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Online-Journal für systemische Entwicklungen

OSC – Organisationsberatung Supervision Coaching 2019

Heft 1

Beumer, Ullrich & Heidi Möller (2019): Editorial: Gründungsberatung im Spannungsfeld zwischen Innovation und Kreativität. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 1-4. 

Abstract: Innovationsfähigkeit gilt zunehmend als Schlüsselkompetenz für erfolgreiche Unternehmensentwicklung. Das Schlagwort „Innovation“ beginnt, im Unternehmensbereich dem „Change“ als Dauerpostulat den Rang abzulaufen. Parallel entstehen zahlreiche methodische Konzepte, die der Förderung von Innovation dienen, hier insbesondere das „Design Thinking“, das in rasanter Geschwindigkeit zunehmend in den Portfolios von Beratern und Beratungsunternehmen auftaucht.
Die institutionelle Entsprechung bzw. Weiterentwicklung der Innovation ist die Existenzgründung. In vielerlei Formen versuchen insbesondere jüngere Menschen, ihrem Drang nach Neuerung durch die Gründung von Start-Ups, kleinen, agilen Firmen und Projekten Ausdruck zu verleihen. „Wecke den Gründer in Dir“ – so lautet die Maxime auf dem Gründerportal des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Gründer zu sein dient dabei idealerweise sowohl der Gesamtwirtschaft und der gesellschaftlichen Entwicklung als auch der eigenen Entfaltung der Persönlichkeit des Gründers. Neben der Geschäftsidee und dem notwendigen Kapital ist die Person des Gründers dabei die dritte zentrale Variable für einen erfolgreichen Gründungsprozess.
Gründercoaching gehört seit langem neben der Einrichtung von Gründerzentren zu den unterstützenden Maßnahmen, die Geldgeber und öffentliche Institutionen angehenden Existenzgründern anbieten, um den Neuaufbau zu begleiten und zu sichern. Wie aber arbeiten Gründungsberater? Existenzgründungen sind nicht nur eine Frage von Produktideen, Businessplänen, Marktanalysen und gezielter Nutzung von Fördermöglichkeiten. Sie bedeuten eine gravierende Bahnung der beruflichen Entwicklung der jeweiligen Person und haben Auswirkungen auf die persönliche Situation und das soziale Umfeld. Die Qualität der Gründungsberatung wächst mit der Fähigkeit, Chancen und Herausforderungen für die Existenzgründer/innen wahrzunehmen und ihnen angemessene Hilfestellung an die Hand zu geben. In welcher Form sind sie kompetent und bereit, sich den oft komplexen Fragen der Persönlichkeit zu stellen? Darüber hinaus lässt sich die Frage stellen, ob Professionen wie z. B. die Supervision, die über wertvolle Kompetenzen in der Beratung auf der personalen Ebene verfügen, auf Gründer eingestellt sind und diese als relevante Zielgruppe ihrer Beratung im Blick haben.

Beumer, Ullrich (2019): Der besonnene Entrepreneur – Existenzgründungen in der zweiten Lebenshälfte zwischen Selbstheilung, Angstabwehr und Innovation. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 5-20. 

Abstract: Existenzgründungen jenseits des 50. Lebensjahres sind ungewöhnlich und unterscheiden sich von vergleichbaren Prozessen im jüngeren Lebensalter. Sie sind weniger von der Lust am Risiko geprägt, sondern von einem reflektierten Umgang mit seiner Karriere, Lebensgeschichte und Vorstellungen zur beruflichen und persönlichen Zukunft. Existenzgründungen in der zweiten Lebenshälfte „heilen“ Beschädigungen, die Führungskarrieren mit sich bringen, und schaffen Raum für unerfüllte Wünsche und Lebenspläne. Auf der Basis von biografischen Interviews mit ehemaligen Führungskräften, die sich jenseits der 50 selbstständig gemacht haben, wird eine Typologie der späten Existenzgründung entwickelt.

Adler, Annett & Brigitte Halbfas (2019): Unternehmensgründungsberatung unter der Lupe – die herrschenden Praktiken des Doing Gender. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 21-34. 

Abstract: Ausgehend von einer sozialkonstruktivistischen Perspektive werden im vorliegenden Beitrag Praktiken des Doing Gender in der Gründungsberatung diskutiert. Die Auseinandersetzung verbindet dabei drei analytische Ebenen: die politische und wirtschaftliche Situiertheit, die wissenschaftliche Situiertheit und die Situation der Gründungsberatung als empirisches Beispiel selbst. Ausgehend von der Diskussion und den Teilergebnissen des Forschungsprojekts im Feld der Gründungsberatung werden Desiderate für Organisationsberatung, Supervision und Coaching als Teilbereiche der Beratungswissenschaft formuliert.

Seip, Martin (2019): Kompetenzorientierte Diagnostik als Baustein einer wirksamen Gründungsberatung – ein praxiszentrierter Ansatz. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 35-44. 

Abstract: Dieser Praxisbeitrag beschreibt den Entwicklungshintergrund sowie den Aufbau des „Gründerkompasses“, einem Assessmentcenter zur Diagnostik gründungsrelevanter Fähigkeiten. Es werden Bezüge zur Gründungsberatung hergestellt. Als Perspektive wird ein systematisches Coaching auf der Grundlage der im Assessmentcenter gewonnenen Daten vorgeschlagen.

Facilides, Silke (2019): Mehr Sinn, mehr Zweifel, mehr Eigenwilligkeit. Kreativvertrauen statt Innovationsverordnung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 45-52. 

