systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

Familiendynamik 2002

Retzer, Arnold (2002): Editorial: Paare, Liebe, Katastrophen. In: Familiendynamik 27 (1): 1-4.

Retzer, Arnold (2002): Das Paar. Eine systemische Beschreibung intimer Komplexität. Teil I: Liebesbeziehungen. In: Familiendynamik 27 (1): 5-42.

abstract: Übersicht: Die Paarbeziehung wird unter dem Blickwinkel der neueren Systemtheorie beschrieben. Nach der Umstellung von personenzentrierten Sozialsystemenen auf sinnproduzierende Kommunikationssysteme ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der Beschreibung des Paares. Dasselbe Paar kann mehrere unterschiedliche Kommunikationssysteme mit unterschiedlichen und teilweise unvereinbaren Kommunikationscodes realisieren. In diesem ersten Teil wird das Kommunikationssystem der Liebesbeziehung und der Kommunikationscode der Liebe beschrieben. Die Liebe als ein kulturelles Phänomen hat einige zentrale Funktionen. Diese sind charakteristisch für die Liebesbeziehung und stellen die Unterschiede zu anderen Funktionssystemen in unserer Gesellschaft sicher.

Riehl-Emde, Astrid (2002): Paartherapie – warum nicht auch für ältere Paare. In: Familiendynamik 27 (1): 43-73.

abstract: Übersicht: Das psychotherapeutische Behandlungsangebot für ältere Menschen widerspricht dem Versorgungsbedarf: Epidemiologische Studien zeigen, dass der Anteil an psychischen Störungen und zwischenmenschlichen Konflikten im Alter weit unterschätzt wird; entsprechend dieser Unterschätzung erhalten Personen mit zunehmendem Alter immer seltener Psychotherapie. Der gleiche Zusammenhang gilt auch für die Paartherapie. Weil die Ablehnung der Psychotherapie mit Älteren seitens der Psvchotherapeuten in der Regel größer ist als seitens der Klienten, stehen Barrieren der Psychotherapeuten, ältere Menschen und insbesondere ältere Paare zu behandeln, im Mittelpunkt dieser Arbeit. Um derartige Barrieren überwinden zu können, wird dafür plädiert, Altersthemen vermehrt in die Ausbildung einzubeziehen und entsprechendes Wissen im Beruf zu vermitteln. Therapeutische Zugangsweisen in der Paartherapie mit älteren Paaren werden anhand kurzer Vignetten erläutert.

Volger, Ingeborg (2002): Interpersonelle Abwehrprozesse in der Paartherapie. In: Familiendynamik 27 (1): 74-103.

abstract: Die Kommunikation in konflikthaften Paarbeziehungen ist gekennzeichnet durch gemeinsame Abwehrmanöver, die zwar der Aufrechterhaltung sowohl des individuellen als auch des dyadischen Gleichgewichtes dienen, in der Folge aber zu schweren Kommunikationsstörungen führen. In der vorliegenden Untersuchung werden am Beispiel von Therapieprotokollen vier interpersonelle Abwehrstrategien beschrieben. Unter diagnostischer Perspektive geht es um das Erkennen des gemeinsamen Themas des Paares, das mit Hilfe der Abwehrstrategien in polarisierter Form zum Ausdruck gebracht wird. Unter therapeutischem Aspekt werden vier Ebenen der Abwehranalyse vorgestellt, die als methodischer Leitfaden das Verstehen und die Bearbeitung von Abwehr strukturieren.

