systemagazin

Online-Journal für systemische Entwicklungen

Familiendynamik 2001

Retzer, Arnold & Fritz B. Simon (2001): Editorial: Familienkulturen. In: Familiendynamik 26 (1): 1-3.

Beck-Gernsheim, Elisabeth (2001): Ferne Nähe, nahe Ferne. Überraschungseffekte in binationalen Familien. In: Familiendynamik 26 (1): 4-21.

abstract: In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl binationaler/bikultureller Paare erheblich zugenommen. Damit stellt sich die Frage, inwieweit »gemischte« Verbindungen in biographischer bzw. familientherapeutischer Hinsicht anders sind als Beziehungen, bei denen beide Partner aus demselben Herkunftsland oder Kulturkreis kommen. Hier werden zwei Bereiche herausgearbeitet, die in der Entwicklungsgeschichte binationaler/bikultureller Paare eine besondere Rolle spielen: Im Anfangsstadium vor allem ist die Fähigkeit zur interkulturellen Kommunikation wichtig, d. h. zum Entziffern kulturell geprägter Signale, Erwartungen, Normen. Im späteren Verlauf tritt nicht selten das Phänomen einer »biographischen Rückwende« auf – eine neu einsetzende Identifikation eines der Partner mit seiner eigenen Herkunft -, die in der Paarbeziehung erhebliche Überraschungen und Turbulenzen auslösen kann. Binationale/bikulturelle Paare sind deshalb weit mehr als andere immer wieder vor neue Fragen und Entscheidungen gestellt. Je nach Umständen kann dies zur Überlastung und Überfordung werden, im schlimmsten Fall auch zum Scheitern der Partnerschaft führen. Auf der anderen Seite liegt genau darin die Chance, im Alltag mehr Offenheit zu erhalten und immer wieder neue Anfänge zu wagen. »Lernen, mit Unterschieden zu leben«: das ist die Herausforderung, die solche Paare lebenslang begleitet.

Oestereich, Cornelia (2001): Kulturelle Familienwirklichkeiten. Systemische Therapie und Beratung im interkulturellen Kontext. In: Familiendynamik 26 (1): 22-43.

abstract: Interkulturelle Arbeit kann besonders gut gelingen, wenn den verschiedenen kulturellen Werthaltungen mit einer Haltung des Respekts und der Wertschätzung begegnet wird. Systemisch-konstruktivistische und sozialkonstruktionistische Konzepte haben sich für die Entwicklung interkultureller Beratung und Therapie als besonders nützlich erwiesen, da sie hilfreiche Methoden bieten, Aspekte von Migration und Kultur neu zu sehen und zu bewerten und sie für die Entwicklung neuer Lösungen zu nutzen. Die Reflexion persönlicher und institutioneller Interkulturalitätsstrategien ist eine Voraussetzung für das Gelingen interkultureller Begegnung in Therapie und Beratung. Die Arbeit mit Dolmetschern wird dargestellt. Interkulturelle systemische Therapie und Beratung werden anhand praktischer Erfahrungen der Autorin in einem ambulanten und stationären psychiatrischen Kontext erläutert und durch ein zirkuläres interkulturelles Therapie- und Beratungsmodell illustriert.

Bernstein, Anne C. (2001): Stieffamilien. Neue Geschichten für das Stieffamilienleben jenseits der Gebrüder Grimm. In: Familiendynamik 26 (1): 45-67.

abstract: Die Vorstellungen und die Organisation des Lebens von Stieffamilien wird unter einer kulturellen Perspektive betrachtet. Es wird ein Modell zur gemeinsamen Umstrukturierung von Geschichten vorgestellt. Dazu werden die Beziehungen in Stieffamilien vom narrativen Vermächtnis der Gebrüder Grimm befreit, etwa von den Kapiteln über Fehler, Unzulänglichkeiten und Vernachlässigung. Auf der Grundlage narrativer und sozial-konstruktionistischer Vorstellungen über Familien, wird der Begriff des »Seitenverweis« (sideshadowing) vorgestellt. Er soll erläutern, wie Therapeuten Familienmitgliedern dabei helfen können, neue Wege des Denkens, Fühlens und HandeIns zu entdecken, die sowohl den Einzelnen zufriedenstellen, als auch dem veränderten Kontext des Familienlebens angemessen sind. Es wird besonders darauf eingegangen, wie neue Ideen darüber entwickelt werden können, was es bedeutet, eine Stieffamilie zu sein, und wie mit der therapeutischen Herausforderung umgegangen werden kann, in der Arbeit mit Stieffamilien unterschiedliche Bindungen und Loyalitäten berücksichtigen zu müssen.

