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systemagazin Adventskalender: Zwischen Engagement und Distanzierung

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Tom Levold, Köln: Zwischen Engagement und Distanzierung

Dass der Adventskalender auch in diesem Jahr 24 Türchen voll bekommen würde, habe ich bis vor wenigen Tagen noch nicht so richtig geglaubt – der Vorrat reichte immer nur für wenige Tage. Umso erfreuter bin ich, dass es wie in den vergangenen Jahren am Schluss doch ein spannender und auch gelegentlich spannungsgeladener Kalender geworden ist. Dafür möchte ich mich schon jetzt bei allen bedanken, die zu diesem Kalender mit ihren Texten beigetragen haben.

Mit meiner Einladung, über „systemisches Engagement“ nachzudenken, habe ich mir nicht wirklich klargemacht, welchen Raum für unterschiedliche Bedeutungen ich damit eröffnet habe. Aber irgendwie war dieser Begriff  irreführend und produktiv zugleich. Mein persönlicher Ausgangspunkt war die Beschäftigung mit der Frage, wofür ich mich engagiere und engagieren will – oder eben auch nicht – und welche Rolle systemisches Denken und Handeln hierfür spielen kann. Die inhaltliche Fülle und Breite der Beiträge hat deutlich gemacht, dass unter Engagement sehr viel Unterschiedliches verstanden werden kann.

Tom Levold

Etymologisch leitet sich der Begriff des Engagements von „Gage“ (franz.: Pfand, Bürgschaft) ab, das Verb „engager“ dazu bedeutet entsprechend „verpfänden, verpflichten, binden“, als „engagieren“ taucht der Begriff Mitte des 17. Jahrhunderts auch im Deutschen auf. Zu diesem Wortverständnis, nämlich Jemanden zu verpflichten, kommt dann ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine subjektive Konnotation des subjektiven Berührt- und Betroffenseins hinzu. Unser heutiges Verständnis von Engagement als einem mit einer inneren Motivation einhergehenden Einsatz für eine bestimmte Sache ist dann erst zu Beginn des letzten Jahrhunderts aufgekommen. Aus der transitiven Verpflichtung (mit der Gage als Bindemittel) ist die reflexive Selbstverpflichtung geworden.

Sucht man nach Synonymen für Engagement, stößt man auf Wörter wie Aktivität, Anstrengung, Anteilnahme, Beteiligung, Bindung, Eifer, Einsatz, Energie, Hingabe, Kraftanstrengung, Mitwirkung, Teilnahme, Verbundenheit, Verpflichtung usw. Die Frage, wem oder was unser Engagement gilt, ist damit nicht beantwortet. Es wird aber deutlich, dass Engagement als solche keine Tugend darstellt – oder, um ein geflügeltes Wort zu benutzen: eher eine Sekundärtugend ist. Man kann mit Engagement ebenso ein KZ betreiben oder demokratische Institutionen zertrümmern wie Wale retten oder für Bürgerrechte kämpfen – oder Briefmarken sammeln. Engagement beruht also zwangsläufig immer auf Werteentscheidungen und Präferenzen. Unsere Wertvorstellungen geben uns eine Orientierung, welche Dinge unser Engagement wert sind – und selbst hier können wir uns nicht für alles, was uns wertvoll erscheint, engagieren, sondern müssen angesichts der Begrenztheit unserer Ressourcen an Zeit, Energie, Geld und Aufmerksamkeit eine Wahl treffen.

Kann also Engagement überhaupt „systemisch“ sein? Das hätte wohl zur Voraussetzung, dass uns die Systemtheorie Werteorientierungen an die Hand geben könnte, die unserem Engagement eine Richtung zeigen würde. Einige Beiträge im Kalender haben darauf hingewiesen, dass das aus guten Gründen nicht zu erwarten ist. Systemtheorien sind ethisch steril – und in dieser Hinsicht auch bescheiden. Sie beschränken sich auf die Beobachtung von Werteentscheidungen – und die damit einhergehenden Konfliktlagen und Semantiken. Wertekonflikte sind unabdingbar, weil Werte selber keine Regeln enthalten für den Fall des Konfliktes zwischen Werten. Wir können nicht auf Werte zurückgreifen, um Werteentscheidungen zu legitimieren. Es gibt also keine transitive oder hierarchische Ordnung von Werten, und: „Je mehr Werte es gibt, desto weniger ist ihnen zu entnehmen, wie zu entscheiden ist“ (Luhmann). Klar ist nur, dass man sich innerhalb der eigenen Weltsicht für das jeweils Gute, Sinnvolle oder Nützliche engagieren möchte.