Leff, Julian, S. Vearnals, C.R. Brewin, G. Wolff, B. Alexander, Eia Asen, D. Dayson, Elsa Jones, D. Chisholm & B. Everitt (2002): Die Londoner Depressions-Interventionssstudie. Eine randomisierte, kontrollierte Studie zu Antidepressiva vs. systemischer Paartherapie bei der Behandlung und Nachsorge von depressiven Menschen, die mit einem Partner zusammenleben: klinische Ergebnisse und Kosten. In: Familiendynamik 27 (1): 104-121.

abstract: Übersicht: Es wird über eine randomisierte, kontrollierte Studie über die Therapie von depressiven Patienten mit Antidepressiva versus systemierapie berichtet. Im Rahmen einer kontrollierten Studie wurden die relative Wirksamkeit und die Kosten von systemischer Paartherapie gegenüber Antidepressiva an einer Stichprobe von 77 Probanden untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die depressive Symptomatik in beiden Gruppen besserte. Gemessen an den Depressionsskalen von Beck zeigten die durch Paartherapie Behandelten sowohl unmittelbar nach Beendigung der Therapie als auch nach einem weiteren Jahr ohne eine Behandlung signifikant bessere Ergebnisse. Die Gesamtkosten beider Behandlungsverfahren zeigten dagegen keine nennenswerten Unterschiede. Aus den Ergebnissen dieser Studie muss der Schluss gezogen werden, dass für die untersuchte Gruppe systemische Paartherapie deutliche Vorteile gegenüber der antidepressiven Behandlung hat und darüber hinaus keineswegs teurer ist.

Retzer, Arnold (2002): Editorial: Neue Forschungsergebnisse zur Paar- und Familientherapie. In: Familiendynamik 27 (2): 127-128.

Wiegand-Grefe, Silke, Britta Zander & Manfred Cierpka (2002): Paar- und Familientherapie – ein effektives Behandlungsverfahren? In: Familiendynamik 27 (2): 129-145.

abstract: Es werden Effektivitätsbefunde aus der »Multizentrischen Studie zur Versorgungsrelevanz und Effektivität der Paar- und Familientherapie« berichtet. 154 Behandlungen von 52 Therapeutlnnen aus 21 Institutionen (Beratungsstellen, Ambulanzen, Kliniken und Praxen) wurden mit einem Basisdokumentationssystem und ergänzenden standardisierten Fragebögen mittels direkter und indirekter Veränderungsmessung evaluiert. Im Prä-Post-Vergleich einer globalen Einschätzung der Funktionalität des Beziehungssystems aus TherapeutInnensicht, des allgemeinen Befindens aus PatientInnensicht und der Problembeeinträchtigung eingangs formulierter Probleme aus Sicht aller Beteiligten wurden statistisch signifikante Veränderungen mit hohen Effektstärken nachgewiesen. Im allgemeinen Erleben und Verhalten der Patientlnnen zeigten sich deutliche Verbesserungen. Positiv eingeschätzt wurden von Therapeutlnnen und PatientInnen auch die Problembesserung, der Behandlungserfolg, die Zufriedenheit mit der Behandlung und der Anteil der Therapie an den Veränderungen. Unter Berücksichtigung methodischer Einschränkungen konnten deutliche Hinweise und Belege dafür geliefert werden, dass die Paar- und Familientherapie eine effektive (praxistaugliche) Behandlungsmethode bei einem breiten Spektrum von Problemen und Symptomen darstellt.

Spilker, Jan (2002): Selbstverantwortung vs. Fremdverantwortung und die Balance von Problem und Lösung. In: Familiendynamik 27 (2): 146-159.

abstract: In diesem Artikel werden die Ergebnisse einer Untersuchung zur Frage nach der Balance zwischen Problem und Lösung in der Psychotherapie dargestellt. Auf der Grundlage der modernen Systemtheorien wurde diese Idee, die Teil der Grundhaltung der Neutralität in der systemischen Therapie ist, operationalisiert als Balance zwischen Selbst- und Fremdverantwortung. Dabei entspricht die Lösung dem Aspekt der Selbstverantwortung und das Problem dem Aspekt der Bedingtheit des Menschen, hier insbesondere den Einflüssen der Herkunftsfamilie. Die Ergebnisse unterstützen die theoretischen Grundannahmen, eine Erweiterung der »bezogenen Individuation« (Stierlin 1994), und es wird ein Ausblick auf lmplikationen für die praktische Arbeit vorgenommen.