Schmitt, Alain & Elke Rehm (2001): Kundenorientierung als zufriedenheits-, erfolgs- und qualitätssichernde Haltung. In: Familiendynamik 26 (1): 68-97.

abstract: Kundenorientierung bedeutet, dass Helfende sich an den Erwartungen, Zielen, Bedürfnissen und Wünschen der Hilfesuchenden orientieren, Hilfe als Dienstleistung auffassen und eine zweiseitige flexible Einstellung zum Anderen einnehmen. Letzteres heißt, ihm als gleichberechtigten, mündigen, für sich sachverständigen Mitmenschen und mitgestaltenden Auftraggeber, als Kunden, Kundigen und Selbsterfahrenen zu begegnen und andererseits und gleichzeitig, ihm gegenüber eine professionelle Position des besten Wissens und Gewissens einzunehmen. Wir tragen Argumente und Daten zusammen, die zeigen, dass Kundenorientierung Beratungs- und Therapieerfolge, eine funktionierende Beziehung und Compliance und Qualität sichert sowie ethische und psychohygienische Aspekte hat und z. B. Jobzufriedenheit erhöht. Am Qualitätsbegriff zeigt sich, wie Kundenorientierung auch viele gesellschaftliche Forderungen an soziale Dienstleistungen erfüllt. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse zusammen, die derzeit über Kundenerwartungen, -ziele und -(un)zufriedenheiten vorliegen, und zeigen, dass diese eine Leitschiene darstellen, an der sich der gesamte Hilfeprozess orientieren kann: Sie sind sowohl Ziel und Zweck an sich – KundInnen sollten zufrieden sein und ihre Erwartungen erfüllt werden – als auch Mittel vieler Zwecke – sie dienen der Verbesserung des Hilfeprozesses.

Höger, Christoph, Wilhelm Rotthaus, Gaby Derichs, Günther Geiken & A. Naumann (2001): Arbeitsgemeinschaft Systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie e.V.: Stellungnahme zum Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie über die Systemische Therapie als wissenschaftliches Psychotherapieverfahren. In: Familiendynamik 26 (1): 103-110.

Retzer, Arnold & Fritz B. Simon (2001): Editorial: Systemische Psychiatrie. In: Familiendynamik 26 (2): 111-116.

Nicolai, Elisabeth, Jochen Schweitzer, Gunthard Weber, Nadja Hirschenberger & Rolf Verres (2001): Woran erkennt man, dass psychiatrische Organisationen »systemisch arbeiten«? In: Familiendynamik 26 (2): 117-134.

abstract: Das Praxisforschungsprojekt »Systemische Organisationsentwicklung in psychiatrischen Kliniken« erkundet den derzeitigen »Stand der Kunst« systemischen Arbeitens in psychiatrischen Einrichtungen im deutschsprachigen Raum. Mittels einer Konsensus-Prozedur wurde eine »Reflexionsliste zur systemischen Prozessgestaltung in psychiatrischen Einrichtungen« als Indikatorenliste entwickelt, die bei Einrichtungsbesuchen als Leitfaden für teilnehmende Beobachtung und Gruppeninterviews verwendet wurde. In diesem Artikel werden die Ergebnisse aus wiederholten Besuchen in zwölf projektbeteiligten Einrichtungen sowie aus einem Symposium mit fünfzig weiteren Experten dargestellt.