Im Unterschied zur Systemtheorie gibt es im systemischen Feld allerdings eine beobachtbare Tendenz, „systemisch“ selbst für eine Wertorientierung zu halten (die womöglich auch moralische Überlegenheitsgefühle gegenüber nicht-systemischen Personen oder Konzepten verschafft). Aus dieser Perspektive könnte es dann vielleicht auch ein „systemisches Engagement“ geben. Systemtheoretisch gedeckt ist das aber nicht. In einem anderen Sinne kann es natürlich das Engagement für ein systemisches Projekt oder das Engagement von Systemikern (auf der Basis ihrer jeweiligen Werteorientierungen) für die unterschiedlichsten Dinge und Anliegen geben: gute Therapie zu machen, sich in politische Auseinandersetzungen einzumischen, Zivilcourage im Alltag aufzubringen etc. Auch hierüber ist im Adventskalender viel zu lesen gewesen (der ja selbst in gewisser Weise von beidem etwas hat) – und ich freue mich, an diesen Positionen und Geschichten Anteil nehmen zu können.

Der Adventskalender gehört seit Jahren zu den „Hits“ im systemagazin und erfährt viel Resonanz – und Kommentare. Die meisten Rückmeldungen bekam in diesem Jahr Lothar Eder mit seinem Beitrag „Engagement? — Degagement!“, in dem er für eine Erlaubnis zur Rücknahme und Begrenzung von Engagement und für „Abstand zur Welt und zur eigenen Verstricktheit mit der Welt“ in einer Zeit plädiert hat, die zunehmend von individuellen und kollektiven Engagement-Erwartungen geprägt wird.

Das scheint mir eine interessante Denkfigur zu sein. Ich möchte sie unabhängig von Lothar Eders Gesellschaftsdiagnose betrachten, die natürlich auf seine Wertvorstellungen schließen lässt, welche sich in den meisten Aspekten mit den meinen nicht decken. Darüber zu streiten, ist in Ordnung und wünschenswert, aber hier geht es mir um etwas anderes, nämlich die Frage, inwiefern die politische Polarisierung, die wir momentan allenthalben erleben, etwas mit der fehlenden Balance von Engagement und Degagement zu tun hat.

Wenn wir auf den gesellschaftlichen Themenvorrat schauen, der zur Zeit mit Engagement (und Engagement-Forderungen) ausgestattet ist, finden wir: Klimakatastrophe, Islam, Sicherheit, Abtreibung, sexuelle Gewalt, soziale Ungleichheit, Überwachung, Bürgerrechte, Migration, Tierschutz, Korruption und viele andere Themen. Parteien, Bewegungen und andere Akteure nehmen sich dieser Themen mit Engagement an, jeweils auf der Grundlage ihrer eigenen Wertvorstellungen, die darüber entscheiden, ob man z.B. Flüchtlinge aufnehmen und bei der Integration unterstützen möchte oder die Massenintegration als „Islamisierung“ der Gesellschaft bekämpfen möchte. Ob man Bürgerrechte zugunsten von Sicherheitserwägungen aufheben will oder ob man zugunsten der Freiheit auf Sicherheit verzichtet. Das Problem liegt wahrscheinlich nicht darin, dass es hierzu sehr verschiedene Positionen gibt, die sich nicht auflösen lassen, sondern im damit verbundenen „Zutagetreten massiver Borniertheiten“, wie Niklas Luhmann in einem erhellenden Beitrag für die FAZ am 27.1.1993 schrieb: „Dabei ist es nicht das Problem, daß das Individuum borniert denkt. Das sowieso. Was auffällt, ist die Kommunikation bornierter Meinungen in der Erwartung von Zustimmung – wenn nicht von allen, dann doch von Gleichgesinnten. Borniertheit zeigt sich zustimmungsfähig vor allem in religiösen und ethnischen Fundamentalismen, die bis in nationale Engstirnigkeit ausgeweitet werden können. Formal gesehen, geht es darum, daß man seinen Präferenzen soziale Grenzen setzt – die Kroaten ja, die Serben nein, die Schiiten ja, die Sunniten nein. Das heißt mit Entschiedenheit, daß die Empathie nicht über diese Grenzen hinausreicht, obwohl man zugleich weiß, daß sie kontingent gezogen sind und zu vielerlei anderen Interessen, vor allem natürlich wirtschaftlichen und intellektuellen Interessen, in Widerspruch geraten: Zur Borniertheit gehört daher auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit in der Behauptung des Vorrangs der bornierten Interessen vor allen anderen. Ganz offensichtlich gehört die grassierende Ausländerfeindlichkeit in diesen Zusammenhang.“ Heute kann man ergänzen: die identitären „Verteidiger des Abendlandes“ ebenso wie die zahlreichen PC-Aktivisten usw.

