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Systemische Interaktionstherapie und unterstützende Methoden in der Praxis

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V. Rhein (Hrsg.): Systemische Interaktionstherapie und unterstützende Methoden in der Praxis

V. Rhein (Hrsg.): Systemische Interaktionstherapie und unterstützende Methoden in der Praxis

Johannes Herwig-Lempp, Halle:

Bereits der Kontext, in dem dieses Buch bzw. die gesamte Reihe „Moderne Heimerziehung heute“ erscheint, ist bemerkenswert: In der Ev. Kinderheim Jugendhilfe Herne & Wanne-Eickel gGmbH wird seit über zehn Jahren die „Systemische Interaktionstherapie (SIT)“ in unterschiedlichen Projekten und Angeboten angewandt. Es handelt sich um ein „elternaktivierendes“ (genau genommen kann man wohl, auch aus der SIT-Perspektive, davon ausgehen, dass die Eltern bereits aktiv sind und nicht erst „aktiviert“ werden müssen) Konzept, das von Michael Biene (Berlin) für die Jugendhilfe entwickelt wurde. Die vom Geschäftsführer der Einrichtung, Volker Rhein, herausgegebene Reihe versammelt Beiträge der Mitarbeiter/-innen, in denen diese die praktische Umsetzung dieses Konzept in ihrem Arbeitsalltag darstellen.

Band 4 wird mit einem Beitrag eröffnet, in dem der Erziehungsleiter Thomas Paluszek gemeinsam mit den beiden externen Beratern Mathias Schwabe und Michael Biene eindrücklich zeigt, wie das SIT-Modell anhand von zwei ganz unterschiedlichen Familien sinnvoll angewendet werden kann. Bei der einen Familie hatte sich zuvor zwischen Profis und Eltern – anhand einer Typologie der Autoren – ein „Kampfmuster“ entwickelt, bei der anderen wurde ein „Abgabe-Abnahmemuster“ festgestellt. Der Beitrag rekonstruiert im Detail und sehr gut nachvollziehbar, wie in beiden Fällen SIT den Profis ermöglicht, eine andere, „nützlichere“ und kooperativere Haltung einzunehmen. Insbesondere wird deutlich, dass es nicht die Klientinnen sind, die sich als erstes „ändern müssen“. Vielmehr geht man bei diesem Modell davon aus, dass die Profis die Verantwortung für Veränderung zunächst vor allem bei sich selbst sehen – und sie dadurch leichter wirklich werden lassen. Die multiperspektivische Darstellung, bei der neben den Berichten der Mitarbeiter und der externen Berater auch die Sichtweisen der Eltern und der Jugendamtskolleginnen aufgegriffen und zudem um Kommentare aus SIT-Sicht ergänzt werden, bereichert das Fallverstehen der Leserinnen.

Alle Beiträge des Bandes sind von großer Offenheit, sie geben Einblicke in den Alltag der verschiedenen Arbeitsbereiche des Trägers, sind gerade dadurch anregend – und ermutigen hoffentlich zum Nachmachen: Volker Rhein zeigt, wie das SIT-Modell innerhalb der Einrichtung verstanden und erklärt wird. Sabrina Rabe-Lipp wendet das Modell in der Arbeit mit Familien, in denen Essstörungen vorkommen, an – und gibt ein ganz praktisches Beispiel. Auch Kristina Sollich demonstriert ihre Anwendung und ihre Reflexionen durch die gekonnte Kommentierung einer von ihr durchgeführten Beratung – und thematisiert gleichzeitig ihre eigenen, durch die Fortbildung in SIT bewirkten Veränderungen. Ohne konkrete Beispiele, aber dennoch praxisnah stellen Marianne Buch eine von ihr entwickelte Form der Elterngruppenarbeit und Olympia Kirchberg körperorientierte Arbeit mit essgestörten jungen Frauen in einer stationären Einrichtung dar.

Der Band schließt mit einer eher theoretischen, aber dennoch sehr anregenden Betrachtung von Mathias Schwabe, der Konflikte zwischen Jugendlichen und Erwachsenen (also zum Beispiel auch Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen) als einen „Kampf um Anerkennung“ beschreibt – und daraus Handlungsoptionen ableitet, so dass es doch wieder praktisch wird.