Moser, Christian & Johann Margreiter (2001): Systemische Praxis in der Akutpsychiatrie – Das Haller Modell. In: Familiendynamik 26 (2): 135-151.

abstract: Seit einiger Zeit versuchen wir, systemische Ideen in den rauhen Alltag einer psychiatrischen Akutstation in einem Landeskrankenhaus einfließen zu lassen. In den letzten zehn Jahren hat sich dadurch viel in den praktischen Abläufen, aber auch in unseren Köpfen verändert. Bei PatientInnen und deren Bezugssystemen sowie im gesamten psychosozialen Feld sollten in stärkerem Ausmaß Ressourcen und Kompetenzen genutzt werden. Dazu bedarf es der Ausweitung eines medizinisch dominierten Arbeitsverständnisses und theoretischer Modelle, um das Paradigma »biopsychosozial » praktisch umzusetzen. Dafür hat sich der systemische Ansatz für uns als sehr geeignet erwiesen.

Möhlenkamp, Gerd (2001): Psychose, Evolution und Neotenie. Über den Nachteil eines Vorteils. In: Familiendynamik 26 (2): 152-165.

abstract: Ausgehend von der nachgewiesenen Beteiligung eines hereditären Faktors wird angenommen, dass die genetische Disposition zur Schizophrenie und weiterer psychosenaher Pathologie die Extremvariante eines besonderen humanen Anpassungsvorteils darstellt, der mit der Reifungsverlangsamung des Menschen (Neotenie) in Zusammenhang steht. Die Konservierung kindlich-juveniler Entwicklungsformen im Verlauf der menschlichen Entwicklungsgeschichte hat im Vergleich zu den Primaten eine wesentlich verlängerte Entwicklungsphase bis zum adulten Stadium mit sich gebracht. In dieser langen Lern- und Prägungsphase ist das informationsverarbeitende System besonders offen und plastisch. Diese neotenen Merkmale können im Extrembereich der normalen Variation zum Nachteil im Sinne einer erhöhten Vulnerabilität werden, wenn die Ausbildung hinreichend stabiler und prägnanter Schemata nicht gelingt. Die Ergebnisse der neuropsychologischen Forschung zu den Defiziten Schizophrener im kognitiven Leistungsbereich unterstützen diese Hypothese. Als heuristisch fruchtbare Modellierung des Zusammenhangs von neoteniebedingter unzureichender Geschlossenheit kognitiver Strukturen und schwerer Psychopathologie erweist sich die systemtheoretisch postulierte wechselseitige Bedingtheit von Geschlossenheit und Offenheit lebender Systeme.

Kilian, Heiko (2001): Zur Systemischen Therapie bei »Persönlichkeitsstörungen«. In: Familiendynamik 26 (2): 166-180.

abstract: Der Aufsatz möchte einen Diskussionsbeitrag zum Einsatz systemischer Methoden in der Behandlung von »Persönlichkeitsstörungen« leisten. Nach einer Beschreibung typischer Interaktionsmuster werden einige Methoden aus dem systemischen Repertoire dargestellt, die sich in der klinischen Praxis als besonders nützlich und wirkungsvoll herausgestellt haben. Dabei sei darauf hingewiesen, dass Ähnlichkeiten und Überschneidungen mit anderen Therapieansätzen unvermeidlich und selbstverständlich sind.

Hollander, Sabine, Hermann Mecklenburg & Annabel Ruth (2001): «Multilaterale« Verträge als Instrument systemisch-psychotherapeutischer Arbeit in einer psychiatrischen Abteilung mit Pflichtversorgung. In: Familiendynamik 26 (2): 181-187.

abstract: Die Autoren zeigen, wie sich mit Hilfe von Verträgen zwischen Patienten, Therapeuten, Klinik und anderen die Beziehungen auf eine neue, besser definierte Ebene stellen lassen. Dabei werden z. B. alternative, für den Patienten annehmbare Metaphern für die Klinik (z. B. Hotel) eingeführt. Es gelingt so, auch im Rahmen eines Akutkrankenhauses eskalierende Dynamiken zu durchbrechen oder zu verhindern. Dies wird anhand von Fallbeispielen illustriert. Die Wirkfaktoren werden diskutiert, und die wesentlichen Bestandteile und Prinzipien solcher Verträge werden dargestellt.

