu „casual“ gekleidet zu sein. Natürlich kann man nicht nicht aussehen. Irgendwie sieht man eben aus. Mir ist seitdem das Jackett als Dienstkleidung Teil meiner therapeutischen Rolle geworden. Es “ankert“ meine Rollenidentität, indem ich mich selbst daran erinnere, dass ich die Klienten nicht durch meine Erscheinungs-Penetranz von ihrern eigentlichen Anliegen ablenke“
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21. Dezember 2006
von Tom Levold
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The Great Psychotherapy Debate

Nachdem es in den letzten Tagen an dieser Stelle um das Verhältnis von Psychotherapie und Psychotherapieforschung ging, soll mit der heutigen Rezension eines der wichtigsten Bücher der letzten Jahre zu diesem Thema gewürdigt werden. Michael B. Buchholz hat die Rezension von Bruce E. Wampolds Buch„The Great Psychotherapy Debate“ verfasst, das allen LeserInnen wärmstens empfohlen werden kann:„Das Buch ist klar gegliedert und Wampold formuliert sein Ergebnis vorneweg: Die strikt empirische Argumentation zeigt, „that psychotherapy is incompatible with the medical model and that conceptualizing psychotherapy in this way distorts the nature of the endeavour. Cast in more urgent tones, the medicalization of psychotherapy might well destroy talk therapy as a beneficial treatment of psychological and social problems“. Weil Wampold strikt empirisch argumentiert, ist das kein vorweg bestätigtes Vor-Urteil, sondern genauer Befund, dessen Nachweise nun in detaillierten Kapiteln geliefert werden“
Zur vollständigen Rezension…

21. Dezember 2006
von Tom Levold
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systemagazin adventskalender: das erste mal

Natürlich schreibt auch Fritz B. Simon etwas für den systemagazin Adventskalender. Und zwar folgendes:„Natürlich schreibe ich nicht über das erste Mal. Eine problematische Formulierung, deren Konnotationen mir im Zusammenhang mit Therapie nicht wirklich gut gefallen (obwohl ich darüber sicher noch einmal nachdenken sollte, denn therapeutische Beziehungen sind ja irgendwie immer eine Art von Intimbeziehungen). Aber ich kann über einen meiner ersten Patienten nach meinem therapeutischen Saulus-Paulus-Erleben sprechen. Schon sehr wenige Tage, nachdem ich begonnen hatte, in der Psychiatrie als Stationsarzt zu arbeiten (wie damals üblich: ohne jede psychotherapeutische Ausbildung), fing ich an, nach einem theoretischen Modell zu suchen, dass mir nicht nur Beschreibungen der Psychopathologie von Patienten und – in einigen wenigen Fällen – auch Erklärungen für deren auffallendes und als symptomatisch bewertetes Verhalten lieferte, sondern auch einen Rahmen, anhand dessen ich zwischen sinnvollen (therapeutisch nützlichen) und nicht sinnvollen Interventionen meinerseits unterscheiden könnte. Irgend jemand hatte mir damals – es ist mehr als 30 Jahre her – das Buch „Lösungen“ von Paul Watzlawick und seinen Kollegen vom Mental Research Institute in Palo Alto geschenkt. Etwa nach der Hälfte der Lektüre begann ich nach dem Modell zu arbeiten – und eines meiner ersten „Opfer“ war der Patient, über dessen gescheiterte Therapie ich hier berichten will“
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20. Dezember 2006
von Tom Levold
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Die Wirksamkeit Systemischer Therapie/Familientherapie


Nachdem gestern der von Günter Schiepek 1999 im Auftrag der systemischen Fachverbände zusammengestellte Band über die Grundlagen der Systemischen Therapie im systemagazin präsentiert worden ist, steht heute die kürzlich erschienene aktuelle Studie (für die gleichen Auftraggeber) über die Forschungslage zur Wirksamkeit Systemischer Therapie im Mittelpunkt, die von Kirsten von Sydow, Stefan Beher, Rüdiger Retzlaff und Jochen Schweitzer erstellt worden ist. Tom Levold:„Das überaus Lobenswerte an diesem Buch ist zweifellos die – soweit für einen Forschungslaien beurteilbar – gründliche und solide Recherche und Aufbereitung verfügbarer Forschungsdaten zur Wirksamkeit Systemischer Therapie, die deutlich machen, dass die Systemische Therapie/Familientherapie auch unter quantitativen Forschungsgesichtspunkten anderen Psychotherapieverfahren locker das Wasser reichen kann, wenn nicht sogar – wie in einzelnen Bereichen – überlegen ist. Insofern sei es als Lektüre allen ans Herz gelegt, die sich – in welchen Kontexten auch immer – darüber streiten müssen, dass die Systemische Therapie ein empirisch zweifelhaftes Verfahren sei. Ansonsten bringt es allerdings ein grundsätzliches Dilemma deutlich zum Ausdruck, dem sich die Systemische Therapie derzeit ausgesetzt sieht: um zukünftig nicht noch weiter an den fachlichen, rechtlichen und ökonomischen Rand der Psychotherapie gedrängt zu werden, muss sie Kriterien akzeptieren, die nicht in einem offenen wissenschaftlichen Aushandlungsprozess entstanden sind, sondern von einem kleinen Zirkel von Entscheidungsträgern pro domo gesetzt und durchgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund kann sie zwar den systemimmanenten Nachweis führen, dass sie wie andere Verfahren auch legitimerweise zum Kernbestand psychotherapeutischer Praxis gerechnet werden muss – und muss aber dafür gleichzeitig quasi ausblenden, was ihren Erfolg, ihre Kreativität und ihre Besonderheit überhaupt ausmacht – nämlich ihre Infragestellung dessen, was diesen Mainstream derzeit absolut dominiert: die Unterwerfung der Psychotherapie unter ein medizinisches (und eben nicht: ärztliches) Behandlungsparadigma und die Verdinglichung eines komplexen und individuellen sozialen Interaktionsprozesses zu einer manualgesteuerten Verabreichung von Interventionen“
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20. Dezember 2006
von Tom Levold
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systemagazin adventskalender: das erste mal

