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Marokkanische Ambitionen

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Girls & Boys

Christian Michelsen, Bremen: Marokkanische Ambitionen

Rückblicke

Hand aufs Herz: Letztlich geht es uns durchschnittlich karitativen, wohltätigen, humanitären Menschen bei unseren Ambitionen, d.h. erklärten Absichten zumindest teilweise um unseren Ehrgeiz, die andere Bedeutung von Ambition. Als ich mich 1970 als junger Mediziner von der staatlichen westdeutschen Entwicklungshilfe-Organisation, die damals noch in Klammern die Bezeichnung GAWI (Gesellschaft zur Abwicklung Wirtschaftlicher Interessen) trug, in ein westafrikanisches Land hatte entsenden lassen, geschah das in der Absicht, eine ehrenwerte Arbeit als Entwicklungs-Helfer zu leisten. Ich selbst war völlig unzureichend ausgebildet, kaum auf Afrika vorbereitet, sprach weder Wolof, noch Fulbe. Sondern nur die Sprache der (Neo-) Kolonisatoren, Französisch.

Zweierlei Ernüchterungen ließ mich – vertragsbrüchig – vorzeitig in die BRD zurückkehren. Die großzügig von Westdeutschland in das Buschhospital gepumpten Gelder waren ein Preis dafür, dass die senegalesische Regierung bei der Stange blieb, d.h. sich nicht etwa dazu verführen ließ, die DDR anzuerkennen. Ich diente also mittelbar noch der (1969 formal von der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Willy Brandt aufgegebenen) Hallstein-Doktrin. Diese hatte mit ihrem Alleinvertretungsanspruch, d.h. der Auffassung, dass die Bundesrepublik die einzige legitime Vertretung des deutschen Volkes sei, den Zweck verfolgt, die DDR zu isolieren. Wir lebten im Kalten Krieg. Da musste man weltweit auf der richtigen Seite stehen. Da wurde man als junger Arzt, der sich dazu bekannte, auf die nächste Anti-Vietnamkriegs-Demo auf den Ku’Damm zu gehen, am nächsten Tag von den Stationsschwestern als „Kommunist“ bezeichnet, mit Jodtupfern rot angemalt und verteufelt („Euch müsste man vergasen!“).

Die andere Ernüchterung, vor Ort, in jenem westdeutschen Hospital, erlebte ich darin, dass ich von den angeblich drei angestellten einheimischen Ärzten während der knappen drei Wochen meiner Anwesenheit keinen zu sehen bekommen hatte. Es hieß, sie seien auf diesem oder jenem Kongress, in Frankreich oder anderswo. Hygiene, Leitungskompetenz, medizinische Geräte waren mangelhaft. Antibiotika vergammelten im Keller. Die beiden teuren Fahnenmasten zum partnerschaftlichen Hissen der Flaggen beider Länder waren niemals aufgerichtet worden.

Kurz, das vermeintliche Aushängeschild westlicher Überlegenheit nährten meine Zweifel an „Entwicklungshilfe“ und lehrten mich, meinen Ehrgeiz zu mäßigen. Unsere Dauergaben hatten von vorn herein statt Partnerschaft Bettlerschaft gemacht. Das Geschenkte wurde nicht geachtet, folglich nicht instandgehalten. Ich selbst, in meiner Doppelrolle als „Helfer“ und zugleich zunehmend skeptischer Teil des gesamten Hilfe-Systems, missachtete zunehmend ebenfalls meinen eigenen Beitrag an Gaben und Geschenken.

Change

Eine semantische Falle: „Entwicklungshilfe“ *)

Wenn ich das Wort lese, höre oder unwillkürlich benutze, verbinde ich damit einen Vorgang, bei dem die eine Seite sich anheischig macht, der anderen Seite Hilfe zu dessen Entwicklung zu geben. Erstere definiert sich damit als die überlegene Partei; die, die gibt, weil sie hat. Demokratie, Wissen, Geld, Fachkräfte aus Technik, Sozialarbeit, Medizin, Landwirtschaft, Ökonomie; Experten genannt. Z.B. ein Geberland. Oder eine Bank. Oder ein Verein. Diese Geberseite ist in der Regel die mächtigere Partei. Politisch, militärisch, industriell.