König, Oliver (2001): Rezension – Psychotherapie und Sozialwissenschaft. Zeitschrift für qualitative Forschung. Geschäftsführende Herausgeber: Michael B. Buchholz und Ulrich Streeck, beide Göttingen, Verlag Vandenhoeck und Ruprecht: Göttingen 1999. In: Familiendynamik 26 (2): 188-192.

Armbruster, Jörg (2001): Rezension – Hans-Ulrich Pfeifer-Schaupp (1999): Helfen sollen und Hilfen annehmen müssen – Eine qualitative Studie zum Alltag sozialpsychiatrischer Beratung. Freiburg (Lambertus-Verlag). In: Familiendynamik 26 (2): 193-195.

Pisarsky, Bodo (2001): Rezension – Klaus G. Deissler &Sheila McNamee (Hg.) (2000): Phil und Sophie auf der Couch. Die soziale Poesie therapeutischer Gespräche. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme Verlag). In: Familiendynamik 26 (2): 195-196.

Stierlin, Helm (2001): Nachruf auf Ingeborg Rücker-Embden-Jonasch. In: Familiendynamik 26 (2): 204-205.

Retzer, Arnold (2001): Editorial: Arbeit und Familie. In: Familiendynamik 26 (3): 207-211.

Metzger, Jutta Anna (2001): Arbeit und Familie – Individualisierung im Quadrat. Grenzverschiebungen zwischen Arbeits- und Familienleben. In: Familiendynamik 26 (3): 212-225.

abstract: Der Beitrag befasst sich mit einem zentralen Aspekt gesellschaftlicher Modernisierung, der Individualisierung, und den damit korrespondierenden Veränderungen innerhalb der Funktionssysteme Wirtschaft und Familie. Ausgehend von Beschreibungen der sich verändernden Arbeitsorganisation – insbesondere innerhalb der letzten drei Jahrzehnte – werden Individualisierungsprozesse wie Enttraditionalisierung und Desynchronisierung in ihrer Wirkung auf Arbeitsprozesse und Familie beschrieben. Es wird die These entwickelt, dass sich die Systemgrenzen verschieben oder gar im Sinne einer Entdifferenzierung auflösen, und sich somit Arbeit wie Familie strukturell und nachhaltig verändern.

Anders, Stefan (2001): Lebensstilentscheidungen zwischen Arbeit und Familie: Zur Bedeutung der Extreme. In: Familiendynamik 26 (3): 226-252.

abstract: In diesem Artikel werden Wertigkeiten betrachtet, die den Umgang mit den Lebenswelten Arbeit und Familie beeinflussen. Es wird vermutet, dass diese Lebensbereiche um individuelle Zeit-, Energie- und Engagementbudgets konkurrieren. Dabei wird das Wahrnehmen von Ambivalenz als die Voraussetzung einer aus- und abgewogenen Entscheidung verstanden. Es wird angenommen, dass sich solche Lebensstilentscheidungen an einem gedachten zweipoligen Kontinuum orientieren, das sprachlich repräsentiert ist. Als erstes wird der demoskopische Kontext betrachtet, in dem solche Entscheidungen getroffen werden. Es werden soziologische Untersuchungen vorgestellt, die das Ambivalenzthema aufgreifen. Anschließend werden die Pole des Entscheidungskontinuums betrachtet: maximierte arbeits- bzw. familienorientierte Lebensstile. Es zeigt sich, dass mit dem Konstrukt« Arbeitssucht« die Beschreibung eines maximierten arbeitsorientierten Lebensstils existiert. Jedoch fehlt ein symmetrisches Konstrukt auf der Familienseite des Kontinuums. Es wird nach Erklärungen für dieses Ungleichgewicht gesucht und darüber spekuliert, welche Auswirkungen es hätte, wenn sich ein symmetrischer Begriff, wie der der »Familiensucht«, etablieren würde.