Auch Kurt Ludewig hat irgendwann mal angefangen. Genau genommen war er 28 und absolvierte während seines Psychologie-Studiums in Hamburg eine gesprächstherapeutische Ausbildung. Eindrücklich, als wäre es heute, schildert er seine erste Begegnung mit einem Klienten:„Erbarmen! Da sitzt einer, ein relativ junger Mann, blass, dunkelblond, in hellbeigem Anzug. Anfang 30 wird er sein, sieht nett, ungefährlich aus. Ob er meiner ist, oder wartet er vielleicht auf jemand anderes. Ich gehe mit bewussten, Sicherheit vortäuschenden Schritten auf ihn zu: “Warten Sie auf mich… eh… sind Sie Herr X?”. Er schaut mich freundlich, mit traurig-ängstlichen Augen an und nickt mir zu. Ich reiche ihm die Hand und bin erstaunt, seine ist noch kälter und nasser als meine. Hat er Angst? Etwa vor mir? Ich lade ihn in den Therapieraum, biete ihm einen Stuhl an und frage irgend etwas, was das Gespräch in Gang bringen soll, jetzt aber nicht mehr rekonstruieren kann. Heute hätte ich vermutlich gefragt, wobei ich ihm helfen könnte. Ob es damals für Studenten, die GT lernen wollten, andere Formeln gab, kann ich beim besten Willen nicht mehr erinnern. Über irgend welche Wege, die ich ebenso wenig rekonstruieren kann, erfahre ich, dass sein Problem das Stottern sei. An dieser Stelle erinnere ich mich, dass ich das Tonbandgerät einschalten soll. Er ist einverstanden, obwohl ich ihm sicher alle möglichen Gründe angeboten habe, das abzulehnen. Er ist ohnehin bereit, alles, was ich ihm vorschlage, mitzumachen“
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19. Dezember 2006
von Tom Levold
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Die Grundlagen der Systemischen Therapie

Unter diesem Titel erschien 1999 ein voluminöses Buch von Günter Schiepek, das dieser für die Arbeitsgemeinschaft systemischer Therapieverbände als Grundlage für den – damals abgelehnten – Antrag auf Anerkennung der Systemischen Therapie als wissenschaftlich anerkanntes Psychotherapieverfahren verfasst hatte. Mittlerweile ist eine neue – und völlig anders angelegte Studie über die Wirksamkeit der Systemischen Therapie von Kisten von Sydow et al. erschienen, die morgen im systemagazin besprochen werden wird. Aus gegebenem Anlass präsentiert systemagazin heute einen sehr umfangreichen Rezensionsaufsatz von Wolfgang Loth zum Schiepek-Buch, der 2000 in leicht gekürzter Form in der Zeitschrift systhema erschienen ist:„Beeindruckend finde ich, wie Schiepek das vorliegend Forschungsmaterial zu einem von anderen Ansätzen unterscheidbaren kohärenten Konzept zusammenfasst und Systemische Therapie als selbstorganisierenden Prozess beschreibt. Das wirkt manchmal wie aus einem Guß, und macht neugierig darauf, wie es erst wirken mag, wenn das Ganze auch noch alltagsorientiert beschrieben werden kann.„Die Therapie“, sagt Schiepek,„führt (…) nicht entlang des Ariadnefadens durch das Labyrinth zurück zum Ausgang, sondern nach vorne. Das Thema Systemischer Therapien ist die Neuentwicklung von Mustern (Lebensstilen, Selbstkonzepten, Kommunikationsstrukturen). Es geht um die Auflösung von Problemsystemen zugunsten von Neuentwicklungen“ (S. 276). Im Unterschied zu traditionellen Therapieverfahren, die auf das kontinuierliche Herbeiführen dieser Veränderungen setzen, fokussiert Schiepeks Vorschlag eines systemischen Verständnisses von Psychotherapie auf das Vorbereiten und Hinarbeiten auf diskontinuierliche Veränderungen.„Ordnungs-Ordnungs-Übergänge“ ist das Zauberwort, die sich unter Bedingungen hilfreichen Beisteuerns ergeben“
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