Die Nehmerseite in einem solchen System glaubt mehrheitlich, dass die Geberseite Gutes tut. Sie zeigt Dankbarkeit. Sie macht sich abhängig. Mystifizierung im Sinne Karl Marx‘? **)

„Je mehr wir tun, desto wahrscheinlicher ist, dass sich unsere Partner zurücklehnen, weil die Dinge durch ausländischen Beistand zu ihrer Zufriedenheit geregelt werden“

Die besuchten Projekte

Mit solchen, meinen Impetus verunreinigenden Ansichten habe ich kürzlich in Marokko zwei Vereine besucht, die sich die Unterstützung mittelloser Schulkinder zum Ziel gesetzt haben, und eine private Schule, die sich einer zum staatlichen marokkanischen Schulsystem alternativen Pädagogik verschrieben hat.

Während der vergangenen zwanzig Jahre konnte ich alle Jahre wieder ein Netz von persönlichen Kontakten im Lande herstellen und pflegen. Bisher waren Hoher Atlas, Anti-Atlas, die Wüstengegend südlich von Zagora Ziele von Wanderungen mit Freunden oder mit Klienten gewesen; jeweils verbunden mit Aufenthalten in Marrakech und Essaouira. Slimane Baadoud (naturetrek-maroc.com, marokkotrekking-online.de), Bergwanderführer und zeitweise Präsident der marokkanischen Organisation der guides en montagne, war und ist für mich die zentrale Person. Er organisiert im Handumdrehen alle Unternehmungen, so auch dieses Mal; Unterkünfte, Geländewagen, Fahrer, Transfers vom und zum Flughafen, fürsorgliche telefonische Begleitung.

Eine private Schule für Berberkinder

Nach fünfstündiger Fahrt von Marrakech über Landstraßen und Serpentinenpisten war meine erste Station eine private Schule im Tal von Ait Bougemez, Name eines Berberstammes am Fuße des M’Goun-Massivs in 1800 m Höhe. Dort wurde ich von der deutschstämmigen Leiterin und – gemeinsam mit ihrem marokkanischen Mann – Mitgründerin, ihren marokkanisch-deutschen Kindern, den Lehrern und Schülern so warmherzig empfangen, dass sich meine aus der Website (ecolevivante.com) und kurzer Email-Korrespondenz hergeleiteten Erwartungen von Beginn an erfüllten.

„Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen“, der Untertitel von Gerald Hüthers und Uli Hausers Buch „Jedes Kind ist hochbegabt“ schien mir an diesem Ort in die Praxis umgesetztes Leitmotiv geworden zu sein. Alle Schüler schienen zu merken und sich zu merken, dass sie in Ordnung sind. Verteilung von Benotungen – sei es mit guten, sei es mit schlechten Noten – schien es nicht zu geben.