Engagement wird also dann zum Problem, wenn es borniert wird – und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit Gegenpositionen verschwindet (die man ja erst einmal als vorhanden – und satisfaktionsfähig – akzeptieren muss). Degagement (ein veralteter Begriff für „Zwanglosigkeit“ bzw. Befreiung von Verbindlichkeit) ist da vielleicht kein schlechter Begriff.

Als Systemiker kennen wir die schismogenetische Dynamik von Polarisierungen. Die Anerkennung unterschiedlicher Sichtweisen, das Gute im Schlechten und das Schlechte im Guten zu sehen, ein Verständnis von nichtintendierten Folgen nichtlinearer Systemdynamiken ist uns vertraut. Unsere Erfahrungen sprechen eher für Balance- als für Maximierungs- oder Minimierungs-Strategien (innerhalb notwendiger Überlebens- und Verträglichkeitsbedingungen). Eine Balance von Engagement und Degagement eröffnet einen Blick darauf, wieviel oder wie wenig Engagement gut tut und sinnvoll ist. Wo droht die Gefahr der Borniertheit? Wo führt Degagement dazu, dass existentielle Notwendigkeiten übersehen oder missachtet werden? Auch dies wieder Fragen, die an Werteentscheidungen und -debatten geknüpft sind.

Aus gegebenem Anlass habe ich noch einmal Norbert Elias’ Essay „Engagement und Distanzierung“ gelesen (1983 bei Suhrkamp erschienen) – bei dem es nicht um ein politisches, sondern ein wissenssoziologisches Werk handelt, in dem sich Elias mit den unterschiedlichen Zugängen der Natur- und der Menschenwissenschaften zur Welt beschäftigt. Sein Ausgangspunkt dabei ist, „dass in Gesellschaften wie den unseren das Verhalten und Erleben der Menschen in bezug auf die Ebene des nicht-menschlichen Naturgeschehens ein höheres Maß an Distanzierung, ein geringeres Maß an emotionalem Engagement zeigt als in bezug auf die des menschlich-gesellschaftlichen Geschehens“ (S. 11). Das war solange nicht der Fall, als die Naturphänomene als eng verbunden mit den eigenen Lebenserfahrung (als Zeichen, Strafe oder Ausdruck göttlichen Willens) erlebt wurden.

Elias macht aber interessante Bemerkungen über die Notwendigkeit einer Balance aus Engagement und Distanzierung, die ich an dieser Stelle zitieren möchte:

„Normalerweise liegt Erwachsenenverhalten und -erleben auf einer Skala zwischen diesen beiden Extremen. Je nach dem Stand der gesellschaftlichen Entwicklung neigt es mehr dem einen oder mehr dem anderen der beiden Pole zu; auch kann es sich in der gleichen Gesellschaft, entsprechend dem Steigen oder Fallen des sozialen oder psychischen Drucks, nach dieser oder jener Seite hin verschieben. Aber das gesellschaftliche Leben der Menschen, wie wir es kennen, würde zerbrechen, wenn die Standards des Erwachsenenverhaltens zu weit in die eine oder die andere Richtung gingen. Präzise gesagt: die Möglichkeit eines jeden geordneten Gruppenlebens beruht auf dem Zusammenspiel zwischen engagierenden und distanzierenden Impulsen im menschlichen Denken und Handeln, die sich gegenseitig in Schach halten. Sie mögen miteinander kollidieren, mögen um Vorherrschaft oder Kompromisse ringen und Legierungen in den verschiedensten Mischverhältnissen und Gestalten eingehen – bei aller Vielfalt ist es die Beziehung zwischen beiden, die den Kurs der Menschen bestimmt. Durch den Gebrauch dieser Begriffe verweist man also auf wechselnde Balancen zwischen zwei Typen von Verhaltens- und Erlebensimpulsen, die in den Beziehungen von Menschen zu Menschen, zu nichts-menschlichen Objekten und zu sich selbst (was immer ihre sonstigen Funktionen sein mögen) mehr zum Engagement oder mehr zur Distanzierung hindrängen“ (10).

