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Psychotherapeutische Vergütung konstruieren – Systemische Therapie als Kassenleistung

| 3 Kommentare

Bei allem Jubel über die sozialrechtliche Anerkennung, mit der Systemische Therapie zukünftig als Kassenleistung abgerechnet werden kann, stellt sich die Frage, was denn da genau abgerechnet werden soll. Auf jeden Fall die „Behandlung von Störungen mit Krankheitswert“, die von Systemikern dann natürlich auch als solche ausgewiesen werden müssen. Ebenso spannend ist die Frage, ob ein Herzstück des systemischen Ansatzes, nämlich die Arbeit mit Mehrpersonensystemen bzw. die Einbeziehung der relevanten Kontexte in den therapeutischen Prozess angemessen bezahlt wird. Damit ist nicht zu rechnen. Ähnlich wie in Österreich jetzt schon wird Systemische Therapie sich daher im Setting und der Organisation nicht wesentlich von den anderen jetzt schon kassenfinanzierten Verfahren unterscheiden – was auf die Arbeit mit individuellen Patienten und ICD-Diagnose hinausläuft.

Klaus G. Deissler und Ahmet Kaya aus Marburg haben ein Papier verfasst, in den sie für die Bezahlung „durchgeführter Einheiten der Zusammenarbeit im Mehrpersonensystem plädieren“, die auch den Einsatz bewährter Vorgehensweisen wie z.B. des Reflecting Teams ermöglichen könnte. Mit einer Realisierung dieses Vorschlages darf nicht gerechnet werden.

Zum vollständigen Text geht es hier…

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3 Kommentare

  1. Pamina sagt:

    Sehr geehrter Herr Rufer,

    was genau meinen Sie mit “… auf dem Hintergrund der Wirksamkeitsforschung von Psychotherapie eine “schulenspezifische” Unterscheidung von “Erfolg bzw. Misserfolg” obsolet…”. Ich danke für eine nähere Erläuterung für mein besseres Verständnis. MfG R.S.

  2. Lothar Eder sagt:

    Ich wäre dafür, die Idee von Klaus und seinem Kollegen umzusetzen. Allerdings in etwas modifizierter Form, d.h. ohne nach 30 Stunden den dogmatischen Betondeckel auf das Zeitkontingent zu machen. Systemiker/innen müssen eben lernen, sich mit ihrer Klientel auch über längere Zeit hinweg zu unterhalten, ohne dass es ihnen langweilig wird bzw. verstehen lernen, dass es Problematiken gibt, die längere Begleitung benötigen.

    Interessant finde ich an dem Vorschlag, dass quasi durch die Hintertür und implizit ein pathogenetisches bzw. pathodynamisches Erklärungs- und Bedingungsmodell (wieder) eingeführt wird (re-entry?) – wo doch Bedingungsmodelle in der systemischen Szene idR entrüstet abgelehnt werden. Die Autoren präferieren ein horizontales (statt ein vertikales) Genese- und Bedingungsmodell. Das ist ein bemerkenswerter Ansatz, jedoch existiert er – in anderer Form – auch in der Verhaltenstherapie. Das bemerkenswerte am systemischen Modell – aktuelle Problematiken und Themen werden durch aktuelle Beziehungs- und Bindungsdynamiken wesentlich beeinflusst und beeinflussbar – ist unbedingt erhaltenswert.

    Zu fragen wäre jedoch: 1. Funktioniert das Modell auch bei Störungen im Erwachsenenalter (das angeführte Beispiel stammt aus der KJP, ein 12jähriges Mädchen)? und 2. Welche Verschränkungen von vertikalen und horizontalen Modellen sind denkbar, beschreibbar und überprüfbar?

  3. Rufer Martin sagt:

    Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, da gibts wohl ausreichend Grund zur Skepsis, ob und v.a. wie sich die ST in der neuen (Tarif-) Struktur ausgestalten und verändern (anpassen!) wird..
    Genauso wie für Studierende aus nachvollziehbaren Gründen das Sammeln von ECTS Punkten im Vordergrund steht, wird künftig bei den von den Kassen anerkannten und zugelassenen “Systemikern” das Abrechnungsprocedere im therapeutischen Prozess prominent die Regie mit übernehmen. Dies zeigen auch die Erfahrungen in der Schweiz mit dem entsprechenden TARMED System. Auch wenn hier bei uns z.B. Familientherapie als Tarifposten gesondert aufgeführt ist (und z.B. von zwei Fachärzten bzw. delgierten Psychologen abgerechnet werden kann), werden dadurch die Vorteile ST nicht offensichtlich abgebildet. Zudem lassen sich “Leistungen in Abwesenheit des Patienten” (LAP) nur in engen Grenzen abrechnen.
    Was die “Erfolgskontrolle” (und wie vorgeschlagen) einen allfälligen Settingwechsel anbetrifft, müsste eine solche valide Qualitätskontrolle ja dann erstmal auch etableirt werden können. Im Übrigen scheint mir gerade auf dem Hintergrund der Wirksamkeitsforschung von Psychotherapie eine “schulenspezfische” Unterscheidung von “Erfolg bzw. Misserfolg” obsolet und zudem kaum valide machbar. Vielemehr ginge es im Hinblick auf Kostenkontrolle diese nicht nur über Kontingentierung, sondern über eine gute allgemeingültige und wissenschaftlich anerkannte Qualitätssicherung zu etablieren. Entsprechende Feedbackinstrumente Instrumente liegen inzwischen vor (z.B. Miller, Schiepek u.a.). Ob sich die ST und die Systemiker in der Evaluation der Kassen als besonders wirksam, wirtschaftkich zweckmössig auszeichnen, wird die Zukunft zeigen…

    Martin Rufer, Bern
    Eidgen.akkreditierter Psychologe und Psychotherapeut FSP

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