Abstract: Der Artikel ist ein Plädoyer für eine Kulturveränderung in Unternehmen, für mehr kreatives Denken, um in einer komplexer werdenden Welt dauerhaft erfolgreich – und innovativ – zu bleiben. Die Konzepte basieren auf Erfahrungen aus der „Kreativindustrie“, verbunden mit dem persönlichen Umgang mit Kreativität und dem Glauben an Kreativität als eine urmenschliche Fähigkeit. Unternehmen, die dauerhaft innovativ sein wollen, sollten sich auf eine ständige kreative Sinnsuche einlassen und emotionale Resonanz als Treiber von Kreativität willkommen heißen, statt den Innovationsdruck zu erhöhen.

Blättel-Mink, Birgit (2019): Innovationen in Wirtschaft und Gesellschaft. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 53-65. 

Abstract: Das Verhältnis der Gesellschaft zu (wirtschaftlichen bzw. technischen) Neuerungen bzw. Innovationen hat sich innerhalb der letzten 100 Jahre in modernen Gesellschaften von Ablehnung hin zur Alltäglichkeit gewandelt. In diesem Beitrag wird, ausgehend vom „reinen“ Unternehmer bei Joseph A. Schumpeter, ein kurzer Abriss der zentralen Ansätze der Innovationsforschung gegeben. Neben der Institutionalisierung von Innovation geht es in einem zweiten Diskursstrang um den Wandel von einer individualistischen Perspektive auf den/die Träger/in der Innovation hin zu einer Netzwerk- bzw. Systemperspektive. Im zweiten Teil werden aktuelle Debatten der Innovationsforschung aufgegriffen.

Kotte, Silja, Elisabeth Bick, Cord Benecke & Heidi Möller (2019): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Arbeitskontext. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 67-83. 

Abstract: Das Verhältnis der Gesellschaft zu (wirtschaftlichen bzw. technischen) Neuerungen bzw. Innovationen hat sich innerhalb der letzten 100 Jahre in modernen Gesellschaften von Ablehnung hin zur Alltäglichkeit gewandelt. In diesem Beitrag wird, ausgehend vom „reinen“ Unternehmer bei Joseph A. Schumpeter, ein kurzer Abriss der zentralen Ansätze der Innovationsforschung gegeben. Neben der Institutionalisierung von Innovation geht es in einem zweiten Diskursstrang um den Wandel von einer individualistischen Perspektive auf den/die Träger/in der Innovation hin zu einer Netzwerk- bzw. Systemperspektive. Im zweiten Teil werden aktuelle Debatten der Innovationsforschung aufgegriffen.

Urbon, Pierre-Pascal (2019): Start-ups – Unterschiede in Deutschland und im Silicon Valley. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 85-92. 

Abstract: Pierre-Pascal Urbon untersucht die Frage, was deutsche Start-ups vom Silicon Valley lernen können. Er war von 2005 bis 2018 bei der SMA Solar Technology AG (Niestetal) tätig. Von 2006 bis Oktober 2018 war er im Vorstand und seit 2011 als Vorstandssprecher verantwortlich für Strategie, Vertrieb und Service. Er hat unter anderem die Internationalisierung und strategische Ausrichtung von SMA stark vorangetrieben. Vor diesem Hintergrund geht er der Frage nach disruptiven Ansätzen nach. Hierzu berichtet er unter anderem über Coneva, das in München ansässige Start-up der SMA, sowie die Beteiligung von SMA an einem Start-up im Silicon Valley, Tigo Energy.

Kühl, Wolfgang, Erich Schäfer & Andreas Lampert (2019): Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 93-107. 

Abstract: Die aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt machen ein steigendes Maß an Reflexion auf allen Ebenen der jeweiligen Arbeitssysteme notwendig. In einer entsprechend veränderten Organisations- und Reflexionskultur gewinnt das Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat an Bedeutung. Dieses wird in seiner Entwicklung, konzeptionell-methodisch sowie im Hinblick auf den Forschungsstand dargestellt. Die Qualifizierungsanforderungen an die Führungskräfte zeigen, dass ein solches Coaching sehr voraussetzungsvoll ist. Das Rahmenkonzept des Transflexings liefert Orientierungspunkte für ein Reflexionssystem. Forschungsbedarfe und Entwicklungsperspektiven im Sinne einer Arbeitsteilung von coachenden Führungskräften und Coaches werden aufgezeigt.

Schreyögg, Astrid & Eric Lippmann (2019): Repliken auf den Beitrag „Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat“ von Wolfgang Kühl, Erich Schäfer, Andreas Lampert. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 109-113. 

Abstract: Im Gegensatz zu dem Organisationssoziologen Stephan Kühl sind Wolfgang Kühl und vermutlich auch seine Ko-Autoren Sozialpädagogen. Aus dieser Differenz der „Namensvetter“ erklärt sich vermutlich auch das Plädoyer von Wolfgang Kühl für Coaching durch Führungskräfte, während diese Position von Stephan Kühl noch nie zu vernehmen war und vermutlich auch in Zukunft nicht zu vernehmen sein wird.
Das Problem von Coaching durch Vorgesetzte lässt sich am ehesten an Beispielen verdeutlichen: Stellen wir uns eine hochformalisierte, d. h. stark hierarchisch gestaltete Organisation wie etwa VW vor, in der alle Abläufe durch viele formale Regeln überformt sind. In diesem System ist auch jeder Karriereschritt eines Mitarbeiters vom Votum und von der Leistungsbeurteilung seines Vorgesetzten abhängig. Dann ist es aber schwer vorstellbar, dass dieser Mitarbeiter seine Ängste, seine Bedenken, seine beruflichen oder privaten Sorgen seinem Vorgesetzten im Rahmen eines Coachings anvertrauen würde. Das wird er auch dann nicht tun, wenn dieser Vorgesetzte immer sehr wertschätzend und wohlwollend mit ihm und seinen anderen Unterstellten interagiert, wenn er also einen betont integrativen Führungsstil praktiziert. Genauso wenig werden sich Lehrkräfte im staatlichen Schulwesen, in dem Leistungsbeurteilungen durch die Schulleitung für ihre Beförderung maßgeblich sind, diesem Schulleiter mit ihren beruflichen Sorgen und Ängsten anvertrauen. Sie werden es auch dann eher nicht tun, wenn dieser Schuleiter einen ausgeprägt liebenswürdigen Führungsstil und vielleicht sogar einen regelrechten Schmusekurs gegenüber seinen Lehrkräften praktiziert.