Zwei Beispiele: Als am Weltklimatag ein Grüppchen von Mädchen und Jungen praktisch und theoretisch, draußen vor der Tür im Kreise auf einer Weise sitzend, dazu angeleitet wurden, vom Straßenrand und den angrenzenden Weiden und Wiesen Plastiktüten und andere Abfälle einzusammeln, folgten sie begeistert der ihnen auf Französisch, Arabisch und notfalls in der vertrauten Berbersprache vorgeschlagenen Aktion. Wie wird das Messer gefahrlos gehalten beim Abschneiden oder Brechen von – überall üppig wachsenden- Weidenästen, wie wird es einem anderen weitergereicht, welche Muster lassen sich kunstvoll in die feuchte Rinde kerben, wie kann der Ast zugespitzt werden, die beste Art, dann damit Abfälle aufzuspießen, wohin damit, was geschieht mit dem Müll, was – noch – hier auf dem Lande, wo gibt es schon Verbrennungsanlagen mit Filter, Was müsste geschehen, damit auch hier die Umwelt, Luft, Wasser, Erde rein gehalten und wertgeschätzt werden? Zum Schluss der Unterrichtseinheit lag da anschaulich und stellvertretend für den allenthalben im Lande achtlos fortgeworfenen Müll ein Berg von mit Plastiktüten, Bonbonpapier, Zigarettenschachteln gefüllten Plastiksäcken. Der Gast hatte Gelegenheit, von den Bemühungen zum Umweltschutz in seinem Lande zu berichten. Darunter von der damaligen Fernsehsendung, die seine Kinder sich gerne angeschaut haben. Da erziehen auf der Straße spielende Kinder vorbeikommende Erwachsene, die achtlos verbrauchte Fahrkarten, Kippen oder Kaugummipapier neben sich warfen. Sie hoben den Abfall auf und machten die beschämt dreinschauenden Erwachsenen auf deren Sünden aufmerksam.

In einer anderen Unterrichtsstunde übten die zehn bis maximal vierzehn Schülerinnen und Schüler sich im Vorlesen, auf Französisch! Pablo Nerudas Ode an das verlassene Haus (Ode à la maison abandonnée). Manche flüssig, manche noch etwas holprig. Aber alle mit Freude und vehementem Wetteifern darum, der nächste Vorleser zu sein. Die Mädchen zeigten sich abwartender und kamen dadurch erst nach den Jungen an die Reihe.

Von Seiten der Lehrer blieb das von mir erwartete Vergleichen aus. Etwa derart: „Wer hat den schönsten Stock geschnitzt?“ Oder „Du musst noch üben!“

Immer erlebte ich die Lehrerinnen und Lehrer stoisch gelassen, nicht direktiv, geduldig, freundlich, einfühlsam. Und zumindest dreisprachig; Berber, Arabisch, Französisch. Häufig wurde ich nach einer beiläufig-bescheidenen Antwort überrascht, ein paar Deutschkenntnisse habe man ja, wenn die Fortsetzung des Gesprächs plötzlich auf Deutsch möglich war. Hier und anderswo in Marokko.

„Das Projekt école vivante sowie die laufenden Schulkosten werden über ein aktives Fundraising gedeckt, da der Staat noch keinerlei Kosten übernimmt. Der gemeinnützige Verein in Marokko, die Association Vivante ist Träger der Finanzierung. Die Schule finanziert sich einerseits durch die den Vermögensverhältnissen angepassten Schulgelder, vor allem aber durch private Spenden. Wichtigste Stütze des Projektes sind die Partner und Freundeskreise sowie Paten, vor allem in der Schweiz und in Deutschland und eine freie Trägerschaft.“

„Neben der Grundschule entsteht momentan ein neuer Bau. In traditioneller Stein- und Lehmbauweise mit modernen Elementen entstehen hier Werkstätten und Klassenräume für ein innovatives duales Lehrsystem.
Die Jugendlichen werden hier die Möglichkeit erhalten, sich ab der 7.Klasse den Stoff der Sekundarstufe sowohl auf intellektuelle Art, wie auch praktisch und manuell zu erarbeiten und unter Begleitung der Lehrer, Meister und weiterer Fachpersonen Wissen tiefgreifend anzueignen.
Der in der Grundschule begonnene Weg des autonomen und selbstverantwortlichen Lernens wird weitergeführt und die eigene Persönlichkeit soll Chance zum Erblühen bekommen, damit sich die Jugendlichen mit Sinn und Erfüllung zu den Menschen entwickeln, die sie im Grunde ihres Wesens sind. Das collège vivant’e wird im Erdgeschoss gut ausgestattete Werkstätten beherbergen, in welchen technische und handwerkliche Fertigkeiten erlernt werden können und ein erster Einblick in verschiedene Berufsfelder stattfindet.
Diese Atelierräume werden in einer weiteren Phase auch als öffentliches Jugendzentrum, für Erwachsenenbildung, für Vorträge und weitere Veranstaltungen genutzt werden.“

Dieses Projekt halte ich für ausgesprochen förderungswürdig!

