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Online-Journal für systemische Entwicklungen

Hans Jellouschek, 21.1.1939 – 22.9.2021

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Ende September ist Hans Jellouschek gestorben, einer der bekanntesten und populärsten Paartherapeuten im deutschsprachigen Raum, der vor allem über seine zahlreichen Veröffentlichungen zum Thema Liebe, Paarbeziehungen und ihren Krisen über das therapeutische Feld hinaus wirken konnte. Über unsere Kontakte und unsere jeweilige Zusammenarbeit mit Rosmarie Welter-Enderlin hatten wir uns in den 90er Jahren kennen gelernt und uns über die Jahre immer wieder einmal auf Tagungen und anderen Veranstaltungen wieder getroffen. 2002 lud er mich ein, in seinem großzügigen Haus in Ammerbuch ein dreitägiges Seminar über Metaphern zu halten und bestand darauf, die Selbstreflexionseinheiten der Teilnehmer in Partnerarbeit mit mir zu bearbeiten. Hierdurch und durch die Spaziergänge rund um den Ort sind wir uns näher gekommen. Seine ruhige und zurückhaltende, gleichzeitig offene und neugierige Art, mit Menschen umzugehen, hat mich immer beeindruckt. Nun ist er mit 82 Jahren von uns gegangen. Wir werden ihn als Person vermissen, seine inhaltlichen Perspektiven und sein gelassener Blick auf die Risiken und Chancen von Beziehungskrisen werden uns erhalten bleiben. Wolf Ritscher, der auch seit langen Jahren mit Hans Jellouschek immer wieder zu tun hatte, hat für systemagazin einen Nachruf verfasst.

Wolf Ritscher, Unterreichenbach: Hans Jellouschek (1939 – 2021) – Therapeut, Lehrer und Schriftsteller aus Leidenschaft

Am 22.9.2021 ist Hans Jellouschek im Alter von 82 Jahren gestorben. Sein Geburtsort war das österreichische Linz, ab 1971 wurde er in Tübingen und später Ammerbuch heimisch.

Er war in vielerlei Hinsicht ein bemerkenswerter und außergewöhnlicher Mensch. Nach seinem Abitur 1957 trat er in den Orden der Jesuiten ein – den Intellektuellen unter den katholischen Ordensgemeinschaften und studierte in diesem Kontext Theologie und Philosophie. 1968 verließ er den Orden, promovierte 1969 mit einer Arbeit über den historischen Jesus im Werk des Theologen Wolfhart Pannenberg und siedelte dann wenig später, wie schon erwähnt, ins Schwabenland über. Sein Interesse an der Psychotherapie richtete sich zunächst auf die Transaktionsanalyse nach Eric Berne, so dass er sich in diesem Verfahren als Therapeut und später als Lehrtherapeut qualifizierte. Von der Transaktionsanalyse, die ihr von der Psychoanalyse abgeleitetes Modell der psychischen Struktur (Kind-Ich, Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich) mit einem Modell der Transaktionen zwischen Personen/Rollen und zwischen den drei Ich-Strukturen verbindet, ist es nur ein kleiner Schritt zu einem systemischen Verständnis von Beziehungen und der therapeutischen Prozesse. Diesen Weg ist Hans Jellouschek gegangen – konsequent und mit einer bewundernswert ruhigen, auf missionarische Überzeugungsversuche verzichtenden Leidenschaft für sein Projekt – die Beziehung von Paaren und deren Therapie. Mit einem auch heute noch lesenswerten Buch über Stieffamilien als Co-Autor zusammen mit Verena Krähenbühl, seiner damaligen Frau Margret Kohaus –Jellouschek und Roland Weber, begann seine Karriere als Autor über Themen der Paar- und Familientherapie. In diesem Werk beschrieb das AutorInnenteam die Arbeit mit Patchworkfamilien – damals noch theoretisches und therapeutisch-praktisches Neuland – zumindest im deutschsprachen Raum. Es folgten Arbeiten über Märchenmotive, die sich in Paarbeziehungen wiederfinden lassen, z.B. das Buch über den Froschkönig. Hier wurde schon ein zentraler Aspekt seines theoretisch-praktischen Verständnisses von Paardynamik und -therapie deutlich: Paarbeziehungen bieten, wenn die PartnerInnen sich in Konflikten und Missverständnissen verstrickt haben, gerade durch diese Konflikte die Möglichkeit der gemeinsamen Weiterentwicklung. Ganz so wie im Märchen vom Froschkönig, in dem der verwünschte Prinz und die noch ziemlich in kindlichen Wunschphantasien festgefahrene Prinzessin sich finden können, weil sich das bisher negativ konnotierte Erscheinungsbild in eine neue attraktive Gestalt verwandelte. In diesem Sinne war Entwicklung die zentrale Perspektive in Hans Jellouscheks paartherapeutischem Konzept, wie auch der Zusammenklang von Paardynamik und Umwelt. Denn es finden nicht nur Prinz und Prinzessin zueinander, sondern auch Heinrich, der Diener und Kutscher wird von seinen Eisenringen befreit, die ihm seit der Verzauberung des Prinzen die Brust abschnüren – eine Metapher für die Abspaltung der nicht auszuhaltenden Gefühle des Verlassenseins und Bindungsverlustes. Systemisch gesprochen geht es hier nicht nur um eine Dyade, sondern eine triadische Weiterentwicklung.