Systemtheorie lässt sich aus dieser Perspektive gut als ein distanzierter Ansatz der Weltbetrachtung einordnen. Auch Elias benennt die Gefahr, die mit der Borniertheit durch übersteigertes Engagement einher geht:

„Gruppenbilder wie etwa von Klassen oder Nationen, die Rechtfertigungen ihres Eigenwerts, die Gruppen entwickeln, bilden in der Regel ein Amalgam von realistischen Beobachtungen und kollektiven Phantasien (die wie die Mythen einfacherer Völker als Handlungsmotive real genug sind). Die ersteren von den letzteren zu sondern, diesen Gruppen einen Spiegel vorzuhalten, indem sie sich sehen können, nicht wie sie einem engagierten Kritiker der Gegenseite, sondern wie sie einem distanzierter Forscher erscheinen mögen, ist nicht nur an sich schon schwierig genug für jemanden, dessen Gruppe in solche Kämpfe verwickelt ist – ein realistischeres Bild, wenn es öffentlich vorgestellt wird, droht auch, den Zusammenhalt und das Solidaritätsgefühl der eigenen Gruppe und damit ihre Überlebensfähigkeit zu schwächen. Es gibt in der Tat in all diesen Gruppen einen Punkt der Distanzierung, über den keines ihrer Mitglieder hinausgehen kann, ohne in den Augen seiner Gruppe als Ketzer zu erscheinen (und es derart zu werden), mögen auch seine Vorstellungen oder Theorien noch so sehr mit den beobachtbaren Fakten über einstimmen und sich dem annähern, was wir die ‚Wahrheit‘ nennen“ (28).

Leider können wir derzeit, befeuert durch das Internet und die Massenmedien, eine beispiellose Ent-Distanzierung in allen Bereichen menschlicher Kommunikation, die Zunahme von Borniertheit und Moralisierung sowie die Enthemmung von Engagement beobachten, die die allseits beklagte Polarisierung der Gesellschaft befördert. Die Balance von Engagement und Distanzierung sollte dabei nicht für ein Weichspülerprogramm in notwendigen politischen Auseinandersetzungen missverstanden werden. Es geht vielmehr auch um ein Beharren auf zivilisatorischen Prinzipien. Carlo Strenger hat das in seinem Buch über „Zivilisierte Verachtung“ so ausgedrückt: „Zivilisierte Verachtung ist die Fähigkeit, zu verachten, ohne zu hassen oder zu dehumanisieren. Dies ist das Prinzip der Menschlichkeit. (…) Der Begriff bezeichnet (…) die Fähigkeit, Zivilisationsnormen auch gegenüber jenen aufrechtzuerhalten, deren Glaubens- und Wertsysteme man nicht akzeptiert“. Das fällt mir offen gestanden nicht immer leicht, gerade im Umgang mit Feinden der Zivilisation und Aufklärung – wie Donald Trump und Konsorten (Aber alles andere hieße, selbst Hand an die Grundpfeiler der Zivilisation zu legen). Für eine solche Haltung Verantwortung zu übernehmen, wäre zumindest nicht unsystemisch.

Back on the blog: Der diesjährige Kalender war für mich ein wohltuendes Beispiel für eine Balance und die feinen Facetten zwischen Engagement und Distanzierung.

Ich wünsche Ihnen allen schöne Weihnachten und danke nochmals für die Texte hinter den Türchen – und deren Öffnung durch die geneigte Leserschaft.

Tom Levold

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5 Kommentare

  1. Dörte Foertsch sagt:

    Lieber Tom,
    dieser Adventskalender begann mit einer ungewöhnlichen Frage. So hatte ich mir diese noch nicht gestellt obwohl es sich manchmal so anfühlt, daß meine systemischen Überzeugungen mich in manch einem Tun auch leiten. Von Türchen zu Türchen entwickelte sich etwas und machte mich immer neugieriger, was am Ende wohl dabei herauskommen würde, aber hoffentlich ist noch kein Ende in Sicht, denn dann wäre die Diskussion erledigt, wie schrecklich!
    Vielen Dank, dass Du dieses Forum zur Verfügung stellst!!! Bis zum nächsten Jahr, liebe Grüße Dörte