Neugierigen Lesern sei der Besuch der sehr informativen Website ecolevivante.com empfohlen.

Strolling

 

Ein von Franzosen ins Leben gerufener Verein in Essaouira

Mein zweiter Besuch galt dem Verein „Au Coeur de l’Amitié Euro-Marocaine“ in der wunderschönen Hafenstadt Essaouira. Ein “humanitärer, sozialer und kultureller Verein für den Schutz von Kindern in Schwierigkeiten in Essaouira” (Association humanitaire, sociale et culturelle pour la protection des enfants en difficulté d’ Essaouira), gegründet von einer in Marokko ansässigen Französin. Sie selbst, eine der Vorstandsdamen des Vereins und der fest angestellte Lehrer empfingen mich in den angemieteten Räumen am Rande des Weltkulurerbes, der Medina der Stadt, in unmittelbarer Nachbarschaft einer großen Moschee; just an dem Freitag, den König Mohammed VI. zum landesweiten Tag des Gebets und der Bitte an Allah, es endlich regnen zu lassen, ausgerufen hatte. In allen zwischen Marrakesch und Essaouira durchquerten Dörfern und Städten sahen wir Männer massenweise zu öffentlichen Plätzen oder in die Moscheen strömen oder schon gen Mekka niedergeworfen dem Aufruf des Herrschers folgend. Mit ohrenbetäubendem Sprechgesang zitierten Imame über auf den Minaretten angebrachten Lautsprechern Stunde um Stunde aus dem Koran.

Im Jahre 2002 in Frankreich gegründet hat sich der Verein zur Aufgabe gemacht, Kindern und ihren Eltern, oft alleinerziehende Mütter, Unterstützung und Förderung anzubieten. Dazu gehören Verteilung von Lernmitteln, Unterstützung bei den Schulaufgaben, zwei warme Mahlzeiten am Tag, Arztbesuche, Wochenend- und Ferienspiele, Austausch mit französischen und belgischen Schülern, Zusammenarbeit und Unterstützung anderer, ländlicher Vereine u.v.a.m.

Die meisten der ca. 22 Mädchen und 34 Jungen sind im Alter von 11 bis 14 Jahren. Eine erste Abiturientin gab es schon vor zwei Jahren. 95% aller hier versorgten Schülerinnen und Schüler erreichen – wie man bei uns so sagt – die Klassenziele. Und das will etwas heißen in einem ganz der „éducation nationale“ der ehemaligen Protektorats-Herren abgekupferten Schulsystem.

Ich durfte stiller Gast sein, als nachmittags eine Hand voll Jungens und ein Mädchen vom sehr gut französisch sprechenden Lehrer Bader – auf Deutsch – „Nachhilfeunterricht“ erhielten. Und wie sie vorne an der Tafel stehend sich abmühten, mit Kreide das lateinische Alphabet zu malen. Um eines Tages imstande zu sein, europäische Sprachen lesen und schreiben zu können.

Hier wie auch dort in Ait Bouguemez wurden die Zukunft, erwünschte Zukunft, Hoffnungen, Traumberufe und Modelle aus allen möglichen Kulturkonserven erfreulich häufig thematisiert. „Footballer“ antworteten häufig die Jungen (nie die Mädchen), „Krankenschwester“, Ärztin“ die Mädchen. Insoo Kim Berg und Steve de Shazer hätten ihre Freude gehabt!