Clement, Ulrich & Ute Clement (2001): Doppelkarrieren. Familien- und Berufsorganisation von Dual Career Couples. In: Familiendynamik 26 (3): 253-274.

abstract: In den Beziehungen von Doppelkarriere-Partnern sind aufgrund ihrer symmetrischen Struktur spezifische Herausforderungen zu bewältigen. Im Gegensatz zu komplementär organisierten traditionellen Beziehungen stehen hier keine kulturell präformierten Regulationsmuster zur Verfügung. Es werden Konflikte an der Außen/Innen-Schnittstelle zwischen Beruf und Familie und an der Innen/Innen-Schnittstelle des Ausgleichs zwischen den Partnern untersucht. Ansätze von Lösungsperspektiven setzen an der Gestaltung der Ressourcenorganisation und des inneren Aushandlungsprozesses solcher Beziehungen an. Als Schlüsselkompetenz wird dabei der Umgang mit der kritischen Ressource Zeit gesehen.

Scherer, Thomas & Heike Tenne (2001): Systemisches Modell der Psyche. In: Familiendynamik 26 (3): 275-301.

abstract: Systemische Therapiepraxis kommt bislang anscheinend ganz gut ohne dezidiertes Modell ihres Gegenstandsbereichs aus. Entsprechend existiert eine Theorielücke, die zu schließen bisher erstaunlich wenige Autoren provoziert hat. Dabei sind viele notwendige Theoriebausteine schon erschlossen und brauchen lediglich passend (re)kombiniert zu werden. Die hier vorgestellte Komposition als genereller Modellrahmen soll einen Anstoß für Diskussion und Genese einer Theorie psychischer Systeme geben und Implikationen für die psychotherapeutische Praxis andeuten.

Fischer, Hans Rudi & Arnold Retzer (2001): «Das Geschäft war von Anfang an das zentrale Familienereignis … das Unternehmen darf nicht zum Spielball der Familie werden«. Die Familie und das Familienunternehmen. In: Familiendynamik 26 (3): 302-322.

abstract: Familienunternehmen sind sowohl für die beteiligten Familien als auch volkswirtschaftlich ausgesprochen bedeutungsvoll. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind mehr als 75 % aller Unternehmen Familienunternehmen, und über 70% aller unselbständig Erwerbstätigen sind in Familienunternehmen beschäftigt. Mehr als 50% der Familienunternehmen überleben nicht die Übergabe von der 1. an die 2. Generation. Damit besteht in der Nachfolgeproblematik eine existentielle Gefährdung der Unternehmen und der betroffenen Mitarbeiter. Angesichts der Tatsache, dass fast alle mittelständischen Unternehmen Familienunternehmen sind, ist zu erwarten, dass das Phänomen „Generationenwechsel“ hochaktuell sein müsste. Ein Blick auf die von den Unternehmerverbänden veröffentlichten Zahlen bestätigt dies. Vorsichtige Berechnungen gehen allein in Österreich von gegenwärtig 70.000 Unternehmen aus, die vor einem Generationswechsels stehen. Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM Bonn) hat allein für 1999 76.000 übergabereife Unternehmen erfasst. Davon wurden ca. 32.000 an Familienmitglieder übergeben, 38.000 verkauft und ca. 5.700 mangels Nachfolger stillgelegt. In den kommenden Jahren stehen ca. 300.000 deutsche Unternehmen (mit mehr als 2,5 Mio. Euro Umsatz) vor der für die Unternehmen existenziellen Frage, wie die Nachfolge zu regeln ist. Gegenwärtig versterben um die 30 % aller Unternehmer, ohne die Nachfolge testamentarisch geregelt zu haben. In den meisten Fällen führt dies zu schweren Krisen für die Unternehmen, weil die Erben meist schnell zerstritten sind. Nicht selten führt das zum Konkurs bzw. der Liquidation des Unternehmens.

Brandl-Nebehay, Andrea (2001): Rezension: Konrad Peter Grossmann (2000): Der Fluss des Erzählens – Narrative Formen der Therapie. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme Verlag). In: Familiendynamik 26 (3): 323-325.

Simon, Fritz B. (2001): Editorial: Geld oder Liebe – Familien und ihre Unternehmen. In: Familiendynamik 26 (4): 333-337.