In vielen weiteren Büchern hat Hans Jellouschek seine paartherapeutischen Erfahrungen in einer Form weitergegeben, die nicht nur das Wissen der PaartherapeutInnen bereichert hat, sondern auch in der Krise befindlichen Paaren Anregungen für eigene Lösungsprozesse finden ließ. Das machen schon Titel deutlich wie „Trennungsschmerz und Neubeginn“, „Der „Schlüssel zur Treue“, „Was heilt uns?“, „Familie werden – Paar bleiben“, „Wie Partnerschaft gelingt – Spielregeln der Liebe“, „Im Irrgarten der Liebe“ und viele mehr. Therapie muss also nicht immer im Sprechzimmer stattfinden, sondern kann sich auch im Lesen ereignen. An diesem Punkt lässt sich noch ein weiterer zentraler Aspekt seines therapeutischen Denkens und Handelns Denkens verorten: den Kompass der Entwicklung und Veränderung halten die Paare selbst in ihren Händen.

Ich habe Hans Jellouschek Anfang der neunzehnhundertachtziger Jahre auf einem Workshop mit Karl Tomm und Max van Trommel kennen gelernt. In einem Rollenspiel repräsentierte er einen Familienvater, der sich in einer psychotischen Krise befand, ich selbst war ein aufmüpfiger Teenager. Schon nach wenigen Takten des Rollenspiels war klar: hier zeigt jemand, dass er mit allen Höhen und Tiefen, allen Fallstricken aber auch positiven Handlungsmöglichkeiten alltäglicher Kommunikation vertraut ist. Dieses Wissen in Kombination mit der eigenen Lebenserfahrung hat es Hans Jellouschek ermöglicht, auch in schwierigen Situationen die therapeutische Beziehung zu erhalten und Therapie als einen sicheren Platz zu gewährleisten.

Er hatte die Gabe, aus der therapeutischen Beziehung heraus einen eigenen und selbst gestalteten Entwicklungsprozess der Paare anzuregen und sich auch zurückzuziehen, wenn diese Eigendynamik sich entfaltete. Und er war ein Lehrer für uns, die sich als Professionelle für paartherapeutische Prozesse weiter entwickeln wollten. In dieser Funktion haben wir ihn auch als hilf- und einflussreichen Wissensvermittler und Erfahrungsanreger in Workshops am Bodensee-Institut erlebt. Und ich denke, dass dies auch in anderen Ausbildungskontexten so war.

Wir haben viel von ihm gelernt, und danken ihm dafür von ganzem Herzen.

((Wolf Ritscher ist Lehrtherapeut am Bodenseeinstitut für systemische Therapie und Beratung Radolfzell)

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