Ein vom Dorfschullehrer und Gemeinderat gegründeter Verein auf dem Lande

Den vom Dorfschullehrer und Gemeinderat Ahmed Fadel gegründeten Verein „Association ayour pour le développement et l’éducation“ in Bouzamma, einem Dorf, nicht weit von Essaouira, lernte ich bei einem langen Gespräch im Hause von Ahmed und seiner Familie kennen. Seine mir unsichtbar gebliebene Frau hatte ein üppiges Mittagsmahl zubereitet, dessen Höhepunkt eine reichhaltige Fischtajine darstellte. Der niedrige Tisch vor den üblicherweise an der Wand aufgereihten farbenprächtigen Polsterbänken und Stützkissen war für drei Personen gedeckt worden. Abdelaziz, elf Jahre alt und der einzige Sohn unter den drei Kindern hatte das Mannesprivileg (oder die Pflicht?), mit uns zu essen. Die Mädchen durften oder mussten draußen bleiben, sie spielten im sonnenbeschienen Hof. Gelegentlich warfen sie scheue, neugierige Blicke in den kühlen Wohnspeiseraum. Für den Gast wurden Gabel und Löffel bereitgelegt, während die Gastgeber mit der rechten Hand – die Linke gilt als unrein – gebrochene Brotstücke zum Tunken oder Fassen von Speisestücken benutzten. Die dazu passende akrobatische Geschicklichkeit geht mir noch ab. Der dabei zwangsläufig hohe Verzehr von leckerem Fladenbrot ist zwar in Marokko nicht kostspielig, wäre aber nicht bekömmlich. Das Brot hat seit vielen Jahren landesweit einen staatlich garantierten Festpreis von 1 Dirham, umgerechnet 0,10 Euro pro Fladen.

Unser Gespräch drehte sich naturgemäß ums Geld. Ahmeds Verein erhebt keine Mitgliedsbeiträge. Seiner mir vorgelegten Buchführung entnahm ich, dass mal hier ein englischer, da ein französischer, selten auch mal ein marokkanischer Spender mit eher kleinen Beträgen zwischen zwanzig und hundert Euro sein Scherflein beiträgt. In Essaouira und seiner wunderschönen Umgebung – hier wachsen die weltweit einzigen Arganbäume in einer mich an die Toscana erinnernden Landschaft – leben etliche Europäer, vorwiegend Franzosen einen gewissen Zeitraum des Jahres. Eine große Stütze erfahre sein Verein durch den o.g. Verein „Au Coeur de l’Amitié Euro-Marocaine“ und dessen Gründerin, die in der Nachbarschaft wohne.

Mit großem Ernst und viel Engagement plant Ahmed Fadel mit seinem mit Schuljahresbeginn im September 2012 gegründeten Verein den Bau eines neuen Gebäudes, das vorschulischer Förderung dienen wird, Kindern zwischen vier und sechs Jahren. Das wird dann der école maternelle in Frankreich entsprechen. Außerdem wird dort ebenfalls Nachhilfeunterricht angeboten werden. Und, ähnlich wie zukünftig in der Privatschule von Ait Bouguemez, Eltern, zumal Mütter, die des Lesens und Schreibens noch unkundig sind, „alphabetisiert“ werden können. Ahmed nennt das, den „Kampf gegen den Analphabetismus für die Frauen des Douar“. (Darunter wird eine feste oder nomadisierende Siedlung verstanden, die ursprünglich Bewohner umfasst, die über eine gemeinsame Aszendenz väterlicher Linie miteinander verbunden sind.) Ausländer werden die Möglichkeit erhalten, an diesem geplanten Ort inmitten der Gemeinde Bouzamma sowohl Arabisch-Kurse zu besuchen als auch Amazighe (spricht sich aus wie amasich, mit weichem s und hartem ch) zu lernen.

Ein anderer Schwerpunkt des Vereins wird die Versorgung mit Trinkwasser sein. Gerade eben erreichen mich laufend Meldungen aus Marokko, die die permanente Trockenheit und die Hitze (im Januar!) beklagen.

Dieser Verein kann noch nicht auf einer Website besucht werden. Er befindet sich noch unter den Fittichen des Vereins „Au Coeur de l’Amitié Euro-Marocaine“.

Curiosity

 

Aussichten

Die Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten dieser drei Vereine liegen auf der Hand. Mir relevant erscheinende Unterschiede sehe ich darin, dass die zuletzt beschriebene Association im Dorfe Bouzamma als „endogen“*) identifiziert werden kann.