Meier, Barbara, Anke Röskamp, Astrid Riehl-Emde & Jürg Willi (2002): Trennung nach Paartherapie im Urteil der PatientInnen. In: Familiendynamik 27 (2): 160-185.

abstract: Übersicht: Kann das Ergebnis einer Paartherapie trotz Trennung und Scheidung als positiv gewertet werden? Zur Klärung dieser Frage wurden PatientInnen aus 125 Paartherapien nach ökologisch-systemischem Ansatz 1-9 Jahre nach Therapieabschluss angefragt. Mit einer Rücklaufquote von 66,S % liegt die schriftliche Beantwortung eines selbst erstellten Fragebogens aus 96 Paarbeziehungen vor. Nur knapp die Hälfte der Antwortenden lebt heute noch mit dem Partner zusammen, ein Viertel hat sich zwischen scheiden lassen. Überrascht hat der hohe Anteil von ProbandInnen mit körperlichen (70 %) oder seelischen (80 %) Störungen vor der Therapie und der hohe Anteil jener, deren Gesundheit heute besser ist als im Jahr vor der Therapie, ein Befund, der sich bei getrennt Lebenden bzw. Geschiedenen in gleicher Weise nachweisen lässt, wie bei den Zusammenlebenden. Überrascht hat ferner, dass im Urteil der Befragten sich die Therapie weniger positiv auf die Paarbeziehung ausgewirkt hat als auf die persönliche Entwicklung. Paartherapie erweist sich in unserer Untersuchung als wenig wirksam zur Scheidungsprophylaxe, aber angesichts von im Mittel nur 15 Therapiesitzungen – als erstaunlich wirksam für die persönliche Entwicklung und das körperliche und seelische Wohlbefinden.

Cierpka, Manfred & Michael Stasch (2002): Die GARF-Skala. Ein Beobachtungsinstrument zur Einschätzung der Funktionalität von Beziehungssystemen. In: Familiendynamik 28 (2): 176-200.

abstract: Die GARF-Skala (Global Assessment of Relational Functioning-Scale, Skala zur globalen Erfassung des Funktionsniveaus von Beziehungen) stellt eine Methode zur Beschreibung und Quantifizierung des Beziehungsumfeldes dar, in dem Personen leben und in dem ihre Probleme auftreten. Das Instrument wurde analog zur individuumszentrierten Achse V des DSM-IV (GAF; Global Assessment of Functioning) vom Committee on the Family of the Group for the Advancement of Psychiatry in den Vereinigten Staaten konstruiert und besteht aus den drei Dimensionen: Problemlösung, Organisation und emotionales Klima. Für jede Dimension existiert eine 100-Punkte-Skala, mit der ein Beziehungssystem beurteilt werden kann. Unter Zuhilfenahme der drei Skalen kann schließlich ein Gesamtwert gebildet werden, der eine Beurteilung des Beziehungsumfeldes einer Person erlaubt. Im Artikel werden der Hintergrund der Skala, ihr Aufbau und Untersuchungen zur Reliabilität und Validität dargestellt. Eigene Erfahrungen mit der deutschsprachigen Version der GARF-Skala, die in einigen Studien eingesetzt wurde, führen schließlich zu der Aussage, dass dieses einfache Instrument in der Praxis und in der Ausbildung, hauptsächlich jedoch in der Forschung eine größere Verwendung finden sollte.

Retzer, Arnold (2002): Das Paar. Eine systemische Beschreibung intimer Komplexität. Teil II: Partnerschaften. In: Familiendynamik 27 (2): 186-217.

abstract: Nachdem in Teil I der Kommunikationscode der Liebe und die sich daraus ergebende Liebesbeziehung beschrieben wurde, stehen in diesem Teil II zunächst die sich aus der Logik des Kommunikationscodes der Liebe ergebenden Paarprobleme im Vordergrund. Diese Probleme resultieren aus der Radikalität von Liebesbeziehungen. Ein gemäßigter Kommunikationscode bietet sich daher als Lösung des Liebesproblems an: die Partnerschaft. Sie wird gegen die Liebesbeziehung abgegrenzt. Schließlich wird gezeigt, wie auch die partnerschaftliche »Lösung« problematisch sein kann. Die Arbeit schließt mit Überlegungen zur Balance zwischen Liebe und Partnerschaft und zur Gefährdung von Paarbeziehungen durch Glücksversprechungen und Glücksansprüche.