Giernalczyk, Thomas (2019): „Wer die Formel kennt, hat die Macht“. Organisationskultur von Familienunternehmen am Beispiel des Films „Väter und Söhne“. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 115-126. 

Abstract: Anhand des Films „Väter und Söhne“ von Bernhard Sinkel wird die Organisationskultur von Familienunternehmen analysiert. Ausgehend von dem Wunsch nach Generativität werden Generationskonflikte hinsichtlich ihrer unbewussten Dimension untersucht. Familie und Unternehmen werden als gekoppelte Systeme dargestellt, in denen Familie, Eigentum und Unternehmen interagieren, wobei die Entwicklung und Reflexion von Regeln für das Familiensystem notwendig ist. Schließlich wird das Konzept Familienunternehmen als „Zentralobjekt“ entwickelt, in dem die intensive und ambivalente Auswirkung des Unternehmens auf die Familienstruktur und die persönlichen Biografien herausgearbeitet wird.

Obermeyer, Klaus (2019): Rezension – Stefan Busse & Erhard Tietel (2018): Mit dem Dritten sieht man besser. Triaden und Triangulierung in der Beratung. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 127-129. 

Stiens, Annchen (2019): Rezension – Rolf Haubl (2018): Emotionen bei der Arbeit. Reflexionshilfen für Beratende. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 129-130. 

Ziegler-Rehak, Philipp (2019): Rezension – Falko von Ameln (2018): Führung und Beratung. Kognitive Landkarten durch die Welt der Führung für Coaching, Supervision und Organisationsberatung. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (1), S. 130-134. 


Heft 2

Giernalczyk, Thomas & Heidi Möller (2019): Editorial: New Work, Digitalisierung, Inner Work als Herausforderung für das Coaching. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 139-141. 

Abstract: New Work ist eine Strömung, die aus tiefer Unzufriedenheit herkömmlicher Organisationsstrukturen gespeist wird. Mit ihr sind Wertewandel und veränderte Ansprüche an die Arbeit jüngerer Arbeitnehmer verknüpft. New Work geht Hand in Hand mit Digitalisierung, Arbeit 4.0 und Industrie 4.0. New Work ist der Hoffnungsträger, der mit der digitalen Revolution verbunden ist. Während Arbeit 4.0 eher die Bürden neuer Arbeit fokussiert, werden im Diskurs zu New Work die Chancen auf eine selbstbestimmte Arbeit formuliert. Exemplarisch für diesen Trend steht der per Croudfunding finanzierte Film „Augenhöhe“ (2015), der Interviews und Diskussionen von Unternehmern und Mitarbeitern mit neuen Arbeitsformen enthusiastisch vorstellt und frei im Internet zur Verfügung steht (https://vimeo.com/118219210). Die Idee der Befreiung von Hierarchie und Unterordnung zugunsten von Selbststeuerung in Teams und ganzen Unternehmen (Österreich und Schröder 2017) ist wichtiger Leitgedanke in der Diskussion. Agilität, ebenfalls ein Schlüsselkonzept im New Work, entsteht durch die Weisheit von unten, indem radikal vom Kunden her gedacht wird und die Dynamiken der sich verändernden Systemumwelt immer wieder zur Planung genutzt werden. Das Motto lautet: „Fail early and learn quickly“. In ständigen Rückmeldeschleifen kann Neues ausprobiert werden und rechtzeitig umgesteuert werden, ohne zu hohe Kosten zu verursachen. Diese neue Art des Arbeitens erfordert die Fähigkeit, mit dem Vorläufigen leben zu können. Es macht die stetige Revision von Ideen notwendig und prägt eine Organisation beständigen Lernens. Proaktives Handeln, die Antizipation von Zukunft, die Initiativkraft jedes einzelnen Mitarbeiters sind gefragt.

Giernalczyk, Thomas, Carla Albrecht & Franziska Bauernschmitt (2019): Zwischen Angst und Leidenschaft – eine psychodynamische Perspektive auf Emotionen im New Work. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 143-157. 

Abstract: Der Artikel beschreibt die Hoffnungen, die mit New Work verbunden sind. Jede Arbeit erzeugt auch negative Emotionen wie Angst, die durch Führung, Struktur und Reflexionsräume „contained“ werden müssen. Anhand von Fallbeispielen werden die emotionalen Anforderungen an die Mitarbeiter in New Work-Organisationen beschrieben und Leidenschaft als die zentrale Emotion für Innovation herausgestellt. Abschließend werden mit dem Begriff der Entwicklungskultur die zentralen Voraussetzungen für positive Emotionen im New Work beschrieben.

Kühn, Thomas, Anna Niedermeier & Edvin Babic (2019): New Work und die Bedeutung von Organisationskultur, Team- und Beziehungsarbeit – eine Mitarbeiterbefragung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 159-172. 