Der von Ausländern – mit Standbein in Europa – gegründete Verein in Essaouira hingegen hat die „Entwicklung anderer“, nicht-französischer marokkanischer Kinder zum Ziel.

Die private Schule in Ait Bouguemez stellt ein Sowohl-Als-auch dar. Die Schule liegt einerseits im Heimatdorf des einen Partners des Gründerpaares, einem dort verwurzelten Berber und ehemaligen Bergführer. Er und seine deutschstämmige Frau, welche seinen Glauben, seine Gebräuche und Gebote übernommen hat, zähle ich zu den Menschen, die „kraft ihres Geistes und ihrer Hände …Entwicklung leisten“*). Einerseits. Andererseits hängt diese Schule (noch?) am Tropf mildtätiger Förderer im europäischen Ausland.

Seit meiner Rückkehr kurz vor Weihnachten bekomme ich denn auch spontane Emails von Ahmed Fadel, mit denen er mir – in recht bescheidener Weise – signalisiert, dass er meiner Unterstützung bedarf. Unterstützung in Form von warmer Winterkleidung, Schulmaterial und natürlich Geld. Auf der Hut vor meiner eigenen Verführbarkeit, „schädliche Geschenke“*) zu machen, übe ich mich in einer Haltung des Nicht-nein-Sagens. Entscheidend scheint mir eine Interpunktion zu sein, bei der die Initiative und der Impetus eines – hier afrikanischen – Projektes den Start der Partnerschaft darstellt. „Der Schnellere hat die Verantwortung“, der zweite Hauptsatz der Verantwortungsdynamik, wie meine damaligen Lehrer es nannten, ist einer der Lehrsätze, die ich aus meiner Ausbildung zum Familientherapeuten mitgenommen habe. Ein Antidot gegen missionarischen Eifer und Bekehrungsgelüste.

Was tun? Was tun?

Meine eigenen Antworten auf diese beiden Fragen stehen noch aus. Ambivalenz braucht Zeit. Die will ich nutzen und somit den drei Einrichtungen geben. Damit sie die Schnelleren sein können.

Den Lesern stelle ich es anheim, sich nach dem Besuch der beiden genannten Websites für oder gegen Spenden zu entscheiden. Ich wäre behilflich bei der Überweisung.

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*) „Entwicklungshilfe? Eine Begriffsverwirrung …„Was wir tun, kann nicht Entwicklung anderer sein. Nur endogene Entwicklung verdient diesen Namen, also das, was Menschen und Gesellschaften kraft ihres Geistes und ihrer Hände aus sich selbst heraus leisten. Niemand kann von außen entwickelt werden“. Kurt Gerhardt, in ‚Entwicklungshilfe: Warum die Helfer in Afrika versagen‘, 2. Teil: Schädliche Geschenke, SPIEGEL Online, 23.05.2010

**) „Der Begriff Mystifizierung wurde ursprünglich von Karl Marx benutzt. Er beschrieb damit die Verdrehungen und Maskierungen von Gegebenheiten, mit deren Hilfe eine Klasse (die Ausbeuter) eine andere (die der Ausgebeuteten) sich gefügig macht. Es gelinge auf diese Weise häufig, den Ausgebeuteten die Formen und Methoden der Ausbeutung als Formen und Methoden von Wohltätigkeit darzustellen. In diesem Sinne verstand Marx auch die christliche Religion – das „Opium für das Volk“ – als Mittel der Mystifikation. Solche Verwirrungstaktiken führten nach seiner Ansicht dazu, dass sich die Ausgebeuteten mit ihren Ausbeutern identifizierten und sogar für die eigene, nicht erkannte Ausbeutung dankbar waren. Daher brauchten die Ausbeuter auch keine Rebellion zu fürchten.“ Fritz B. Simon/Helm Stierlin, „Die Sprache der Familientherapie“, Stuttgart 1984

(Fotos: Tom Levold)

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