Kandziora, Elisabeth (2002): Rezension – Jürgen Hargens & Wolfgang Eberling (2000): Einfach kurz und gut. Teil 2. Ressourcen erkennen und nutzen. Dortmund (Borgmann publishing). In: Familiendynamik 27 (2): 218-219.

Ochs, Matthias (2002): Rezension – Tewes Wischmann & Heike Stammer (2001): Der Traum vom eigenen Kind. Psychologische Hilfen bei unerfülltem Kinderwunsch. Stuttgart (Kohlhammer). In: Familiendynamik 27 (2): 219-220.

Krüll, Marianne (2002): Rezension – Satuila Stierlin (2001): »Ich brannte vor Neugier!« Familiengeschichten bedeutender Familientherapeutinnen und Familientherapeuten. Heidelberg (Carl- Auer-Systeme Verlag). In: Familiendynamik 27 (2): 220-221.

Retzer, Arnold (2002): Editorial: Essen & Trinken. In: Familiendynamik 27 (3): 227-230.

Reich, Günter & Claudia Buss (2002): Familienbeziehungen bei Bulimia und Anorexia Nervosa. In: Familiendynamik 27 (3): 231-258.

abstract: Essstörungen wurden aufgrund klinischer Beobachtungen schon frühzeitig mit familiären Beziehungsmustern in Verbindung gebracht (z. B. Bruch u. Touraine 1940, Richardson 1948). Insbesondere Hypothesen zur Entstehung der Anorexie und Versuche ihrer Behandlung sind eng mit der Entwicklung der Familientherapie und der systemischen Therapie verknüpft. Fast alle wichtigen familientherapeutischen Grundrichtungen haben sich an dieser Herausforderung entwickelt: die psychoanalytisch-mehrgenerationale (z. B. Sperling 1965, Sperling u. Massing 1970), die strukturelle (Minuchin et al. 1978) und die systemische (Selvini Palazzoli 1978, Weber u. Stierlin 1989). Essstörungen sind in ihrer Entstehung und Aufrechterhaltung nur durch das Zusammenwirken verschiedener Einflüsse zu verstehen: den Nahrungsmittelüberfluss in westlichen Gesellschaften, das hiermit einhergehende Schlankheitsideal sowie die Veränderung der Essgewohnheiten,
die kompetitive Ausrichtung dieser Gesellschaften und die damit verbundenen Rollenkonflikte für Frauen, durch genetische Einflüsse und last but not least durch familiäre Faktoren (vgl. Krüger et al. 2001).

Klein, Rudolf (2002): … Trinken hält Leib und Seele zusammen. Zur systemischen Konzeptualisierung süchtigen Trinkens. In: Familiendynamik 27 (3): 259-296.

abstract: Die Herausforderung für eine an der Systemtheorie angelehnte Beschreibung »süchtigen Trinkens« besteht darin, die bereits von Feuerlein (1979) beschriebene und kaum ernsthaft anzuzweifelnde Trias von biologischen, psychischen und sozialen Faktorengruppen in ihrer jeweiligen Relevanz und in ihrem Zusammenwirken für die Entwicklung eines süchtigen Trinkens hinreichend darstellen zu können (Feser 1986). Dabei geht es in einem ersten Schritt weniger um die Frage, wie die einzelnen Faktoren beim Prozess der Sucht gewichtet werden müssen (Küfner 1981), sondern auf welche Art die unterschiedlichen Operationen der drei Faktorengruppen und deren Zusammenwirken konzeptualisiert werden können. In einem zweiten Schritt wird eine solche Konzeption in einen historisch-gesellschaftlichen und anthropologischen Kontext gestellt. Der dritte Schritt liefert eine konsistente Beschreibung eines idealtypischen Verlaufs der systemischen Therapie süchtigen Trinkens. Besonderer Augenmerk liegt dabei auf dem Timing und einer speziellen Abfolge therapeutischer Schritte.