Abstract: Anknüpfend an eine Mitarbeiterbefragung bei BNP Paribas Personal Investors Deutschland wird aufgezeigt, dass Diskurse um New Work auch in einem großen Konzernverbund ein wichtiger Antreiber für die Gestaltung von Wandlungsprozessen sind und motivierend in Verbindung mit Aufbruchsstimmung wirken können. Gleichzeitig gilt es, auf bewährten Grundsätzen von Unternehmensführung und Teamarbeit aufzubauen und die Möglichkeiten von New Work nicht zu idealisieren. Partizipation und Mitbestimmung sind wichtig, aber nur auf der Grundlage transparenter Entscheidungswege, einer durch Wertschätzung geprägten Organisationskultur und durch qualitativ hochwertige Arbeitsbeziehungen effizient.

Schermuly, Carsten C. (2019): New Work und Coaching – psychologisches Empowerment als Chance für Coaches. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 173-192. 

Abstract: Arbeit wird zunehmend volatil, unsicher, komplex und mehrdeutig. Organisationen begegnen diesen Trends, indem sie im Zuge von New Work-Maßnahmen ihre Organisationstrukturen und Arbeitsprozesse demokratisieren. Häufig stehen dabei die Strukturen im Fokus der Organisationsentwicklung und nicht die Menschen, die darin arbeiten müssen. In diesem Artikel wird aufgezeigt, wie die Schwächen eines strukturellen Empowerments durch psychologisches Empowerment kompensiert werden können und wie Coaches dazu beitragen können, dass New Work-Maßnahmen gelingen.

Holle, Martin, Mathias Lohmer & Markus Zimmermann (2019): Von Old Work über New Work zu Real Work. Eine psychodynamische Beratungsperspektive. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 193-213. 

Abstract: Die Autoren diskutieren das Verhältnis von Konzepten zu „New Work“ und der Psychodynamischen Organisationsberatung und schlagen ein aktualisiertes Modell der diagnostischen Kategorien von Weisbord und Schein vor, um Organisationsentwicklung in Zeiten von New Work zu beschreiben. Ein Fallbeispiel illustriert, wie in einer IT-Firma versucht wird, mit Konzepten von New Work zu arbeiten, und wie aus der Perspektive der Psychodynamischen Organisationsberatung eine solche Transformation gesehen werden kann. Zentrale Haltungen und Arbeitsweisen von „Old Work“ und New Work werden mit Hilfe der Kategorien von Weisbord verglichen und dem Konzept von „Real Work“ gegenübergestellt, dessen Relevanz insbesondere durch den Bezug auf Innovation legitimiert wird.

Panné, André (2019): Digital Whereabout – Die vier Dimensionen der Digitalisierung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 215-226. 

Abstract: Digitalisierung ist für alle Unternehmen die große Herausforderung der Gegenwart. Doch wie lässt sich dieser diffuse Begriff festmachen, wie lassen sich Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten erarbeiten? Wie lässt sich eine Struktur zum Anpacken dieser allumfassenden Aufgabe finden? Der „Digital Whereabout“ (die digitale Standortbestimmung) hilft dabei, den eigenen digitalen Status Quo in vier Digital Whereabout-Dimensionen festzustellen und daraus Maßnahmen abzuleiten. Dabei helfen anschauliche kurze Beispiele aus der Praxis, den Bezug für das eigene Unternehmen zu erkennen. Der Digital Whereabout ist aber in erster Linie ein Aufruf zum Handeln: Einfach mal anfangen und selber machen!

Jahn, Ronny, Andreas Nolten & Mirjam Weigand (2019): Leadership gefragt – das agile Organisationsprinzip Scrum und die „heilige Ordnung“ angesichts der Facts of Organization. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 227-241. 

Abstract: Der Text erläutert, warum der Komplexitätsbegriff nicht dazu geeignet ist, Organisationen zu beschreiben. Organisationen sind in formaler Hinsicht weniger komplex als vielmehr Ergebnis von Komplexitätsreduktion zum Zwecke „schwieriger Operationen“ an den immer gleichen organisationalen Basisherausforderungen: den Facts of Organization. Die Autoren erörtern, wie die Organisationsprinzipien Hierarchie und Scrum dazu beitragen, die Facts of Organization zu bewältigen, und inwiefern Scrum eine Antwort auf die „Krise“ der Hierarchie darstellt. Abschließend wird skizziert, inwiefern Leadership im Rahmen von „New Work“ einen erfolgreichen Umgang mit den Facts of Organization begünstigt.

Goldhorn, Martina (2019): Von klassischer Hierarchie zur geteilten Führung. Reinventing Janus – ein Expeditionsbericht ins „Nextland“. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 243-255. 

Abstract: Dieser Praxisbeitrag beschreibt die Transformation eines mittelständischen Beratungsunternehmens in eine hierarchiefreie, agile Organisation. Es werden die Ausgangssituation, die Veränderungsschritte und die zentralen Werkzeuge vorgestellt. Darüber hinaus sind konkrete Erfolgsfaktoren und wichtige Learnings zusammengefasst.

Matzler, Kurt & Franz Bailom (2019): Fit für die digitale Disruption werden. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 257-265. 

Abstract: Die Autoren beschreiben, wie sich die digitale Transformation in Unternehmen auf Ebene der Produkte, der Prozesse und ganzer Geschäftsmodelle auswirkt, wie sich Wertschöpfungslogiken verändern und wie ein Mehrwert durch Digitalisierung geschaffen werden kann. Anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Branchen entwickeln sie sieben Ratschläge, wie Unternehmen, sich auf die Veränderungen einstellen und ihr Geschäftsmodell erneuern können.

Lackmann, Valentin (2019): „Wir lieben den Tod mehr als ihr das Leben“ – Islamistische Radikalisierung und Deradikalisierung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 267-280. 