  2. Wolfgang Loth sagt:

    Lieber Tom, sei herzlich bedankt. Ich denke, Adventskalender sollen nicht beruhigen, auch wenn das vielleicht die gängige Erwartung ist, sondern sollen der unumgänglichen Unruhe konstruktive Zudenk-Möglichkeiten eröffnen. Wenn es gut läuft, könnte das die (adventliche) Erwartung stärken, dass es zu einem guten Ende kommt (von was auch immer). Und noch immer ist „Weihnachten“ DAS Symbol für ein gutes Ende der Erwartung – weil ein guter Beginn von etwas Neuem (also auch neuer Unruhe). Seit allerdings unter der Führung von amazon ein multinationales Gigakonsortium den Kirchen die Marke „Weihnachten“ abgekauft hat (mit der mittelfristigen Folge, dass in Bälde einmal monatlich Weihnachten stattfinden wird, es also 12 Adventskalender im Jahr geben wird…), wobei, ich bin mir nicht sicher, wer mir diese Fegnuß verkauft hat, lassen wir’s also (beim alten Erwarten)…
    Vielleicht noch ein kleines Zitat des Tages zu dem, was Du schreibst. Kürzlich las ich den „Grundriss einer sozialpsychologischen Respekttheorie“. Da schreibt Bernd Simon u.a.: „ Toleranz bedeutet, dass wir keineswegs unsere Ablehnung „des Anderen“ aufgeben müssen, um tolerant zu sein (…) Allerdings verlangt Toleranz von uns, dass wir diese Ablehnung zügeln.“ Und etwas später: „Es macht also überhaupt nur dann Sinn, von Toleranz gegenüber anderen zu sprechen, wenn weiterhin Ablehnung im Spiel ist (z.B. Ablehnung der anderen Kultur oder Lebensweise). Darüber hinaus setzt Toleranz jedoch voraus, dass ich trotz dieser Ablehnung die anderen als Gleiche respektiere. Nur dann ist Toleranz mehr als bloße Duldung, die nach Gutsherrenart und/oder aufgrund instrumenteller Erwägungen gewährt, aber eben auch wieder in gleicher Weise entzogen werden kann“. Und weiter: „Gleichzeitig ist eine solche Auffassung von Toleranz aber auch nicht mit allzu großen Harmonieerwartungen und weitergehenden Forderungen nach Wertschätzung oder sogar Zuneigung überfrachtet“ (Psychologische Rundschau 68(4); Zit. S.247).
    Weihnachten mit Schwarzbrot also, es gäbe zu tun (s’engager) aber auch die Notwendigkeit sich zu besinnen (se degager). Der Advent mit der Hoffnung auf eine belebend-lebbare Balance der beiden wäre dann wohl noch nicht wirklich zu Ende. Dennoch und überhaupt: Frohe Weihnachten!

  3. FBSimon sagt:

    Lieber Tom,
    an dieser Stelle herzlichen Dank, nicht nur für Deine Bemühungen um die Aufrechterhaltung eines zivilisierten Diskurses (inklusive zivilisierter Verachtungsmöglichkeiten) im systemischen Feld (das ganze Jahr über und speziell im Adventskalender), sondern auch für Deinen heutigen Beitrag, dem ich voll und ganz zustimme.
    Frohes Fest, Fritz

  4. Clemens Lücke sagt:

    Lieber Tom
    Ich war diesmal aktiv nicht dabei, aber „engagierter“ Leser. Hier nochmal vielen Dank an die Beitragsschreiber, aber besonders an Dich Tom! Für Dein „Engagement „ für uns und das, wie auch immer, Systemische
    Dein und Euer Clemens Lücke verbunden mit guten Weihnachtswünschen

  5. Martin Rufer sagt:

    Lieber Tom

    Hab Dank für Deine unermüdliche,engagierte Initiative, auch uns immer wieder zu engagieren. Auch wenn der (systemische) Diskurs zunehmend in gelichteten Reihen und unter älteren Semestern stattfindet, ist er deswegen nicht auch überflüssig. Ob er dereinst verschwindet wie der “Borsalino”, der in diesen Tagen Konkurs anmelden musste, weiss ich nicht. Zu hoffen ist, dass er nicht gleichsam “Deppenhütchen” Platz macht…
    Sicher ist, dass das systemtheoretisch basierte Denken und Handeln in komplexen Zusammenhängen (wo eben nicht Alles mit Allem zusammenhängt) bleiben wird, losgelöst davon, ob und wie wir uns engagieren oder distanzieren. Komplexität aber ist kein Synonym für kompliziert. Wir Systemiker – und hier stehen wir den Analytiker um nichts nach – drohen in diesem Diskurs gerne die Bodenhaftung zu verlieren, so dass unsere Sprache nicht mehr verstanden und die Verständigung beim Turmbau (von Babel) verloren geht. Dabei geht oft vergessen, engagiert oder degagiert, dass ich mit meiner Person, meinem Bedürfnis nach Resonanz, Anerkennung oder gar “Recht haben” die treibende Kraft bin.. Nietzsche hat einmal gesagt: “Die Forderung geliebt zu werden, ist die grösste der Anmassungen”. Die Antwort darauf wäre also Bescheidung und wer weiss, vielleicht ereignet sich etwas, das wir so nicht voraussehen konnten.

    In diesem Sinne “fröhliche Weihnachten”, verbunden mit meinen guten Wünschen für Dein fortgesetztes Engagement im neuen Jahr!
    Herzlich, Martin

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