Thomasius, Rainer, Andreas Schindler & Peter Michael Sack (2002): Familiendynamische und -therapeutische Aspekte des Drogenmissbrauchs in der Adoleszenz. In: Familiendynamik 27 (3): 292-323.

abstract: Eingangs werden gängige Modelle und Perspektiven verschiedener familien- und kommunikationstherapeutischer Ansätze über den Drogenmissbrauch im Adoleszentenalter referiert. Die Therapiepraxis wird am Beispiel des familientherapeutischen Schwerpunkts der Drogenambulanz für Jugendliche und junge Erwachsene am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf veranschaulicht. Das so genannte »Eppendorfer Modell« verbindet familientherapeutische Ansätze sowie Elemente der systemischen und lösungsorientierten Therapie mit speziellen Erfordernissen der Suchtbehandlung. Es werden Therapieziele und Besonderheiten des Settings und Therapieverlaufs beschrieben. Am Ende des Beitrags werden aktuelle empirische Befunde zu Haltequoten und Therapiezielerreichung berichtet sowie Erfolgsindikatoren für Familientherapien mit adoleszenten Drogenabhängigen.

Cecchin, Gianfranco, Gerry Lane & Wendel A. Ray (2002): Respekt im Therapieraum. Außenseitern die Möglichkeit geben, ihre eigene Wahl zu treffen. In: Familiendynamik 27 (3): 324-331.

abstract: Therapeuten, die sich mit Menschen konfrontiert sehen, die ein sehr exzentrisches Leben am Rande der Gesellschaft führen, übernehmen oft die Verantwortung dafür, class diese Exzentriker ein Leben im konventionellen Stil führen. Aber Therapeuten haben mehr Freiheit, wenn sie diese Aufgabe nicht übernehmen und stattdessen die Auswirkungen des praktizierten Lebensstils auf das Leben des Klienten und das anderer untersuchen. Dadurch entstehen oft neue Möglichkeiten für die Wahl eines bestimmten, auch anderen Lebensstils. Dieser Ansatz wird am Fall eines heroinabhängigen Klienten illustriert.

Wege, Thorsten (2002): Kooperation mit Eltern/Elternteilen bei der Verselbstständigung von jungen Erwachsenen im Rahmen des betreuten Einzelwohnens. Systemische Perspektiven und Einladungen zu Balanceakten. In: Familiendynamik 27 (3): 332-353.

abstract: Auf der Grundlage von Praxiserfahrungen wird die Relevanz systemischer Ideen und Vorgehensweisen für das Arbeitsfeld des betreuten Einzelwohnens in der Jugendhilfe hinterfragt und konkretisiert. Konflikthafte Ausgangssituationen, spezifische Kontextbedingungen und Wirklichkeitskonstruktionen bei Verselbstständigungsprozessen von jungen Erwachsenen erschweren scheinbar eine konsequente systemische Ausrichtung der Arbeit, insbe’sondere was die Einbeziehung von Eltern bzw. Elternteilen betrifft. Hieraus ergeben sich umgekehrt Herausforderungen und Chancen: Notwendigkeit, Ziele und Möglichkeiten der Kooperation mit Eltern/Elternteilen werden insbesondere unter den Aspekten von Allparteilichkeit, Lösungs- und Zukunftsorientierung und der Nutzung von Ambivalenz als Ressource beschrieben. Exemplarisch soll gleichsam die Nützlichkeit systemisch inspirierter Kooperationsideen für die komplexen Arbeitszusammenhänge der Sozialarbeit/Sozialpädagogik verdeutlicht werden.

Stierlin, Helm (2002): Rezension – Arnold Retzer (2002): Passagen. Systemische Erkundungen. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Familiendynamik 27 (3): 354-356.

Retzer, Arnold (2002): Editorial: Klinische und methodische Fragen – (Körper-)Kulturen. In: Familiendynamik 27 (4): 363-366.