Abstract: Vor dem Hintergrund des Films „Der Himmel wird warten“ werden psychologische und psychoanalytische Überlegungen darüber angestellt, wie und warum sich Menschen islamistisch radikalisieren. In einer „islamistischen Psychodynamik“ spielen dabei u. a. die Abwehr von quälenden Schamgefühlen, Wünsche nach Bindung und Kontrolle sowie der Aufbau einer stabilen Identität eine wichtige Rolle. Der Beitrag schließt mit der Darstellung eines Beratungsansatzes zur Deradikalisierung.

Webers, Thomas (2019): Rezension – Jürgen Kriz (2017): Subjekt und Lebenswelt. Personzentrierte Systemtheorie für Psychotherapie, Beratung und Coaching. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 281-282. 

Strikker, Frank (2019): Rezension – Siegfried Greif, Heidi Möller & Wolfgang Scholl (Hrsg.)(2018): Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching. Berlin (Springer). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 283-284. 

Webers, Thomas (2019): Rezension – Oliver König & Karl Schattenhofer (2017): Einführung in die Fallbesprechung und Fallsupervision. Heidelberg (Carl-Auer). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 284-285. 

Wegener, Robert (2019): Rezension – Harald Geissler (2017): Die Grammatik des Coachens. Eine empirische Rekonstruktion. Berlin (Springer). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 285-286. 

Lewkowicz, Eva-Maria (2019): Rezension – Peter Witt (2019): Besser entscheiden in unsicheren Situationen. Ziele bestimmen – Alternativen bewerten – Entschlüsse durchsetzen. Berlin (Erich Schmidt). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 287-288. 

Baer, Joscha (2019): Rezension – Harald Pühl (2018): OrganisationsMediation. Grundlagen und Anwendungen gelungenen Konfliktmanagements. Gießen (Psychosozial-Verlag). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (2), S. 288-288.


Heft 3

Möller, Heidi (2019): Editorial: Neurobiologische Grundlagen für die Beratung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 293-295. 

Abstract: Die Neurowissenschaften boomen und halten folgerichtig Einzug in neuere Beratungskonzepte. Es stellt sich ganz radikal die Frage, ob Veränderungen von Deutungs- und Handlungsmustern, die wir im Coaching, in der Supervision und Organisationsberatung anstreben, ohne die Berücksichtigung der unterschiedlichen Ebenen des limbischen Systems, der Bindungstheorie, der somatischen Marker, Embodimenttheorie u. v. m. überhaupt denkbar sind. Kann wissenschaftlich fundierte Beratung ohne Wissen um Neuroplastizität, die Funktion des Stressverarbeitungssystems, des Selbstberuhigungssystems, des Impulshemmungssystems, des Motivationssystems und des Realitäts- und Risikowahrnehmungssystems auskommen? Oder handelt es sich z. B. beim „Neurocoaching“ schlicht um einen weiteren Hype, ein überschätztes Konzept, das bald schon wieder verschwunden sein wird?

Roth, Gerhard (2019): Integratives Coaching auf neurowissenschaftlicher Grundlage. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 297-312. 

Abstract: Das hier vorgestellte Coaching-Konzept ist integrativ, indem es davon ausgeht, dass jede Intervention im Coaching die individuellen Merkmale der Persönlichkeit eines Klienten und seiner Belastungen, deren Vorgeschichte und die Art berücksichtigen muss, wie er auf die Angebote des Coachs eingeht. Es ist neurobiologisch fundiert, weil nur aufgrund der neuen Erkenntnisse der Neurowissenschaften die Auswahl wirksamer Interventionen gerechtfertigt werden kann. Diese setzen auf der Ebene der subjektiv-bewussten Befindlichkeit des Klienten einschließlich seiner Einstellungen und Erinnerungen, der Ebene des Verhaltens und der Ebene der unbewussten nonverbalen Kommunikation und der Körperhaltung an.

Ryba, Alica (2019): Körperzentriertes Coaching und der Zugang zum Unbewussten. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 313-329. 

Abstract: Das Erleben und Verhalten wird nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen überwiegend durch unbewusste Prozesse bestimmt. Somit können sich Menschen weit weniger durch Selbstreflexion verstehen und entwickeln, als dies gemeinhin von Coaches angenommen wird. Für tiefgreifende Veränderungen bedarf es einer Berücksichtigung des Unbewussten. Dieses drückt sich weniger durch den Inhalt des Gesagten, sondern vielmehr durch die damit verbundenen vegetativ-somatischen Prozesse aus. Die Berücksichtigung des Körpers im Coaching ist aus diesem Grund ganz entscheidend. In der aktuellen Praxis bilden körperzentrierte Interventionen jedoch die Ausnahme.

Diedrichs, Annette (2019): Durchstarten im Team: Wie das Zürcher Ressourcen Modell mit Motto-Zielen in der Teambildung zum Einsatz kommt. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 331-338. 

Abstract: Das Zürcher Ressourcen Modell ist vor allem als Selbstmanagement-Ansatz für Individuen bekannt. In diesem Beitrag wird beschrieben, wie sich aus individuellen Motto-Zielen einzelner Mitglieder eines Teams oder einer Gruppe eine neue Haltung für alle entwickeln lässt. Die wichtigsten theoretischen Inputs und das praktische Vorgehen finden gleichermaßen Gewicht. Ein Fallbeispiel macht deutlich, dass Motto-Ziele auch als Teamentwicklungsmaßnahme für die Verbesserung des Zusammenhalts und der Zusammenarbeit im Team geeignet sind.