Hilker, Töns H. (2001): Das Buddenbrock-Syndrom. Ursachen des Niedergangs von Familienunternehmen. In: Familiendynamik 26 (4): 338-358.

abstract: Die Gründergeneration zahlreicher mittelständischer Familienunternehmen der Nachkriegszeit tritt ab. Mangels unzureichender Nachfolgeregelung sind viele Unternehmen, insbesondere der dritten Generation, mit Konkurs bedroht. Im Generationenablauf endogen wachsende Interessenkonflikte können nur im Sinne des gemeinsamen Unternehmenswohls gelöst werden, wenn die Teilsysteme Eigentümer-Unternehmer, Betrieb und Familie gemäß ihrer jeweiligen ökonomischen, psychologischen und sozialen Funktionsbedingungen durch adäquate Handlungsrechte institutionell ausdifferenziert werden So gesteuerte Professionalisierung und Soziabilität der Akteure sind Überlebensbedingung des Familienunternehmens.

Simon, Fritz B. (2001): Die Familie des Familienunternehmens. In: Familiendynamik 26 (4): 359-377.

abstract: Die Familie und ihr Familienunternehmen können als zwei soziale Systeme betrachtet werden, die nach unterschiedlichen Kommunikationsregeln funktionieren. Sie sind eng miteinander gekoppelt und durchlaufen eine Koevolution. Wenn Familienmitglieder sich in beiden Systemen begegnen, so tun sie das in unterschiedlichen Rollen und
Beziehungen. Mit der Vermischung beider Kontexte sind für die Familienmitglieder spezifische psychische Anforderungen und Belastungen verbunden. In unterschiedlichen Phasen des Lebenszyklus des Unternehmens (von der Gründungsphase bis hin zum Mehr-Generationen-Großfamilienunternehmen) ergeben sich unterschiedliche Rahmenbedingungen für die Familiendynamik. Es wird versucht, charakteristische Muster von Familien in der ersten, zweiten, dritten und weiteren Generationen zu beschreiben und damit verbundene Risiken (z. B. Symptombildung) und Ansätze von Lösungsstrategien aufzuzeigen.

Haass-Wiesegart, Margaret (2001): Die »Dritte im Bunde« des Unternehmerpaares: die Bank. In: Familiendynamik 26 (4): 378-387.

abstract: Der Artikel untersucht die Beziehung von Familienunternehmen, Paardynamik und Banken in den kritischen Zeiten eines erhöhten Kapitalbedarfs durch Unternehmensgründung oder neue Liquiditätsprobleme eines bestehenden Unternehmens. Die Geschäftspraktiken von Banken und die Beziehungsangebote, die von ihnen dem Unternehmer gemacht werden, haben weitreichende Folgen für die Familiendynamik, speziell die Paardynamik. Es besteht eine charakteristische Dreiecksbeziehung, bei der sich einige typische – wenn auch nicht zwangsläufige – Interaktions- und Beziehungsmuster beobachten lassen. Da auch heute noch die Mehrzahl der Familienunternehmen von Männern geführt werden, wird diese Situation in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Die Darstellung beruht auf Erfahrungen in der paartherapeutischen Arbeit mit Unternehmerpaaren.

Haas, Bettina (2001): Konflikt und Chance: Die Veränderung der Leitungsstruktur in einem Familienunternehmen. In: Familiendynamik 26 (4): 388-402.

abstract: Familienunternehmen sind für unsere Gesellschaft von großer Bedeutung. Leider ist aber die »Sterberate« der Familienunternehmen hoch. Nur etwa die Hälfte von ihnen wird erfolgreich an die nächste Generation übergeben. Liegt dies allein am Versagen der Söhne und Töchter der Firmengründer? Die Familie des Unternehmers hat neben spezifischen Stärken spezielle Schwächen, dass sie aber derart pathologisch ist, entspricht wohl doch nicht der Realität. Die vorliegende Studie versucht eine differenziertere Beschreibung und Erklärung für das oft beklagte Phänomen der Übergangskrisen. Sie verbindet dabei Teile aus verschiedenen Fällen zu einem Ganzen.