Häuser, Winfried & Walter Klein (2002): Gespräche über das Lebensende. In: Familiendynamik 27 (4): 367-393.

abstract: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die formalen Möglichkeiten der Respektierung der eigenen Wünsche am Ende des Lebens in Form einer Patientenverfügung werden dargestellt. Mediziner und Psychotherapeuten sollten während ihrer Ausbildung ihre Einstellungen zu Tod und Sterben reflektieren. Sie sollten Fähigkeiten erwerben, mit ihren Patienten/Klienten über die Durchführung bzw. das Unterlassen von medizinischen Behandlungen bei Erkrankungen mit infauster Prognose bzw. im Endstadium zu sprechen und die Entscheidungen schriftlich festzuhalten. Anhand von Fallbeispielen werden medizinisch-ethische Konflikte und Gesprächstechniken der systemischen Familienmedizin in der medizinischen Behandlung am Lebensende dargestellt. Gespräche von Arzten mit Patienten über medizinische Maßnahmen sind ein Kostenfaktor im medizinischen System. Wir diskutieren, ob dieser Faktor in der aktuellen und zukünftigen medizinischen Versorgung in Deutschland berücksichtigt wird.

Elbina, Abdel Wahab, Matthias Nieschalk & Wolfgang Stoll (2002): Tinnitus und Hörsturz: eine systemische psychosoziosomatische Perspektive. In: Familiendynamik 27 (4): 394-425.

abstract: Die vorliegende Arbeit stellt Erfahrungen bei den funktionellen Hörstörungen, Tinnitus und Hörsturz vor und richtet sich sowohl an die theorieinteressierten als auch an die praxisorientierten LeserInnen. In einem interdisziplinären Pilotprojekt arbeiten Psychologen, Ärzte, experimentelle und klinische Audiologen sowie entsprechende Pflegeteams zusammen. Ziel des Projekts war es zunächst, Erkenntnisse der systemischen lösungs orientierten Denkweise in eine »systemische Psychosoziosomatik« funktioneller Hörstörungen zu integrieren. Weiterhin sollten für den systemischen Therapeuten bzw. Familientherapeuten praktische und erfahrungsbasierte Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die ihm den Umgang mit der nicht seltenen Funktionsstörung des Tinnitus erleichtern. Zwei innovative Konzepte finden dabei Anwendung: Das Konzept des psychosoziosomatischen Konsensus und das Konzept der systemischen Selbstregulationskompetenz. Das erste Konzept geht im Sinne von Helm Stierlins Soziopsychosomatik (Stierlin 2000), die eine systemisch angelegte Epistemologie vorschlägt, von der Komplexität der Wechselbeziehungen zwischen den Systemen »Psyche«, »Soma« und »Sozialität« aus. Das Konzept der systemischen Selbstregulationskompetenz betont die Selbstheilungs- und Selbstregulierungspotenziale des Menschen in seiner Auseinandersetzung mit Krankheiten bzw. Störungen der biopsychosozialen Systembalance. Der Beitrag lässt durch fünf kasuistische Studien einen Einblick in die konkrete Arbeitsweise der psychotherapeutischen Tinnitus- und Hörsturz-Sprechstunde der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik der Universität Münster gewinnen.

Oberhausen, Winfried & Emil Kehnel (2002): Schizophrenie und Sucht. So genannte »Doppelerkrankungen«. In: Familiendynamik 27 (4): 426-444.

abstract: Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Besonderheiten der Therapie von Schizophrenie, wenn letztere durch ein Suchtproblem kompliziert wird. Insbesondere widmet sich der Autor der Fragestellung, inwieweit spezielle Therapieangebote für die besprochene Klientel möglich und sinnvoll sein können. Nach der Zusammenfassung der derzeit diskutierten Ätiologieüberlegungen wird eine Hypothese erläutert, die sich mit dem spezifischen beschleunigten Zeiterleben Schizophrener und ihrem Umgang mit Konflikten beschäftigt. Daran anknüpfend könnte Substanzmissbrauch die Möglichkeit dazu bieten, Zeiterleben und Konfliktbewältigung aktiv zu beeinflussen. Der Autor vertritt die These, dass zusätzlicher Substanzmissbrauch Schizophrenen mehr Autonomie sichert, und begründet damit die Beobachtung, dass die Behandlung so genannter Doppelerkrankter meist schwieriger und frustraner verläuft. Er spricht sich eher gegen die Schaffung von Spezialeinrichtungen und eher für die Akzeptanz und Würdigung erreichter Selbständigkeit aus.