Voigt, Torsten H. (2019): Beratung, Coaching und Neurowissenschaft – Produktive Zusammenarbeit oder geschickte Vermarktung? In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 339-350. 

Abstract: Die Neurowissenschaften werden seit einigen Jahren als Schlüsseldisziplin zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und existenzieller Fragen angesehen. Das Aufkommen von Neuro-Beratungs- und Coachingansätzen zeigt, dass „Neuro“ seinen Weg in Alltagspraktiken findet. Doch was hat die Neurowissenschaft Coaching und Beratung eigentlich anzubieten? Handelt es sich dabei um eine produktive Zusammenarbeit, die tatsächlich für eine neue Qualität des Coachings und der Beratung steht, oder ist es nicht vielmehr ein Hype und geschicktes Marketing? Der vorliegende Artikel fragt kritisch nach dem Beitrag der Neurowissenschaften für Beratung und Coaching.

Tirpitz, Alexander, Angélique Zessin & Julia Hapkemeyer (2019): Diversity Management: Unterschiede nutzen, denn Unterschiede nützen! In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 351-360. 

Abstract: Die Unterschiede und Vielfalt innerhalb von Belegschaften haben sich in den vergangenen Jahren zu einer Managementaufgabe entwickelt – dem Diversity Management. Diversity Management ist jedoch eher ein Veränderungsprozess der Organisationskultur als ein Managementprogramm. Die Ursachen für „Schubladendenken“ und Gruppenbildung werden aufgezeigt sowie die Vor- und Nachteile von Diversität in Organisationen und Teams diskutiert. Ein Nutzen von Diversität entsteht, wenn diese Vielfalt systematisch gemanagt wird. Abschließend wird Diversity Management in den Kontext der Organisationsentwicklung gestellt.

Creon, Laura E. & Carsten C. Schermuly (2019): Wirksamkeit von Diversitätstrainings. Forschungsstand und Formulierung einer Entscheidungshilfe für die Personalentwicklung. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 361-378. 

Abstract: Das Angebot an Diversitätstrainings ist groß. Uneinheitliche Bezeichnungen und negative Schlagzeilen können Personalentwickler/innen die Auswahl des richtigen Trainings erschweren. Dieser Beitrag soll Personalentwickler/innen im Auswahlprozess unterstützen. Dazu stellen wir zuerst eine Klassifikation der Ziele von Diversitätstrainings auf. Anschließend fassen wir den Forschungsstand zur Wirksamkeit von Diversitätstrainings zusammen und erklären, von welchen Bedingungen die Wirksamkeit abhängt. Zuletzt fassen wir die Empfehlungen in einer Entscheidungshilfe für die Personalentwicklung zusammen.

Barth, Henrike & Thomas Bachmann (2019): Wie digital sind Coaches? Eine Analyse des (zukünftigen) Nutzungsverhaltens von Coaches hinsichtlich digitaler Plattformen und Tools im Coaching. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 379-394. 

Abstract: In einer empirischen Untersuchung unter professionellen Coaches werden Hintergründe des Nutzungsverhaltens bezüglich des Einsatzes digitaler Plattformen und Tools im Coaching analysiert. Unter Verwendung der Theorie des geplanten Verhaltens zeigt sich, dass die subjektive Norm den größten Einfluss auf die Intention hat, digitale Angebote und Tools zu nutzen. Diese Norm ist durch Erwartungen von Organisationen als Auftraggeber, andere Coaches und gesellschaftliche Entwicklungen charakterisiert. Erst danach folgen die eigene Einstellung und der mögliche Nutzen als Einflussfaktor auf die Intention.

Eichler, Dorette & Sibylle Rothkegel (2019): „Seit ich mir erlaubt habe, ein Mensch zu sein, geht es mir besser“ – Supervision in Nahost. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 395-408. 

Abstract: 2014/15 hat die enorme Zahl von Visaanträgen syrischer und jesidischer Flüchtlinge an bestimmten deutschen Auslandsvertretungen die Beschäftigten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geführt. Als Arbeitgeber musste das Auswärtige Amt Beschäftigte bei der Bewältigung außerordentlicher Belastungen unterstützen, um Schaden von ihrer Gesundheit abzuwenden. Deshalb wurde Supervision als Instrument der Personalfürsorge über 18 Monate von 2016–2018 an diesen Auslandsvertretungen implementiert. Der Artikel beschreibt die Ausgangssituation und diskutiert Auswirkungen der Intervention vor ihrem interkulturellen Hintergrund.

Wagner, Ursula (2019): Digitalisierung von Coaching – eine Replik auf Bachmann und Fietze. In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 409-419. 

Abstract: Bachmann und Fietze (2018) beschreiben die Herausforderungen und Risiken der Digitalisierung vor allem durch digitale Coachingplattformen im offenen Coachingmarkt. Die Replik will aufzeigen, dass die von ihnen geforderte Antwort der Coaching Community in drei Aspekten bestehen kann: dem Lernen von der Entwicklung in der psychosozialen Onlineberatung; dem Fokus auf die Chancen von digital unterstütztem Coaching innerhalb von Organisationen; in der Entwicklung von Blended Coaching als Zukunftsmodell. Hierzu bedarf es einer Professionalisierung sowie einer Änderung der Haltung zu digitalem Coaching, wie sie sich auch in dem genannten Artikel widerspiegelt.

Schirrmacher, Freimut (2019): Rezension – Ronny Jahn & Andreas Nolten (2018): Berufe machen Kleider. Dem Geheimnis berufsspezifischen Anziehens auf der Spur. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (3), S. 421-423. 

Knizia, Friedemann (2019): Rezension – Christiane Burbach (Hg.)(2019): Handbuch Personzentrierte Seelsorge und Beratung. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 423-425. 