Nagel, Reinhart, Margit Oswald & Rudolf Wimmer (2001): AROMA – Zwei Familien und ein Unternehmen suchen ihre Zukunft. Zur Zukunftssicherung in Familienunternehmen. In: Familiendynamik 26 (4): 403-424.

abstract: Familienunternehmen sind immer dann gefährdet, wenn sie im Zuge ihres Lebenszyklus Phasen diskontinuierlichen Wandels zu bewältigen haben. Solche die bisherigen Fundamente erschütternden Veränderungen stehen in der Regel an, wenn es an der Spitze dieser Unternehmen zu einem Generationswechsel kommt. Dieser Zeitpunkt erzwingt neue Stmkturen und das Aushandeln neuer Rollen in den betroffenen Eigentümerfamilien, ein Umstand, der das soziale Gefüge in diesen Familien häufig vor eine sehr ernste Belastungsprobe stellt. Gleichzeitig sind diese familialen Veränderungen auf das Engste mit einem Umbau der Führungsstrukturen im Unternehmen verknüpft. Auch dort wäre es eine Illusion zu glauben, die Nachfolger könnten so ohne weiteres in die Fußstapfen ihrer Vorgänger treten. In beiden sozialen Systemen, in der Familie wie im Unternehmen, braucht es ein den zu bewältigenden Problemen jeweils individuell angemessenes Management des Übergangs. Die vorliegende Arbeit untersucht anhand eines Fallbeispiels unterschiedliche Möglichkeiten dieses Übergangsmanagements. Sie diskutiert die Notwendigkeit des Entwickelns neuer Zukunftsentwürfe sowohl für die weichende Generation als auch für die beteiligten Familien als Ganzes. Die Arbeit verdeutlicht, wie erfolgskritisch dabei das Schaffen geschützter Kommunikationsräume ist, in denen die Interessensunterschiede unter Würdigung des in der Vergangenheit Geleisteten, aber mit dem Blick in die Zukunft neu ausgehandelt werden können. Sie zeigt ferner, wie ein solcher Generationswechsel parallel zum Wandel in der Familie die einmalige Chance bietet, das Unternehmen selbst strategisch neu auszurichten. Eine explizte Beschäftigung mit Zukunftsfragen ist vor allem für eigentümergeführte Familienunternehmen keine selbstverständliche Sache. Es gilt deshalb, eine Prozessarchitektur zu finden, die es ermöglicht, in der Form der Strategieentwicklung einen Musterwechsel vorzunehmen und dabei gleichzeitig neue Führungsstrukturen entstehen zu lassen, die den anstehenden Führungswechsel nachhaltig unterstützen.

Simon, Fritz B. (2001): Von der Familie zur Organisation. Die Entwicklung der European Family Therapy Association (EFTA). In: Familiendynamik 26 (4): 425-431.

abstract: Unter allen therapeutischen Fachgesellschaften und Verbänden bilden die Familientherapeuten in Europa eine ungewöhnliche Ausnahme: Sie sprechen offiziell (seit 2001) mit einer Stimme, denn sie werden durch eine gemeinsame Organisation, die European Family Therapy Association (EFTA), vertreten. Angesichts der im therapeutischen Feld üblichen Zersplitterung in unterschiedliche Schulen, in miteinander konkurrierende Institute, sich bekämpfende und ihre jeweiligen Orthodoxievorstellungen verteidigende berufsständische Organisationen usw. ist dies nicht nur ungewöhnlich, sondern ein Politikum. Wenn man darüber hinaus bedenkt, dass Vertreter von mehr als zwanzig europäischen Nationen, deren Werte, Sprachen und kulturelle Muster teilweise sehr verschieden sind, sich auf eine gemeinsame Organisationsstruktur einigen konnten, so bedarf dies einer Erklärung. Wie es dazu kommen konnte, soll im Folgenden skizzenhaft dargestellt werden. Ziel ist zu zeigen, dass systemisches Wissen nicht nur im Umgang mit Klientensystemen zu kreativen Lösungen führen kann, sondern auch bei der (Um-)Strukturierung von Organisationen.

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