Stierlin, Helm (2002): Familientherapie und/oder Einzeltherapie? Eine Bestandsaufnahme. In: Familiendynamik 27 (4): 445-467.

abstract: Die unterschiedlichen, in Einzel- und Familientherapien zur Wirkung gelangenden theoretischen Annahmen und Vorgehensweisen führten im vergangenen halben Jahrhundert sowohl zu polarisierenden Auseinandersetzungen als auch zu Versuchen, die beiden Ansätze miteinander zu versöhnen. Nicht zuletzt aufgrund der vom Heidelberger Team gemachten klinischen Erfahrungen entwickelt der Beitrag Gesichtspunkte, unter denen Familien- und Einzeltherapien kompatibel erscheinen, ja sich ergänzen können. Dies wird auch anhand von Fallbeispielen illustriert.

Schindler, Hans (2002): Erlebnisintensive Methoden in der systemischen Therapie mit EinzelklientInnen. In: Familiendynamik 27 (4): 468-487.

abstract: Die Entwicklung eines Konzepts für die systemische Therapie mit Einzelpersonen rückt die Frage der Rolle der Therapeutln-Klientln-Beziehung und der Bedeutung emotionaler Prozesse neu ins Blickfeld. An Hand von zwei Fallbeispielen wird das Konzept der »Zeitlinie« und das der »inneren Familie« genau erläutert. In diesem Beitrag werden praktische Ideen für eine systemische Arbeit mit einzelnen Klientlnnen vorgestellt. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf eine Verbindung von Erlebnisintensität, Ressourcenorientierung und Unterstützung der Selbstorganisations- bzw. Selbstheilungskräfte der KlientInnen gelegt.

Glatzel, Peter Michael & Rolf Thissen (2002): Die Problem-Lösungskurve (PLK). Ein systemisches Instrument zur Erfassung von Problemen und deren Lösungen. In: Familiendynamik 27 (4): 488-497.

abstract: Die PLK wurde in einem psychiatrischen Krankenhaus als Instrument zur Erfassung von Problemen, die im Zusammenhang mit psychischen Störungen in verschiedenen Lebensbereichen auftreten können, und deren Lösung entwickelt. Sie ist zunächst ein diagnostisches Instrument, kann aber auch zur Verlaufs- und Erfolgskontrolle von psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlung verwendet werden. Indem sie an krankenaktenübliche Kurvenblätter anknüpft, erlaubt sie, bei geringem Zeitaufwand viele Informationen auf engem Raum darzustellen. Ihre Unterscheidung von Problembereichen orientiert sich an der sozialpsychiatrischen Sichtweise, regt im weiteren jedoch zu einem systemisch-lösungsorientierten und die Eigenverantwortung des Patienten betonenden Denken an. Die PLK ist prinzipiell in allen Therapie- und Beratungskontexten einsetzbar, in denen Rat Suchende um eine auf ihr Leben zugeschnittene, individuelle Problemlösung nachfragen.

Duss-von Werdt, Josef (2002): Rezension – Helm Stierlin (2001): Psychoanalyse – Familientherapie – systemische Therapie. Entwicklungslinien, Schnittstellen, Unterschiede. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Familiendynamik 27 (4): 498-499.

Brandl-Nebehay, Andrea (2002): Rezension – Wolf Ritscher (2002): Systemische Modelle für die Soziale Arbeit. Ein integratives Lehrbuch für Theorie und Praxis. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme). In: Familiendynamik 27 (4): 499-502.

Stierlin, Helm (2002): Rezension – Jürg Willi (2002): Psychologie der Liebe – Persönliche Entwicklung durch Paarbeziehungen. Stuttgart (Klett-Cotta). In: Familiendynamik 27 (4): 502-504.

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