Halberstadt, Claudia (2019): Rezension – Daniela Rastetter & Christiane Jüngling (2018): Frauen, Männer, Mikropolitik. Geschlecht und Macht in Organisationen. Beraten in der Arbeitswelt. Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 425-427. 

Hodenberg, Renate (2019): Rezension – Christine Thornton (ed.)(2019): The Art and Science of Working Together: Practising Group Analysis in Teams and Organizations. Abingdon (Routledge). In: Organisationsberatung Supervision Coaching, 26 (3), S. 427-428. 


Heft 4

Tietze, Kim-Oliver & Heidi Möller (2019): Editorial: Intervision und kollegiale Beratung. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 435-438. 

Abstract: Einige nennen es Intervision, andere kollegiale Beratung. Dies sind heute die geläufigsten Bezeichnungen des Beratungsformats und seiner Spielarten, die im deutschsprachigen Raum schon einige Namen erhalten haben – bis hin zum lateinischen „consolatio fratrorum“ (Schulz und Sänger-Distelmeier 2008). Kollegiale Beratung bzw. Intervision haben in Psychotherapeut/innenkreisen (Ochs et al. 2012) und dem Hörensagen nach in vielen weiteren Praxisfeldern starke Verbreitung erfahren, sei es in Form von regelmäßig (selbst-)organisierten Gruppen zur Fallreflexion oder als praxisorientiertes Element innerhalb von Trainings. Folgt man Publikationen, Berichten oder Angeboten im Internet zum Thema, erscheint das Spektrum der Berufe, die mit kollegialer Beratung in Berührung kommen, sehr breit. Ausgenommen die Erhebung von Ochs et al. (ebd.) unter Hessischen Psychotherapeut/innen gibt es für den deutschen Sprachraum jedoch keinerlei Nutzungsdaten. Verglichen mit der Menge an publizierten Anleitungen, ob gedruckt oder elektronisch, haben empirische Studien, reflektierte Erfahrungsberichte und wissenschaftliche Befassungen relativen Seltenheitswert. Mittlerweile lässt sich vor allem in englischsprachigen Publikationen ein recht ansehnlicher „body of literature“ zu kollegialer Beratung und Intervision ermitteln. Dabei sind zwei Hürden zu überwinden, eine sprachliche und eine konzeptionsbezogene. Zum einen sind die Bezeichnungen, wie hierzulande „kollegiale Beratung“, häufig sprachspezifisch, in vielen Sprachen existieren gleich mehrere Synonyme, und die Autor/innen schreiben für ihren Kulturkreis. 

Tietze, Kim-Oliver (2019): Kollegiale Beratung – einfach aus der Ferne, komplex aus der Nähe. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 439-454. 

Abstract: Von weitem erscheint kollegiale Beratung als reizvoller Ansatz, der einfach zu begreifen ist. Kollegiale Beratung wird durch vier Kernmerkmale charakterisiert: (1) der Fokus auf berufs- und personenbezogene Fälle Einzelner, (2) die soziale Konstellation der Gruppe, (3) ein für Fallberatung geeigneter Ablauf, (4) die Umkehrbarkeit sämtlicher Beratungsbeziehungen. Sie werden näher betrachtet, einige Variablen aufgezeigt und Grenzziehungen thematisiert. Zudem wird die Bedeutung von Kollegialität für das Beratungsformat eingeordnet. Die Erörterungen zeigen, dass das Geschehen in und mögliche Wirkungen von kollegialer Beratung auf komplexen psychologischen und sozialen Prozessen beruhen.

Kaesler, Corinna (2019): Kollegiale Beratung in einem agilen Umfeld erfolgreich einführen. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 455-470. 

Abstract: Dieser Beitrag befasst sich mit kollegialer Beratung als Lernformat in agilen Kontexten und mit der Frage, wie eine Implementierung gelingen kann. Dabei ist die Motivation der Mitarbeiter ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Ergebnisse einer Befragung von 779 Beschäftigten einer Organisation des öffentlichen Sektors zeigen, dass die Motivation zur Teilnahme an kollegialer Beratung eng mit den erwarteten positiven Konsequenzen verbunden ist. Mit Hilfe von Clusteranalysen wurden fünf typische Erwartungsmuster ermittelt. Die Handlungsempfehlungen für Personalentwickler beziehen sich auf eine typgerechte Ansprache und die Entwicklung passender kollegialer Beratungsformen.

Kühl, Wolfgang & Erich Schäfer (2019): Intervision im Kontext von VUKA-Welt und New Work. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 471-484. 

Abstract: Das Beratungsformat Intervision als besondere Form des selbstorganisierten Lernens passt gut zu den Herausforderungen der New Work unter den Bedingungen der sogenannten VUKA-Welt. Sie trägt dem zunehmenden Bedarf nach dialogischen und kollegialen Austausch- und Reflexionsprozessen Rechnung. Durch die Einbindung der Intervision in das Rahmenkonzept des Transflexings, das Dreieckskontrakte zwischen Individuum, Gruppe und Organisation erforderlich macht, lassen sich Entwicklungsprozesse auf den drei Ebenen besser verknüpfen und wirksamer sowie nachhaltiger gestalten.

Lust, Michael, Claudia Meister-Scheytt & Tobias Scheytt (2019): Kollegiale Beratung unter Qualitätsmanagern in Hochschulen. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 485-496. 