Die Mitarbeiterinnen dieser Einrichtung haben etwas zu erzählen – ihr Buch ist in seiner Praxisnähe und Anschaulichkeit so gelungen, dass es für andere Teams und Einrichtungen nicht nur inspirierend in Bezug auf ihren Alltag sein wird. Es kann zugleich auch ein gutes Beispiel und Vorbild dafür abgeben, wie ein Träger ein bewährtes Modell anwenden, reflektieren und gemeinsam nach außen weitergeben kann: denn möglicherweise haben noch viel mehr Einrichtungen etwas zu erzählen. Auf jeden Fall macht dieser Band Lust auf mehr Informationen von der Basis – und vielleicht regt er weitere Teams an, von sich selbst und der eigenen erfolgreichen Arbeit zu berichten.

(mit freundlicher Genehmigung aus systhema 1/2015)

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Zur website des Ev. Kinderheims Herne

info

 

 

Volker Rhein (Hrsg.) (2013) Moderne Heimerziehung heute – Band 4: Systemische Interaktionstherapie und unterstützende Methoden in der Praxis. Herne (Frisch Texte Verlag)

Verlagsbeschreibung:

Es ist an der Zeit, die Praxis der Elternaktivierung, wie sie im Evangelischen Kinderheim Herne stattfindet, unter die Lupe zu nehmen und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In sieben Beiträgen berichten mehrere Autoren, die alle Mitarbeiter der Ev. Kinderheim Jugendhilfe Herne & Wanne-Eickel gGmbH sind oder waren, sowie Herr Biene aus unterschiedlichen Systemen, Projekten und pädagogischen Angeboten aus ihren verschiedenen Rollen und Perspektiven über die Erfahrungen aus dieser Praxis.

Inhalt

Die Geschichte der Systemischen Interaktionstherapie (SIT) in der Ev. Kinderheim Jugendhilfe Herne & Wanne-Eickel gGmbH

1. Das Herner Triangel Modell
2. Elternaktivierende Angebote auf Grundlage der SIT
3. Wie kam Triangel nach Herne?
4. Was damit anfangen ???
5. Elterngruppen
6. Schlusswort
7. Zeittafel

Der SIT-Ansatz

1. Vorwort
2. Der SIT-Ansatz
2.1 Musterdiagnose und Musterarbeit
2.1.1 Scheinkooperation
2.1.2 Problemtrance
2.1.3 Hypnotalk
2.1.4 Zielplakate
2.1.5 Rollenspiele
2.1.6 SIT-Elternarbeit
2.2 Ausgangssituation
2.2.1 Kampfmuster
2.2.1.1 Jugendamt
2.2.1.2 Eltern
2.2.1.3 Anbieter
2.2.2 Abgabemuster
2.2.2.1 Jugendamt
2.2.2.2 Anbieter
2.2.3 Eltern fühlen sich zuständig für die Veränderung ihres Kindes (Kooperation)
2.2.3.1 Eltern
2.2.3.2 Eltern – Anbieter
2.2.3.3 Eltern-Kind-Prozess
2.2.3.4 Jugendamt 34
2.2.4 Arbeit mit den Kindern in konkreten Lebenssituationen
2.2.4.1 Eltern
2.2.4.2 Anbieter
2.2.4.3 Kind

Zehn Konzepte im Rahmen des Herner Modells der Systemischen Interaktionstherapie

Konzeption Triangel Eltern-Kind-Haus
1. Einleitung
2. Rechtliche Grundlagen
3. Lage des Eltern-Kind-Hauses
4. Zielgruppe
4.1 Welche Familien kommen zu Triangel?
5. Zusammenarbeit mit dem Jugendamt
6. Der Arbeitsprozess
6.1 Aufnahmen
6.2 Alltag
6.3 Arbeit mit den Kindern
6.4 Ablösung
7. Einbindung in die Institution
8. Weiterführende und ergänzende Maßnahmen
9. Zusammenarbeit
10. Mitarbeiter/innen
11. Personalanhaltswert Mitarbeiter

Konzeption der SIT Mutter-Kind-Aktivierung/Eltern-Aktivierung

1.Einleitung
Konzeption der Triangel-Wohngruppe
Konzeption Triangel-Eltern-Kind-Appartement
Konzeption Tagesgruppe in Schule
Konzeption der Sozialen Gruppenarbeit / SIT-Familienarbeit
Konzeption der Elternaktivierung Interaktionstherapie Triangel ambulant
Konzeption der Flexiblen Erziehungshilfe Regionalbüro Dortmund
Konzeption „Annie“ trifft Triangel 105 Konzeption TE.TR.AS

Gutachten für die Evangelische Kinderheim Herne & Wanne-Eickel gGmbH

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