Abstract: In den letzten zwanzig Jahren haben Hochschulen zahlreiche Reformen erfahren, die zu einer „Managerialisierung“ akademischer Leistungsprozesse und der Etablierung von eigenen Stäben und Abteilungen geführt haben. Mitglieder dieser Einheiten, wie z.B. des institutionalisierten Qualitätsmanagements, sind oft selbst Experten, ohne dass sie die entsprechende Wertschätzung erfahren. Wir berichten von einem Forschungsprojekt, in dem Vertreter des Qualitätsmanagements in kollegialer Beratung fallbezogene Arbeit leisten. Die Lerneffekte bestehen nicht nur im Austausch von Wissen und Erfahrungen, sondern vor allem in der professionellen Selbstvergewisserung der Teilnehmer.

Eidenschink, Klaus (2019): Entscheidungen ohne Grund. Zu einem metatheoretischen Verständnis von Organisationen. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 497-512. 

Abstract: Der Artikel skizziert ein Verständnis von Organisationen, das den Fokus auf den Prozess des Organisierens legt. Überlegungen zu Entscheidungen, zu Komplexität, zu Scheineindeutigkeiten gegenwärtiger Organisationskonzepte und zur Rolle der Zeitdimension schaffen die Grundlage für ein neuartiges Konzept von neun organisationsdynamischen Leitprozessen. Dieses Schema umfasst zeitliche Aspekte (Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsbehandlung), sachliche Aspekte (Vernetzung, Entscheidungsorientierung, Qualität) sowie soziale Aspekte (Sozialkomplexität, Entscheider und Personal). Am Ende finden sich einige Hinweise auf die Folgen im Verständnis von Organisationen.

Haug, Rebekka & Thomas Kretschmar (2019): Der ärgerliche, hilflose, neidische Coach? Über Herausforderungen und Chancen negativer Gegenübertragungsaffekte. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 513-528. 

Abstract: Negative Affekte sind eine Herausforderung in einem Coaching-Prozess. Nicht nur beim Klienten, sondern auch beim Coach können sich unangenehme Affekte wie Ärger, Hilflosigkeit oder Neid einstellen. Eine psychodynamische Betrachtung kann einem Coach helfen, eigene Affektreaktionen und deren Entstehung in der Übertragungsdynamik nachzuvollziehen und sie angemessen zu regulieren. So müssen negative Affekte weder ignoriert noch ausagiert werden. Davon können der Coaching-Prozess und die empathische Beziehung zwischen Coach und Klient, sowie die berufliche Entwicklung des Coachs profitieren.

Wolter, Katja (2019): „Was du da machst, ist grenzwertig“. Ein Beratungskonzept für Politiker/innen. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 529-540. 

Abstract: Politik geht an die Nieren. Die Akteure in der Politik sind oft einsam. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung von Bundestagsabgeordneten aller Parteien durch die Autorin. Politiker müssen im Spannungsfeld Macht versus Ohnmacht, Abhängig versus Unabhängig, Sicher versus Unsicher und Privat versus Öffentlich bestehen. Die Schaffung von Reflexionsinseln im Coaching kann die Akteure unterstützen, diese Kräfte auszubalancieren. Statt Niederlagen zu verdrängen, kann Coaching die Politiker befähigen, diese zu nutzen, um mit ihrer Ohnmacht, ihrer Unsicherheit, ihrer Abhängigkeit umzugehen und sie positiv zu gestalten. Dieser Beitrag liefert einen Ansatz für ein Beratungskonzept in diesem Arbeitsumfeld.

Kanning, Uwe Peter (2019): Jenseits der Vernunft – Fragwürdige Ansätze im Coaching. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 541-555. 

Abstract: Die Coaching-Szene ist nicht gerade arm an schillernden Methoden, denen aufgeklärte Zeitgenossen im besten Fall einen hohen Unterhaltungswert, im schlechtesten Fall ein hohes Schädigungspotential bescheinigen würden. Drei dieser Methoden – Organisationsaufstellung nach Hellinger, quasi-religiöse Ansätze und Coachings mit Tieren – werden nachfolgend skizziert. Sodann fragt der Autor, warum solche Ansätze entstehen bzw. überhaupt Zulauf finden. Schließlich werden Ideen zur Professionalisierung des Coachings vorgestellt.

von Schlippe, Arist (2019): Alles durchwebt von Vermutung … Replik zum Beitrag „Jenseits der Vernunft, fragwürdige Ansätze im Coaching“ von Uwe Kanning. In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 557-562. 

Abstract: Der Beitrag setzt sich mit der Kritik an „fragwürdigen Ansätzen im Coaching“ von Uwe Kanning auseinander. Die dem Beitrag zugrundliegende Prämisse, nach der Praxiswissen ausschließlich durch Verwissenschaftlichung zu sichern und zu optimieren sei, wird kritisch hinterfragt. Ihr wird die Differenz von „Wissenschaft“ und „Profession“ entgegengesetzt, die beide zwar füreinander wesentliche Anstöße geben, aber nicht aufeinander reduzierbar sind.

Webers, Thomas (2019): Rezension – Carsten C. Schermuly (2019): Erfolgreiches Business-Coaching: Positive Wirkungen, unerwünschte Nebenwirkungen und vermeidbare Abbrüche. Weinheim (Beltz). In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 563-564. 

Mietz, Jürgen (2019): Rezension – Klaus Obermeyer & Harald Pühl (Hrsg.)(2019): Übergänge in Beruf und Organisation. Umgang mit Ungewissheit in Supervision, Coaching und Mediation. Gießen (Psychosozial-Verlag). In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 564-565. 

West-Leuer, Beate (2019): Rezension – Thomas Kretschmar und Andreas Hamburger (2019): Coaching und Supervision. Psychodynamische Beratung von Führungskräften. Stuttgart (Kohlhammer). In: Organisationsberatung, Supervision, Coaching, 26 (4), S. 565-567.

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